Von Innsbruck oder Steinach zum Gardasee. Bei dieser abenteuerlichen Tour
fahren Sie nicht östlich durch die Dolomiten,sondern westlich von Bozen und Meran
auf etwas kürzerer Route zum Gardasee. Die Highlights dieser Tour sind die besonders
hohen Übergänge, die 2690 Meter hohe Schneebergscharte, das 2895 Meter hohe
Eisjöchl und das 2261 Meter hoch gelegene Rifugio Graffer in den Dolomiti di Brenta.
Die Blicke in die grandiosen Landschaften und die berauschenden, langen Abfahrten
muss man sich allerdings mit ein paar heftigen Schiebepassagen erkämpfen. Am
Schneeberg und am Eisjöchl trägt man sein Bike jeweils für gut zwei Stunden. Deshalb
sollte man hier gute Kondition und gute Fahrtechnik gleichermaßen mitbringen.
Das erste Teilstück von Steinach nach Sterzing über die vielen Möglichkeiten der
Brenner Grenzkammstraße ist von den bisherigen Routen bekannt. Nach einer Einkehr
im schönen Ortszentrum von Sterzing rollt man noch ein Stück weit auf Asphalt- und
Schotterwegen oberhalb der Straße ins Ridnauntal, um hier zu übernachten. Am Talschluss
in dem kleinen Ort Maiern bekommt man einen ersten Vorgeschmack von dem,
was einen erwartet. Das Bergbaumuseum zeigt die komplette Geschichte von Europas
ehemals höchstgelegenem Bergwerk am Schneeberg und die schön restaurierten
Hochöfen, in denen das Metall aus Silber-, Zink- und Bleierz geschmolzen wurde.
Anders als die Autotouristen, die sich diese Attraktion im Tal zu Gemüte führen, erfährt
der Biker bei der Auffahrt hautnah, mit weichem unglaublichen Aufwand die Bergleute
in vergangener Zeit das Erz von 2300 Metern Höhe hier hinuntergeschafft haben.
Denn die Erzgruben lagen auf der anderen Seite des Gebirgskamms. Man
transportierte in ganz früher Zeit das Erz auf Kiepen und dem Rücken von Maultieren
zuerst zur 2690 Meter hohen Schneebergscharte hinauf und dann über schmale, steile
Pfade wieder hinunter ins Ridnauntal, was vor allem im Winter äußerst gefährlich war.
Anfang des 18. Jahrhunderts ließ dann der Bergwerksmeister Paul Kaindl auf 2500
Meter Höhe einen 720 Meter langen Stollen durch den Berg schlagen, um das Erz leichter
auf die andere Seite des Kamms transportieren zu können. Dieser Stollen mit seinen
Verladeanlagen aus Eisengerüst ist heute noch gut sichtbar, genauso wie die Bremsberge.
In späterer Zeit, als der Bergbau auch hier stärker industrialisiert wurde, lud man
das Gestein auf Loren, die auf diesen bis zu 50 Grad steilen Bremsbergen mit Wasserkraft
abgelassen und wieder heraufgezogen wurden. Bei diesen Wassertonnenaufzügen
wurden die Loren so lange beladen, bis sie schwerer wurden als ein mit Wasser gefülltes
Gegengewicht und so auf ihren Schienen abwärtspolterten. Waren sie unten schließIich
entladen, zog das jetzt schwerere Gegengewicht sie wieder hinauf.
Heute sieht man vor der Moarerbergalm noch sehr gut den zum Teil aufgemauerten,
langen Lazzacher Bremsberg. Die einzelnen Bremsberge waren mit ebenen Schienenrollbahnen
verbunden, auf denen Pferde die Loren bis zum nächsten Bremsberg
zogen. Neben der gut fahrbaren Schotterstraße im Lazzacher Tal sieht man auch
noch die Materialseilbahn, mit der in neuerer Zeit bis in die sechziger Jahre das Erz
abtransportiert wurde. Die Schotterstraße endet hinter der Ruine des Poschhauses an
der 2118 Meter hohen Moarerbergalm, in der man-eine gute Brotzeit bekommt. Dann
geht es zur Sache: Ein steiler, steiniger Pfad, gut gekennzeichnet mit schwarz-weißen
Bergwerkszeichen, führt über 600 Höhenmeter hinauf zur Schneebergscharte. Schieben
oder Tragen ist angesagt. Auf 2500 Metern Höhe sollte man auf der alten ebenen
Pferderollbahn die paar hundert Meter zum Eingang des Kaindlstollens rüberfahren,
denn dort bekommt man noch einen sehr ursprünglichen Eindruck vom alten
Bergwerk. Oben auf der Schneebergscharte sieht man sofort, woher dieses Gebiet seinen
Namen hat. Auf der anderen Seite liegt ein völlig weißer Berg, der aus Marmor besteht
und von weitem so aussieht, als wäre er schneebedeckt. Von hier oben hat man
auch einen tollen Überblick über die ehemaligen Bergwerksanlagen auf der Seite des
Passeiertals. Zwischen den riesigen Abraumhalden liegt das Schneeberghaus, ehemals
die Unterkunft des Bergwerkdirektors und der Ingenieure und das Kirchlein St.
Martin. Bei der schweren, aber überwiegend fahrbaren Abfahrt hier hinunter sollten
Sie mal auf glitzernde Steine achten. Manche wiegen in der Hand deutlich schwerer
als andere, ein klarer Hinweis darauf, dass sie blei- oder zinkhaltig sind. Das heute
restaurierte Schneeberghaus ist die logische Einkehr- und Übernachtungsstation an diesem
Tag. Die Stube ist gemütlich, die Zimmer und das Lager gepflegt. Hüttenwirt
Heinz Widmann serviert gut und reichlich Südtiroler Spezialitäten und zeigt einem
gerne das nebenan liegende kleine Bergbaumuseum. Die Abfahrt vom Schneeberg nach
Moos in Passeier ist lang und anspruchsvoll. Der Trail an den unteren Bergwerksanlagen
entlang bis zur Timmelsjochstraße wird allen Bikern Spaß machen, zeigt aber auch,
warum zum Schneeberg bis heute nicht einmal ein Jeep hinauffahren kann. Sie folgen
der Straße talauswärts bis zum Abzweig Rabenstein, fahren hier rechts hinunter bis
vor eine Bachbrücke, um jetzt am Bach entlang auf Pfaden und Schotterwegen bis
Moos hinunterzudüsen. Dann kommt es knüppeldick: Das Höhenprofil zeigt ganz
deutlich, die Auffahrt zum Eisjöchl ist kein Spaziergang. Wer am Ende dieses Nachmittags
auf der Stettiner Hütte ankommt, wird geschlaucht und todmüde sein, selbst wenn
er auf den Namen Herkules hört. Die meisten Alpenüberquerer empfinden
die Anstrengung und die folgende wohIige Erschöpfung jedoch positiv, Hauptsache man weiß vorher, was einen erwartet.
Erst ist es eine schmale Asphaltstraße nach Pfelders, dann ein schöner Schotterweg zur
Lazinsalm. Hier sollten Sie noch einmal was essen und Wasser bunkern, denn der weitere
Anstieg ist beschwerlich. Die alte Militärstraße, die sich durch den Naturpark Texel
im Zickzack am Hang hinaufwindet und laut Karte eigentlich fahrbar aussieht, besitzt
die unangenehme Eigenschaft hochgestellter, schmaler Steinplatten als Wasserablaufrinnen.
Ist man durch die 15 bis 18 Prozent Steilheit der Straße schon am Limit, so zwingen
diese kleinen Hindernisse oft zum Absteigen. Im mittleren Bereich ist die
Straße durch Witterungseinflüsse teilweise zerstört, so dass hier auch Konditionsbären
steil bergauf schieben müssen. Und weiter oben, wo die Straße wieder fahrbar
erscheint, ist die Luft so dünn, dass man schon nach wen igen Pedaltritten wieder
nach Luft japst. So wird man sich am Eisjöchl je nach Form auf zwei bis drei Stunden
Schieben einstellen müssen - es sind mehr als 1000 Höhenmeter auf 6,5 Kilometer
Distanz. Die Stettiner Hütte mit ihren großen Matratzenlagern ist oft gut besucht, so dass
es sich empfiehlt vorzubuchen. Die ganze Schinderei des Vortages ist vergessen, wenn
man am nächsten Morgen die letzten 30 Höhenmeter zum Eisjöchl überwunden hat
und die Abfahrt ins Schnalstal vor einem liegt - es ist nach meiner Einschätzung eine
der besten und längsten Trailabfahrten Europas. Der breite Pfad führt über fast sieben Kilometer
und etwa 1000 Höhenmeter zum Eishof hinunter. Er ist trotz der kleinen Felsstufen und
Serpentinen nie so schwer, dass ein mittelguter Fahrer ihn nicht mit Spaß bewältigen
würde. Wer unten am Eishof ankommt, wird sicher ein Gefühl der Wonne in sich spüren
und das Frühstück vor dem hübschen Holzhaus mit Blick aufs hinter einem liegende Eisjöchl
genießen. Jetzt geht es auf schneller Schotterstraße mit vielen Viehgattern weiter bergab
zum Gasthaus jägerrast, durchs pfossental auf Asphalt hinunter ins Schnalstal und weiter
ins nur 520 Meter hoch gelegene Naturns im Vinschgau. Auch wenn Sie die letzten
Kilometer auf Asphalt zurücklegen, wo hat man sonst schon mal fast 2500 Höhenmeter
Abfahrt am Stück? Von Naturns aus bieten sich zwei Möglichkeiten, ins Ultental hinüber
zu gelangen. Einmal über den Tarscherpass mit 500 Höhenmeter Schiebestrecke
oder voll fahrbar über die Naturnser Alm. Nach der mühsamen Schlepperei am
Schneeberg und am Eisjöchl habe ich mich hier für die fahrbare Variante über die
Naturnser Alm entschieden. Auf schöner Schotterstraße geht es 1400 Höhenmeter
bergauf, eine Strecke, die Walter Platzgummer aus Naturns, Sieger der Master-Kategorie
der Transalp Challenge 2000, als Trainingsstrecke in etwas über einer Stunde
schafft. Sie werden sicher gemütlicher fahren und zwei Stunden oder mehr brauchen,
um dann die Einkehr in der Alm zu genießen. Weiter geht es auf grobschottrigen und
wurzeligen Waldwegen zum Vigiljoch und wieder hinab nach Pawigl und St. Pankraz
im Ultental. jetzt bleibt es einem nicht erspart, auf der Asphaltstraße bis St.Walburg
am Zoggier Stausee hinaufzuzockeln, wo Sie übernachten sollten. Denn die nächsten
Ziele, die Spitzealm und die Gampenalm bieten keine Übernachtungsmöglichkeiten.
Am Stausee fahren Sie nach links über die Staumauer und dann wieder auf leicht fahrbarem
Forstweg hinauf zur Spitzenalm. Mit schönem Blick bis Meran probieren Sie hier
den Almkäse und ein Glas Rotwein, um dann beschwingt den wunderschönen Pfad
zur Gampenalm in Angriff zu nehmen. Nach kurzem Schiebestück bergauf schlängelt sich
der Trail auf der Höhenlinie am Hang entlang und entlockt sicher den einen oder
anderen Lustschrei. An der Gampenalm geht es fahrbar weiter, doch dann muss man
immer wieder aus dem Sattel, weil der Wiesentrail von Kühen völlig zertrampelt ist.
Hinter der Castrinalm erreicht man schließlich die neu gebaute Hofmahdstraße, der
Sie nur 440 Meter bergab Richtung Süden folgen. Jetzt biegen Sie scharf links ab in eine
Forststraße mit dem Schild "Neuer Weg". Dieser Trasse folgen Sie erst bergab, dann
bergauf und schließlich über 8,5 Kilometer immer leicht bergab zum nicht besonders
spektakulären Breznerjoch. Dort überqueren Sie die Straße und fahren weiter auf völlig
ebenem Schotterweg zum Clozner JÖchl. Es gibt zwar ein Hinweisschild dorthin, aber
wenn man dann schließlich dort ist, steht man völlig im Wald. Eine Verzweigung ohne
jegliche Beschilderung lässt einen rätseln wie es weitergeht. Ich habe die Route nur mit
Hilfe meines GPS-Gerätes und einer genauen Landkarte gefunden. Ihnen hilft jetzt das
Roadbook: Nehmen Sie den Weg schräg rechts bergauf und folgen Sie der Beschreibung
über den nicht beschilderten Monte Nuovo. Durch den dichten Wald sieht man
hier zwar nicht viel, aber die Route hat es in sich. Zuerst geht es auf Trails zum Teil steil
bergauf, dann auf einer ausgewaschenen Schotterpiste wieder steil bergab nach Revo,
insgesamt eine völlig unbekannte, aber unerwartet schöne Strecke.
Über den weiteren Verlauf braucht man nicht viel zu sagen: Folgen Sie dem
Roadbook über die Asphaltstraßen und den Radweg ins Valle di Sole nach Male und
weiter nach Carciato. Hier beginnt die Schotterstraße hinauf nach Madonna di
Campiglio. Vor dem großen Skiort, hinter der Malga Mondifra nehmen Sie den Schotterweg
nach links bergauf zum Rifugio Graffer, der letzten Übernachtungsstation. Die
Auffahrt auf der groben Schotterstraße kostet einige Körner, aber der Blick in die
Felstürme der Brenta entschädigt für alles. Hier stehen Sie vor dem letzten Highlight
dieser Tour. Nach dem Abendessen gehen Sie nochmal auf die Terrasse und sehen, wie
die mächtigen Felswände sich im Sonnenuntergang immer rötlicher verfärben und
dieses schroffe und unnahbar anmutende Gebirge plötzlich in warme Farben getaucht
wird und zwischen den Nebelschleiern ganz sanft erscheint. Am nächsten Morgen nehmen gute
Fahrtechniker - schönes Wetter vorausgesetzt - den anspruchsvollen Trail zum Rifugio
Vallesinella, der sich in vielen Serpentinen an den Brentatürmen entlangwindet.
Alle anderen wählen die Schotterstraße nach Madonna di Campiglio zurück. In der
Nähe des Rifugio Cascata vereinigen sich die beiden Routen wieder, und jetzt geht es
erst bergab, dann wieder bergauf zum Lago di Val d'Agola, einem wunderschönen kleinen
See mit majestätischer Brenta-Kulisse. Zum Passo Bregn de l'Ors werden Sie ein
Stück schieben müssen, dann geht es an der Malga Movlina vorbei in nahezu endloser
Speedabfahrt hinunter Richtung Stenico. Das letzte Teilstück über den asphaltierten
Passo Duron Richtung Tenno und dann über Campi und Bastione nach Riva dei Garda
wird Ihnen nach diesen großen Bike-Abenteuern nicht mehr schwer fallen. Und Sie
werden - wenn Sie bei Vino und Spaghetti die Bilder dieser Tour nochmal in Ihrem
Gehirnkino vorbeiziehen lassen - himmlische Gefühle haben.