Nö, da leuchten meine Augen nicht. MMT-Vögel kenn ich genügend und sie gehen mir im Mittel hart auf den Senkel weil Sie ein Sendungsbewusstsein haben wie Konsolen-Fanboys oder PCMR-Fanboys. Egal ob man will oder nicht, jedes Gespräch wird in Richtung MMT gebogen bei gleichzeitiger vollständiger Resistenz gegen Argumente die nicht zum eigenen Narrativ passen.
Zu den von SFJ genannten Quellen könnte man noch zig weitere hinzufügen die im letzten halben Jahr geschrieben wurden, muss man aber nicht, denn man kann es recht knapp zusammenfassen.
- Die rein technischen Behauptungen sind größtenteils zutreffend
- Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen basieren auf teilweise aberwitzigen Annahmen
- Der Glaube daran, dass sich mit dieser Strategie irgendetwas lösen ließe basiert auf der Annahme, dass die Regierung alles perfekt regeln kann
Ganz davon abgesehen ist es mE gar keine Geldtheorie sondern wenn, dann eine Pseudotheorie der Staatsfinanzierung und der fiskalischen Stabilisierungspolitik. "Pseudo-" weil ich aus keinem Winkel irgendetwas wirklich neues entdecken konnte, die einzige halbwegs neue Sache ist die Forderung nach dem Primat der Politik über geldpolitische Erwägungen mit dem Ziel der Senkung der Arbeitslosigkeit. Das würde ich aber eher als "politikwissenschaftlich" oder zumindest "political economy" bezeichnen und nicht als originär "monetary economics", und schon gar nicht als ökonomische Theorie.
Wie kann man es als Fließtext zusammenfassen:
Wenn wir die Finanzierungsmöglichkeiten des Staates nutzen, dann kann die Regierung einfach diejenige Nachfrage schaffen bei der Vollbeschäftigung herrscht und adverse Effekte, insb. Inflation, durch schnelles Ändern der Besteuerung ausgleichen. (Soweit ist es theoretisch denkbar, wenn auch praktisch sehr schwierig.)
Die Schulden des Staates sind irrelevant weil er sie ja sich selbst schuldet und nicht pleite gehen kann, der Außenwert der Währung ist nicht gefährdet weil die zusätzliche Nachfrage in produktive Arbeit gesteckt wird. (Auch das ist theoretisch denkbar, aber schon extrem optimistisch.)
Offensichtliche Probleme:
- Besteuerung anpassen ist ein langwieriger Prozess der gerade im Vergleich mit Geldpolitik mindestens um den Faktor 10-100 langsamer ist wenn man keine homogene Regierung mit absoluter Mehrheit hat (oder eine Diktatur).
- Nowcasting Inflation ist auch nicht gerade trivial, um überhaupt den Änderungsbedarf der Besteuerung theoretisch kennen zu können.
- Zusätzlich ist der Außenwert einer Währung potentiell sehr volatil und gerade die USA sind wohl das einzige Land was sich ausrechnen kann mit so einer Strategie zumindest zeitweise durchzukommen (bzgl. des Wechselkurses, siehe die letzten zwei Jahre).
- Anzunehmen, dass der Staat die richtige Nachfrage kennt mit der alle Arbeitslosen eine produktive Arbeit bekommen ist recht heroisch. Das ist bisher weder dem Staat noch dem Markt gelungen. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass das jetzt plötzlich besser funktionieren würde wenn man beliebig Kohle raushaut. Wahrscheinlicher ist, dass einfach Bullshit-Jobs erfunden würden.
Davon abgesehen eine Real-Betrachtung:
Was passiert effektiv im postulierten Idealfall? Das Verhältnis Gütermenge zu Geldmenge wird nicht (!) verändert und der Staat beordert die Arbeitslosen an einen produktiven Arbeitsplatz wo sie irgendwo in der Nähe ihrer theoretischen Grenzproduktivität arbeiten. Der Wechselkurs bleibt wegen der konstanten Produktivität stabil, die Schulden explodieren nicht. Das Ergebnis wäre ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht wie von Lord Keynes persönlich gemalt. Dummerweise würde halt die Regierung quasi alles entscheiden, inklusive eines arbiträren Verdrängens privater Nachfrage.
Also ist in einem Satz die große Erkenntnis von MMT:
"Wenn wir einfach alle Entscheidungsgewalt in eine Hand legen, dann wird jeder einen Arbeitsplatz bekommen, weil es eine zentrale Planungsstelle gibt die das für diejenigen erledigt die sonst keine Arbeit finden. Die monetäre Seite ist irrelevant because Fiat-Money."
Das klingt für mich ähnlich realistisch wie jede Utopie die vom perfekten Menschen ausgehend konstruiert wird. Hier eben mit der perfekten Regierung.
Zsfg.: Funktioniert nicht. Technisch korrekte Ausgangslage, gezogene Schlussfolgerungen erfordern eine perfekt funktionierende Regierung mit absoluter Mehrheit im Parlament oder eine Diktatur damit die ganzen möglichen Nebeneffekte eingedämmt werden können. Ist auch keine Theorie. Hat von allen Dingen effektiv am wenigsten mit Geld zu tun.