Quint
,
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http://www.tagesschau.de/ausland/pratchett-101.html
http://www.thejournal.ie/terry-pratchett-died-1988715-Mar2015/
Gerade erst gesehen. Nimmt mich gerade ziemlich mit und kam sehr unerwartet.
Seine Alzheimererkrankung war zwar schon länger bekannt, ebenso sein Engagement für aktive Sterbehilfe (was für mich immer ein sehr unangenehmes Thema war, mit dem ich mich aber wegen Pratchett dann doch befasst habe), trotzdem kommt sein Tod jetzt viel zu früh. Pratchetts Angst vor dem Sterben mit Alzheimer - mit der er immer sehr offen, ehrlich und mutig umgegangen ist - habe ich sehr gut nachvollziehen können und hat letztendlich meine Meinung zum Thema aktive Sterbehilfe geändert. Man hat imo durch seine Personifizierung von Tod als Charakter in seinen Büchern bzw. dem Sterben in der Scheibenwelt gemerkt, wie er selbst gehen wollte - ohne etwas zu spüren, von einer Sekunde auf die andere, friedlich.
Ich kenne die Umstände seines Todes nicht, hoffe aber inständig, dass sie zumindest annähernd so waren, wie er es sich immer gewünscht hat: Mit einer Flasche Wein im Garten, schmerzlos, friedlich.
Meinen ersten Kontakt mit Pratchett hatte ich, als meine Schwester nach Amerika auswanderte und mir ihre deutschen Bücher zurückließ. Damals habe ich quasi alles gelesen, also auch die Scheibenweltbücher. Ich fand sie "lustig", mehr nicht - all die interessanten Anspielungen, Wortspiele und zum Teil auch Gesellschaftskritik habe ich gar nicht mitbekommen. Das hat sich ein paar Jahre später geändert, als ich die Bücher abermals las und sie für mich dann eine völlig andere Bedeutung bekamen. Irgendwann las ich dann "Die Nachtwache", das für mich beste Pratchett Buch überhaupt, das wie kein anderes Fantasy, Witz, Intelligenz und das Böse im Menschen so perfekt miteinander vereinte. "Heiße Hüpfer"/The Last Continent las ich im Krankenhaus, sowohl Rincewind als auch ich hatten eine unangenehme Reise mit letztendlich guten Ausgang.
Irgendwann kam dann der Wechsel von Deutsch auf Englisch, was Pratchetts Bücher noch einmal völlig für mich verändert hat. Auch wenn Andreas Brandhorsts Übersetzungen nicht immer völlig korrekt waren - wie konnten sie auch, mit Anspielungen auf die britische Kolonialgeschichte, Politik oder Wortspiele, die gewollt mehrfache Interpretationen zuließen - hat er dennoch wie kein anderer das Gefühl der "originalen" Scheibenwelt sehr, sehr gut in das Deutsche übersetzt. Terry Pratchetts Bücher waren einer der Gründe, warum ich selbst den Weg als Übersetzer gewählt habe, mit dem Wunsch, eines Tages zumindest eines seiner Bücher zu übersetzen. Was Gerald Jung als Nachfolger von Brandhorst mit der Scheibenwelt gemacht hat, habe ich nur auszugsweise gesehen - und das hat mir auch völlig gereicht. Natürlich hatte er ein schweres Erbe, aber auf Teufel komm raus einige feste "Konventionen" zu ändern - "Du, Herr Mumm" / "Sagen Sie, Herr Mumm" - war kein kluger Schachzug, ebensowenig wie die Eindeutschung bestimmter Eigennamen.
Vor ein paar Jahren habe ich in London kurzfristig erfahren, dass Pratchett seine Bücher in einem Buchladen signiert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich in der U-Bahnstation der Oxford Street durch Menschenmassen bis zur Rolltreppe durchgekämpft habe. Dort sah ich dann jemanden mit einer Ausgabe von "Raising Steam" - offensichtlich war ich auf der richtigen Fährte. Und dann sah ich noch jemanden mit derselben Ausgabe. Und noch jemanden. Und noch ca. 30 andere Menschen. Ich war ca. 15 Minuten zu spät. Enttäuscht und wütend auf die Londoner U-Bahn wollte ich mich wieder auf dem Heimweg machen, als mich einer von Pratchetts Fans ansprach und mir dann einfach so ein Hardcover von Raising Steam in die Hand drückte. Auch wenn es nicht signiert war: selten habe ich mich mehr über ein Buch gefreut.
In den letzten Jahren ging die Qualität von Pratchetts Büchern merklich zurück. Zuerst bemerkt habe ich es bei Making Money, wo dann auch zum ersten Mal die Vermutung aufkam, dass Pratchett einen Ghostwriter hat. Ich habe dennoch seine Bücher weitergelesen, auch wenn es manchmal ziemlich war. Es gab in Pratchetts letzten Titeln immer einen sehr großen moralischen Zeigefinger, der immer im Vordergrund stand und mich häufig irritierte. Schließlich habe ich mich wieder klassischer Fantasy zugewandt, in der festen Überzeugung, dass Pratchett für immer weiterschreiben und sein nächstes Buch besser werden würde. Bis jetzt.
Terry Pratchett hat durch seine Bücher mein Leben und zum Teil auch meine Persönlichkeit in vielerlei Hinsicht beeinflußt und geprägt, deswegen ist er für mich viel mehr als nur ein gesichtsloser Autor. Ich habe unzählige Stunden in der Scheibenwelt verbracht, die ich erst viel später wirklich zu schätzen wusste und die immer eine Auszeit/Flucht vor der Realität bot - und mich sehr oft zum Lachen brachte. Mein Leben ist durch die Scheibenwelt-Bücher ein klein wenig besser geworden, was letztendlich einen riesigen Unterschied ausmacht.
Man kann einen Autoren nicht besser ehren, als wenn man seine Werke liest. Auch wenn es eine grobe Timeline in der Scheibenwelt gibt, kann man fast jedes Buch für sich alleine als abgeschlossene Geschichte lesen. In den 40 Scheibenweltbüchern gibt es mehrere "Hauptcharaktere", die oftmals in mehreren Geschichten auftauchen völlig unterschiedlich sind. Die Bücher um die Nachtwache um Samuel Vimes sind noch am ehesten mit klassischer Fantasy+Whodunit zu vergleichen, während Rincewind eher bizzare Abenteuer erlebt und die (frühen) Hexen-Bücher sich um "Pschykologie" drehen. Auch die "One Shots" mit Charakteren, die nur einmal auftauchen, sind sehr gut - ebenso seine Nicht-Scheibenweltbücher, wobei ich seinen Sci-Fi-Roman mit Baxter noch nicht gelesen habe.
In keiner bestimmten Reihenfolge meine Lieblingsbücher von Terry Pratchett:
1. Nightwatch
Imo das düsterste Pratchett-Buch, das trotzdem witzig und scharf ist.
2. Reaper Man
Der Tod auf der Suche nach Glück.
3. Hogfather
Tod dem Weihnachtsmann.
Welches sind eure Lieblingsbücher von Terry Pratchett?
http://www.thejournal.ie/terry-pratchett-died-1988715-Mar2015/
Gerade erst gesehen. Nimmt mich gerade ziemlich mit und kam sehr unerwartet.
Seine Alzheimererkrankung war zwar schon länger bekannt, ebenso sein Engagement für aktive Sterbehilfe (was für mich immer ein sehr unangenehmes Thema war, mit dem ich mich aber wegen Pratchett dann doch befasst habe), trotzdem kommt sein Tod jetzt viel zu früh. Pratchetts Angst vor dem Sterben mit Alzheimer - mit der er immer sehr offen, ehrlich und mutig umgegangen ist - habe ich sehr gut nachvollziehen können und hat letztendlich meine Meinung zum Thema aktive Sterbehilfe geändert. Man hat imo durch seine Personifizierung von Tod als Charakter in seinen Büchern bzw. dem Sterben in der Scheibenwelt gemerkt, wie er selbst gehen wollte - ohne etwas zu spüren, von einer Sekunde auf die andere, friedlich.
Ich kenne die Umstände seines Todes nicht, hoffe aber inständig, dass sie zumindest annähernd so waren, wie er es sich immer gewünscht hat: Mit einer Flasche Wein im Garten, schmerzlos, friedlich.
Meinen ersten Kontakt mit Pratchett hatte ich, als meine Schwester nach Amerika auswanderte und mir ihre deutschen Bücher zurückließ. Damals habe ich quasi alles gelesen, also auch die Scheibenweltbücher. Ich fand sie "lustig", mehr nicht - all die interessanten Anspielungen, Wortspiele und zum Teil auch Gesellschaftskritik habe ich gar nicht mitbekommen. Das hat sich ein paar Jahre später geändert, als ich die Bücher abermals las und sie für mich dann eine völlig andere Bedeutung bekamen. Irgendwann las ich dann "Die Nachtwache", das für mich beste Pratchett Buch überhaupt, das wie kein anderes Fantasy, Witz, Intelligenz und das Böse im Menschen so perfekt miteinander vereinte. "Heiße Hüpfer"/The Last Continent las ich im Krankenhaus, sowohl Rincewind als auch ich hatten eine unangenehme Reise mit letztendlich guten Ausgang.
Irgendwann kam dann der Wechsel von Deutsch auf Englisch, was Pratchetts Bücher noch einmal völlig für mich verändert hat. Auch wenn Andreas Brandhorsts Übersetzungen nicht immer völlig korrekt waren - wie konnten sie auch, mit Anspielungen auf die britische Kolonialgeschichte, Politik oder Wortspiele, die gewollt mehrfache Interpretationen zuließen - hat er dennoch wie kein anderer das Gefühl der "originalen" Scheibenwelt sehr, sehr gut in das Deutsche übersetzt. Terry Pratchetts Bücher waren einer der Gründe, warum ich selbst den Weg als Übersetzer gewählt habe, mit dem Wunsch, eines Tages zumindest eines seiner Bücher zu übersetzen. Was Gerald Jung als Nachfolger von Brandhorst mit der Scheibenwelt gemacht hat, habe ich nur auszugsweise gesehen - und das hat mir auch völlig gereicht. Natürlich hatte er ein schweres Erbe, aber auf Teufel komm raus einige feste "Konventionen" zu ändern - "Du, Herr Mumm" / "Sagen Sie, Herr Mumm" - war kein kluger Schachzug, ebensowenig wie die Eindeutschung bestimmter Eigennamen.
Vor ein paar Jahren habe ich in London kurzfristig erfahren, dass Pratchett seine Bücher in einem Buchladen signiert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich in der U-Bahnstation der Oxford Street durch Menschenmassen bis zur Rolltreppe durchgekämpft habe. Dort sah ich dann jemanden mit einer Ausgabe von "Raising Steam" - offensichtlich war ich auf der richtigen Fährte. Und dann sah ich noch jemanden mit derselben Ausgabe. Und noch jemanden. Und noch ca. 30 andere Menschen. Ich war ca. 15 Minuten zu spät. Enttäuscht und wütend auf die Londoner U-Bahn wollte ich mich wieder auf dem Heimweg machen, als mich einer von Pratchetts Fans ansprach und mir dann einfach so ein Hardcover von Raising Steam in die Hand drückte. Auch wenn es nicht signiert war: selten habe ich mich mehr über ein Buch gefreut.
In den letzten Jahren ging die Qualität von Pratchetts Büchern merklich zurück. Zuerst bemerkt habe ich es bei Making Money, wo dann auch zum ersten Mal die Vermutung aufkam, dass Pratchett einen Ghostwriter hat. Ich habe dennoch seine Bücher weitergelesen, auch wenn es manchmal ziemlich war. Es gab in Pratchetts letzten Titeln immer einen sehr großen moralischen Zeigefinger, der immer im Vordergrund stand und mich häufig irritierte. Schließlich habe ich mich wieder klassischer Fantasy zugewandt, in der festen Überzeugung, dass Pratchett für immer weiterschreiben und sein nächstes Buch besser werden würde. Bis jetzt.
Terry Pratchett hat durch seine Bücher mein Leben und zum Teil auch meine Persönlichkeit in vielerlei Hinsicht beeinflußt und geprägt, deswegen ist er für mich viel mehr als nur ein gesichtsloser Autor. Ich habe unzählige Stunden in der Scheibenwelt verbracht, die ich erst viel später wirklich zu schätzen wusste und die immer eine Auszeit/Flucht vor der Realität bot - und mich sehr oft zum Lachen brachte. Mein Leben ist durch die Scheibenwelt-Bücher ein klein wenig besser geworden, was letztendlich einen riesigen Unterschied ausmacht.
Man kann einen Autoren nicht besser ehren, als wenn man seine Werke liest. Auch wenn es eine grobe Timeline in der Scheibenwelt gibt, kann man fast jedes Buch für sich alleine als abgeschlossene Geschichte lesen. In den 40 Scheibenweltbüchern gibt es mehrere "Hauptcharaktere", die oftmals in mehreren Geschichten auftauchen völlig unterschiedlich sind. Die Bücher um die Nachtwache um Samuel Vimes sind noch am ehesten mit klassischer Fantasy+Whodunit zu vergleichen, während Rincewind eher bizzare Abenteuer erlebt und die (frühen) Hexen-Bücher sich um "Pschykologie" drehen. Auch die "One Shots" mit Charakteren, die nur einmal auftauchen, sind sehr gut - ebenso seine Nicht-Scheibenweltbücher, wobei ich seinen Sci-Fi-Roman mit Baxter noch nicht gelesen habe.
In keiner bestimmten Reihenfolge meine Lieblingsbücher von Terry Pratchett:
1. Nightwatch
Imo das düsterste Pratchett-Buch, das trotzdem witzig und scharf ist.
2. Reaper Man
Der Tod auf der Suche nach Glück.
3. Hogfather
Tod dem Weihnachtsmann.
Welches sind eure Lieblingsbücher von Terry Pratchett?
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