Suizid - Vom Gedanken bis zur Tat

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Letzte Woche habe ich erfahren das ein Freund aus Kindertagen mit 34 Jahren seinem Leben ein Ende gesetzt hat indem er vor einen Zug gesprungen ist :( Als Kinder haben wir oft zusammen gespielt, die Familie hat direkt im gleichen Haus gewohnt, daher kannte man sich und hing zu Kinderzeiten oft zusammen rum. Irgendwann zog die Familie um und der Kontakt ist eingeschlafen, wir haben uns viele Jahre nicht gesehen, aber immer mal wieder voneinander gehört über bekannte/freunde usw. Bei der WM2018 trafen wir uns zufällig in einer Menschenmenge und haben einige Minuten geplaudert und Kontaktdaten ausgetauscht, wollten mal wieder was starten...

Letzte Woche dann die Info erhalten das er sich das Leben genommen hat - er hinterlässt seine Mutter, Schwester, Frau und ne 9 jährige Tochter...heftiger Doppelschlag für die Familie da erst letztes Jahr der Familienvater an Krebs gestorben ist :/

Ich war gestern auf der Beerdigung und es war hart mit anzusehen wie die Mutter und die Schwester leidet, ganz ganz bitter. Besonders die Mutter war fix und alle...

Habe aus Familienkreisen erfahren das er wohl unter dem Tod des Vaters gelitten hat, die letzten Monate hat die eigene Ehe gekriselt, er gab an seine Tochter nicht mehr wieder zu erkennen, sie wäre ihm so fremd geworden und er hatte das gefühl Todkrank zu sein obwohl ihm Ärzte bestätigt haben das er körperlich vollkommen gesund ist.

Ich frage mich nun, was muss wohl in einem Menschen vorgehen gehen um sich selbst das Leben nehmen zu wollen? Wie beginnt alles? Fängt es mit einem harmlosen Gedanken an und steigert sich dann Monat für Monat? Wie bereitet man sich auf die Tat vor, wie verzweifelt muss man sein? Wie krank ist man psychisch? Ist man dadurch sogar wie ferngesteuert?

Was geht in einem vor in der Sekunde in der man vor den Zug springt bzw. sein Leben beendet? Will man das wirklich?

Ich kann mir das nicht vorstellen...dieser Moment wenn man es tut...was geht einem durch den Kopf?

Wie denkt ihr über all das?
 

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Ein ferner Verwandter von mir, gleiches Alter, wir haben als Jugendliche öfters miteinander abgehangen, hat sich bereits vor ~10 Jahren das Leben genommen. Er hatte kein leichtes Leben, ist mit 16/17 in einen Autounfall verwickelt worden und hat dadurch seine Milz und eine Niere verloren. Die Ärzte sagten ihm immer wieder, kein Alkohol, keine Drogen, gesund ernähren. Er hat leider genau das Gegenteil getan und es anscheinend mit Mitte 20 nicht mehr ausgehalten. Ist dann eines Nachts vor eine Bahn gesprungen.

Kann mir das gar nicht vorstellen, vor allem weil wir bis auf ein paar Wochen gleich alt waren und ich damals in der Blüte meines Lebens steckte. Und dann denk ich mir, warum hat sich der Typ nicht anders umgebracht. Ohne dem Lokführer ein Trauma zu bescheren, ohne mehrere hundert Menschen zu behindern. Pulsadern aufschneiden und die 112 wählen oder so.

Hmmm, nein, verstehen kann ich das nicht. Ich kann mich auch nicht in die Person reinversetzen. Es ist schade und diesen Leuten muss geholfen werden - wie auch immer.

Auf reddit.com/r/de oder /r/germany kommen relativ häufig entsprechende Posts, meist wird dann direkt auf die (englischsprachige) Suizidhotline hingewiesen oder dem TO gesagt, dass er sofort die 112 wählen muss. Etwas ähnliches gibt es ja auch bei WoW. Sobald da etwas über Suizid gefaselt wird, kommt der GM an und informiert die Behörden aufgrund der bei Blizzard hinterlegten Daten. War früher jedenfalls so, kA ob das immer noch so ist.
 
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Ich habe vor 10 Jahren einen guten Freund verloren. Werde hier keine Details ausbreiten, nur so viel: Wenn jemand es sich wirklich in den Kopf gesetzt hat, sich umzubringen, sendet er meist Signale aus, die man teils aber erst im Nachhinein als solche erkennt. Und dann kommen die Fragen. Gleichzeitig glaube ich, dass es Faktoren (Gesundheit v.a.) geben kann, die Hilfe extrem schwierig machen. Depression ist ohnehin eine tückische Erkrankung. Menschen zu zeigen, dass es einen Ausweg gibt und jedes Leben wertvoller als kein Leben sein kann, ist sicherlich möglich, aber mit bloßem guten Zureden ist es bei jemandem, der wirklich depressiv ist, nicht getan.

Verstehen kann ich suizidale Gedanken absolut, die menschliche Psyche kann sehr schnell auf Selbstzerstörung umschalten. Bringt man eine gewisse Prädisposition mit, gehts noch schneller. Gerade unsere Arbeitswelt, die auf Leistung und Konkurrenz ausgelegt ist und die Tatsache, dass es immer mehr Alleinstehende ohne soziales Sicherheitsnetz gibt, erhöhen den psychischen Druck für jene, die sowieso schon labil sind. Suizidal kann aber letzten Endes jeder Mensch werden. Schicksalsschläge, Erfolglosigkeit, Einsamkeit, Perspektivlosigkeit, Sucht, etc., sind alles interdependente Faktoren, die da eine Rolle spielen können.
 
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Unabhängig davon wie tragisch diese Fälle sind, sollte meiner Meinung nach jeder erwachsene Mensch die Möglichkeit haben, sein Leben nach seinem Willen zu beenden. Diesen letzten Schritt in der Aufklärung sind wir in Deutschland noch nicht gegangen und ich finde es furchtbar, wie sich vor allem schwerkranke, pflegebedürftige Senioren zu Tode hungern müssen, weil sie ihr Leben nicht anders beenden können.

Wenn jungen suizidgefährdeten Menschen der Weg der Sterbehilfe offenstehen würde, in denen dann aber auch ihre Entscheidung respektiert wird, gäbe es sicher auch noch die Möglichkeit den einen oder anderen durch Beratung und Hilfe von seinem Vorhaben abzubringen. Und bei vielen anderen wären zumindest die Kollateralschaden kleiner, als wenn sie vor einen Zug springen.
 
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Ich habe just gestern noch einen Artikel gelesen bei dem es um Depressionen bei Männern geht. War glaube ich aus dem Interessante Artikel Thread. Dort stand das Depressionen bei Männern oft nicht erkannt werden und sich die Männer dann anders verhalten als Frauen. Und dass die Suizidraten dadurch bei Männern deutlich höher sind.
Man muss sich klar machen dass Depressionen keine Erkältung ist die irgendwann einfach so weggeht. Den Leuten geht es auch nicht einfach nur schlecht oder die sind auch nicht einfach nur traurig. Die Hirnchemie kann sich ändern, die kommen aus dem Kreislauf gar nicht mehr raus.
Hört sich bei dem Bekanntem vom Threadersteller auch so an - aber ich bin natürlich kein Arzt.
Ich möchte hier nur noch mal den dringenden Apell geben: wenn es Euch über längere Zeit nicht gut geht dann gesteht Euch das ein und geht zum Arzt. Es kann geholfen werden.
 
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Unabhängig davon wie tragisch diese Fälle sind, sollte meiner Meinung nach jeder erwachsene Mensch die Möglichkeit haben, sein Leben nach seinem Willen zu beenden. Diesen letzten Schritt in der Aufklärung sind wir in Deutschland noch nicht gegangen und ich finde es furchtbar, wie sich vor allem schwerkranke, pflegebedürftige Senioren zu Tode hungern müssen, weil sie ihr Leben nicht anders beenden können.

Ich denke hier sollte man Unterscheiden zwischen "hat ein Leiden was das Leben schwer erträglich macht" und "hat eine Krankheit und ist damit nicht unbedingt klar in seinen Entscheidungen".

Jemand der Depressiv ist und sich umbringen will sollte man helfen, nicht beim Suizid unterstützen.
 
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Wenn jungen suizidgefährdeten Menschen der Weg der Sterbehilfe offenstehen würde, in denen dann aber auch ihre Entscheidung respektiert wird, gäbe es sicher auch noch die Möglichkeit den einen oder anderen durch Beratung und Hilfe von seinem Vorhaben abzubringen. Und bei vielen anderen wären zumindest die Kollateralschaden kleiner, als wenn sie vor einen Zug springen.

depressive zustände stellen juristisch eine enschränkung der geschäftsfähigkeit dar, dein vorhaben scheitert allein schon daran und vermutlich stellt dein post auch die gesammte tiefe deiner auseinandersetzung mit dem thema dar.

richtig ist, dass der umgang mit depressionen in deutschland immer noch beschissen ist und das auch dazu beiträgt, dass sich die betroffenen oft nicht selbst diagnostzieren können, oder sich weigern hilfe anzunehmen, weil depressionen entweder nicht als krankheit wahrgenommen werden oder als etwas selbst verschuldetes, bzw. ihnen und anderen psychischen erkrankungen weiterhin ein stigma anhaftet.

jemand der depressiv ist sollte behandelt und nicht euthanaisert werden, wenn ich 5€ für jeden suizidgefährdeten bekommen hätte, den ich in 6 jahren psychiatrie gesehen hätte, der sich nicht das leben genommen hat und dann erfolgreich behandelt wurde, hätte ich jetzt ne wohnung in friedrichshain...

die wenigsten leute die sich umbringen wollen werfen sich vor ne bahn (~3-4%), die meisten erhängen sich, springen irgendwo runter oder nehmen medikamente zu sich.
 
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Ich habe vor 10 Jahren einen guten Freund verloren. Werde hier keine Details ausbreiten, nur so viel: Wenn jemand es sich wirklich in den Kopf gesetzt hat, sich umzubringen, sendet er meist Signale aus, die man teils aber erst im Nachhinein als solche erkennt. Und dann kommen die Fragen. Gleichzeitig glaube ich, dass es Faktoren (Gesundheit v.a.) geben kann, die Hilfe extrem schwierig machen. Depression ist ohnehin eine tückische Erkrankung. Menschen zu zeigen, dass es einen Ausweg gibt und jedes Leben wertvoller als kein Leben sein kann, ist sicherlich möglich, aber mit bloßem guten Zureden ist es bei jemandem, der wirklich depressiv ist, nicht getan.

Kein Vollquote because Platz. Kann das nicht genug rautieren. Entspricht exakt meiner Erfahrung. Hab passenderweise auch vor zehn Jahren im Frühjahr 08 einen sehr guten Freund verloren. War im Ausland die Zeit und frage mich bis heute immer wieder was ich hätte anders machen können.

Und Raute an Cica. Depression ist immer noch etwas was einen nahezu aussätzig macht in .de. Als ob es den Fall Enke nicht gegeben hätte.
 

manischExzessiv

Tippspielmeister 2018
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Hatte früher einen Klassenkameraden der immer etwas ruhiger war. Er hatte immer so ein nervöses zucken mit den Augen wenn man mit ihm geredet hat. Mir sind ruhige Menschen irgendwie immer sympathisch. Irgendwann hat unsere Sportlehrerin einen Aushang über einen sportlichen Erfolg von mir gemacht und er hat sich dafür interessiert. Das war das erste Mal, dass er ein Gespräch von sich aus angefangen hat. ich konnte ihn überzeugen mal mitzugehen. Er schien da aufzugehen. Wir haben uns immer um so Einzelgänger bemüht und ihnen Aufgaben im Verein gegeben. Er hat das jahrelang gemacht, hat dem Vorstand Aufgaben abgenommen, irgendwann hat er das Kindertraining zeitweise übernommen, hat sich um die kleinen gekümmert, von zuhause abgeholt wenn wir zu Turnieren gefahren sind usw.. Ich war irgendwie stolz auf mich weil ich das Gefühl hatte diesem Menschen geholfen zu haben nicht mehr so ein Einzelgänger zu sein und sein Leben grundlegend verbessert zu haben. Ich bin dann irgendwann weggezogen und hatte auch keinen Kontakt mehr. Vor drei Jahren hat er sich dann das Leben genommen. Totaler Schock für mich und den ganzen Verein. Ich frage mich immer, wie schlimm es in so einem Kopf zugehen muss? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein einfacher Schritt ist. Ich wüsste auch gerne was man jemandem sagen kann wenn man gefragt wird, wie man sich Hilfe holt? Geh zum Psychologen erscheint mir nicht als die richtige Antwort.
 
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Ich wüsste auch gerne was man jemandem sagen kann wenn man gefragt wird, wie man sich Hilfe holt? Geh zum Psychologen erscheint mir nicht als die richtige Antwort.

mmn ist es am besten entweder an den hausarzt oder an ambulante einrichtungen zu verweisen, es gibt z.B. die deutsch depressionshilfe, oder das bündnis depression, sowie den spdi (sozialpsychiatrischer dienst), wenn jmd. professionelle hilfe ablenht kann man auf selbsthilfegruppen oder foren/reddit verweisen, viele lesen eher still mit und begreifen dann erst, dass sie wirklich krank sind, das hilft oft die hemmschwelle zum arzt zu gehen zu senken, der erste ansprechpartner sollte auch hier immer der hausarzt sein, bei leichten episoden reicht es idR auch aus den hausarzt und einen psychtherapeuten aufzusuchen.
 

haschischtasche

Ährenpenis
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Ich kann mir das nicht vorstellen...dieser Moment wenn man es tut...was geht einem durch den Kopf?

Wie denkt ihr über all das?
Hab selbst diverse Aufenthalte in psychatrischen Kliniken hinter mehr, unter Suizidgefahr auch öfters mal die Geschlossene.
Was den Leuten bei der Tat durch den Kopf geht ist doch eigentlich irrelevant, der Gedanke hält ja nicht lang vor, und das ist auch kein Moment mehr in dem Mitmenschen durch aufmerksame Betrachtung irgendwelche Maßnahmen ergreifen könnten.

Was einem davor durch den Kopf geht ist da schon interessanter, aber hochindividuell und massiv von der Krankheit abhängig. Tatsächlich habe ich einige kennengelernt, die das als ferngesteuert sein beschreiben, aber größtenteils hingen die primär auf der Psychose-/Schizophrenieschiene, wo es nicht gerade selten vorkommt dass die Leute sich (auch in "ganz normalen" Lebensituationen) ferngesteuert fühlen.
Bei mir persönlich (Dysthymia/Depression) ist es eher so, dass mir "lange" vor solchen Momenten effektiv nichts durch den Kopf geht und unmittelbar vor solchen Momenten, dass mir vorher nichts durch den Kopf ging. Was ich auch so von anderen gehört habe. Falls du Momo kennst: Gleichgültig und grau. Für nichts ist es (logischerweise?) nicht Wert zu Leben. Allerdings ist das auch ein verzerrtes Bild, weil Härtefälle. Das sind halt absurde Umstände bei denen die Leute grundsätzlich erstmal nicht die Motivation aufbringen können, irgendwas in der Richtung zu planen (oder gar zu unternehmen), und es denen erstmal "richtig gut" gehen muss für den Suizid. Ironischerweise auch der Grund warum ein geradezu alberner Anteil aller Suizide unter der Ersteinstellung mit Antidepressiva durchgeführt/versucht werden.
Die Leute die sich wegen irgendeines kürzlich erfahrenem Traumas relativ spontan (und nicht in Folge einer jahrelangen psychischen Erkrankung) vor 'nen Zug schmeißen sind 'ne ganz andere Geschichte und fällen einfach eine für sie konsequente Entscheidung anhand ihrer Umstände, die man vielleicht nicht als völlig rational einstuft, welche aber eine freie Entscheidung ist. Das sind Gefangene der Fakten, wohingegen psychisch Erkrankte Gefangene ihrer Gedanken sind. Wenn die Frau tod ist, ist die Frau nunmal tod, das ändert sich auch nicht wieder wenn man sich nicht auf dem Dachstuhl aufknüpft. Insofern ist das ein Thema was man komplett anders angehen muss als ein Botenstoffungleichgewicht im Gehirn mit gekoppelten Verhaltensweisen.
Die Leute lernt man in solchen Anstalten aber recht selten kennen, denn abgesehen davon dass die meißtens Erfolgreich sind (zumal quasi unvorhersehbar), haben die im Normalfall auch recht kurze Aufenthaltszeiten; gehen gerne freiwillig, richterlicher Beschluss ist nicht ganz so einfach weil's meißtens halt doch gesunde Menschen sind, sind besser in irgendeiner ambulanten Selbsthilfegruppenbetreungsgeschichte aufgehoben als im Krankenhaus des Selbstmitleids, etc.. Ist auch ganz gut so, denn die Leute sind öfters mal der Abschaum der Gesellschaft was das Verständnis von psychischen Krankheiten angeht und verstehen sich folglich mit niemandem.

Naja, wie dem auch sei, kann ich die Suizide von Bekanntschaften, Freunden und Nachbarn nichtmal mehr an zwei Händen abzählen. Allerdings gabs nur zwei von denen die ich nicht in 'ner Klinik kennengelernt habe.
Auch quasi alles dabei abgesehen von vor den Zug werfen. Ist wohl insgesamt auch eher seltener, aber sowas wie "vor den Zug geworfen" oder "mit einer illegalen Schusswaffe" ist eine Nachricht in der Regionalzeitung wert, die meißten anderen Suizidmöglichkeiten allerdings nicht, was auch ganz vernünftig ist, weil Nachahmungs"täter" in dem Bereich keine Seltenheit sind ("jemand anderes hat's geschafft" ist halt auch eine Instanz von Motivation).

Insgesamt würde ich aber sagen, dass man Suizid nicht nachvollziehen können muss, aber man muss das als Entscheidung verstehen und akzeptieren, als so fehlgeleitet man die auch auffasst. Mir geht das ziemlich auf den Sack dass die erste Reaktion der Menschen meißt so ein Scheiß ist wie "Oh mein Gott, die Eltern/Frau/Mann/Kinder/Hund/Katze/Hypothek", als ob die Person die sich da aufgeknüpft hat ihr Leben nicht als beschissen genug empfunden hat um die Folgen zu rechtfertigen. Dieses penetrante irgendwem irgendeine Schuld in die Schuhe schieben zu wollen, ob die Mutter nun sich selbst oder der Nachbar dem Suizidanten oder die Schwester dem Vater, das ist alles der gleiche Dreck. Es gibt keine Schuld. Menschen sterben. Wenn sich jemand entscheidet früher zu sterben, dann ist das eben so. Die Person steht ja wohl ganz sicher nicht in der Schuld, für ihre Mutter doch noch ein paar Jahre länger zu Leben, genausowenig wie irgendwelche anderen Menschen es der Person schulden, stasiartig ungefragt in ihrer Psyche rumzuwuchern um das Auftreten von Selbstötungsabsichten zu verhindern. Klar, wenn man das vorher erkennt ist das schön und gut, aber niemand sollte irgendwem, auch nicht sich selbst, vorwerfen, wenn man es nicht erkannt hat, dass jemand der sich sehr bewusst ist dass seine Chancen für Suizid erstmal gen null gehen wenn es jemand erkennt, vorhat sich umzubringen.

mmn ist es am besten entweder an den hausarzt
Nie an den Hausarzt, es sei denn man kennt den selber und weiß aus eigener Erfahrung wie der mit solchen Sachen umgeht. Die meißten Hausärzte machen in solchen Fällen 'ne zweiminütige Anamnese und sagen dann "ist nicht mein Fachgebiet" und weisen einen weiter, was für den Patienten in dem akuten Zustand eine Verschlimmerung darstellt, weil "Oh, selbst der Arzt kann mir nicht helfen". Japp, hört sich dumm an, aber akut Depressive handeln und denken dumm.
Direkt an 'nen Psychiater. Einen richtigen; Facharzt für Psychatrie. Muss man auch keine sechs-plus Monate auf 'nen Termin warten, weil wenn jemand fragt, wie man sich Hilfe in dem Bereich holt, sieht das jeder brauchbare Psychiater als Notfall an und man kommt dann am gleichen Tag dran, wenn auch mit ein-zwei Stunden Wartezeit.
 
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TheGreatEisen

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Dank Dir für diese Offenheit, das gibt mir, da ich bislang davon ausging, dass jeder Selbstmord Folge einer pathologischen Erkrankung ist und es infolgedessen den "Freitod" gar nicht geben kann, wieder zu denken.
 
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Ist es nicht ziemlich logisch, dass Selbstmord nicht (nur) Folge einer pathologischen Erkrankung sein kann?

Ich meine stell dir ein Leben vor unter ständigen Schmerzen und Leid; ich würde sagen (wenn man es nicht ändern kann) ist der Freitod sogar logisch


In Notfällen gibt es eigentlich in jeder halbwegs größeren Stadt sowas wie Notdienst/Notstellen wo man hin kann.




Ansonsten will ich zu haschisch posts ergänzend hinzufügen: Es ist (für alle Beteiligten) viel einfacher zu akzeptieren was passiert ist, wenn die Person die den Suizid begeht schon mehrfach am besten massiv Hilfe bekommen hat.

Der Punkt ist auch: Wenn man mal Hilfe bekommen hat, dann merkt man idR, dass es Hilfe gibt und alleine das hält einen vom Suizid in Zukunft ab.

Ich finde es furchtbar schlimm (gerade in den ländlichen Gegenden öfter der Fall) wenn sich jemand ohne vorher professionelle Hilfe bekommen zu haben das Leben nimmt.

Das ist wie eine verschenkte Chance. Völlig unnötig. Unfassbar traurig und final.

Deswegen ist für mich das wichtigste ob man vorher Hilfe (prof.) bekommen/genommen hat.

Und ja Hasch, danke für die Offenheit :)
 

haschischtasche

Ährenpenis
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Ansonsten will ich zu haschisch posts ergänzend hinzufügen: Es ist (für alle Beteiligten) viel einfacher zu akzeptieren was passiert ist, wenn die Person die den Suizid begeht schon mehrfach am besten massiv Hilfe bekommen hat.
Jain. Bei Klinikbekanntschaften hab ich auch schon gehört dass Angehörige dann sowas sagen wie "Wir haben das ja gewusst, also hätten wir noch viel mehr machen müssen". Meißtens versuchen die Leute verzweifelt irgendeine Begründung zu erstellen wenn sie die eigentlichen Gründe nicht akzeptieren können (oder wollen) weil sie selbst nicht betroffen sind und sich nicht richtig mit der Erkrankung auseinandergesetzt haben. Letzteres passiert leider oft erst im Anschluß.

Ansonsten stimme ich zu, dass der Großteil der Depressionssuizide unnötig ist. Das kommt äußerst selten vor dass sich jemand umbringt der wirklich komplett austherapiert ist. Irgendwas bringt immer eine Verbesserung des Allgemeinzustandes mit sich. Die Problematik ist, dass Patienten und Ärzte da sehr langsam und vorsichtig vorgehen und dann lieber das zehnte mal den selektiven Wiederaufnahmehemmer wechseln obwohl die ersten neun auch schon nicht adäquat geholfen haben (oder gar zu so 'nem Mumpitz wie Tryziklischen Antidepressiva übergehen), anstatt mal hocheffektive Dinge wie Schlafteilentzug oder Elektrokrampftherapie anzugehen. Oder seit 2017 auch Cannabis, aber das wird noch Jahre dauern bis die meißten Psychiater da vorurteilsfrei rangehen; der Ist-Zustand von Cannabisverordnungen ist momentan aber sowieso auch noch ein train wreck, wie man auf Neudeutsch sagt.
 
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MUC
Jain passt da wohl ziemlich gut. So hab ichs nicht bedacht.

Will nur sagen: Ein Suizid während einer (starken) Depression ist halt nicht etwas wo man ganz trivial sagen kann "war seine/ihre Entscheidung also passt das schon".

Denn unabhängig davon ob psychotische Elemente dabei sind oder nicht.. würde der Mensch wenn er denn diese Phase übersteht (und 99% der Menschen tun das mit Therapie/Medis/Klinik/usw..) immer noch so handeln? - Niemals.

Aber ich glaube da widersprechen wir uns auch gar nicht.


Ich finde es nur so heftig wie wenig die Leute in bestimmten Regionen über diese Dinge wissen. Ich meine als ich 13 oder so war hat sich unser Nachbar erhängt. Ich hab das damals natürlich alles nicht so mitbekommen und verstanden aber nach meinem Studium denke ich immer wieder drüber nach dass der extrem wahrscheinlich noch leben würde wenn er nicht in einem 1000 Einwohner Dorf gelebt hätte. In der Nähe einer Stadt die einen Psychiater hat. Vielleicht einen.

Wäre dieser Mensch in einer großen Stadt anessig gewesen - ich sage er würde noch leben.


Zu den Meds kann ich nur sagen: Ist ein extrem komplexes Thema. Können extrem hilfreich sein & Leben retten. Aber man muss echt auch aufpassen.

Was ich da schon gesehen habe (Tavor völlig falsch eingesetzt und der Patient weiß es nicht besser; oder hohe Dosen Quietepain) das ist schon heftiger shit & man sollte so schnell es geht ohne diese Dinge auskommen können.
 
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Bekannte durch Suizid verloren, bei einem engen Familienmitglied ist der Versuch gescheitert, selber schon... Gedanken gehabt.

Das Familienmitglied war zu grossen Teilen ihres Lebens depressiv und gerade in einer Klinik. Muss irgendwas vorgefallen sein, hat sich dann im Affekt alles an Medikamenten was sie zur Verfügung hatte eingeworfen und sich in den nahen Wald gelegt. Wurde zum Glück von Spaziergängern gefunden...
Bei mir selber waren es auch depressive Zustände. Das Mass an gefühlter Wertlosigkeit ist kaum zu beschreiben. Wenn man sich selber nur noch als Belastung für alle involvierten fühlt. Der Filter, den einem die Depression vorsetzt, ist echt mies. Was mich davon abgehalten hat, konkrete Pläne zu schmieden: Ich würde das meinem Umfeld nie antun wollen. Das Wissen darum, dass man an einem Punkt ist, wo einem das eigene Leben egal ist, schmerzt weiter.

Der Umgang mit Personen in solchen Situationen ist nicht einfach. Zuerst muss man den Zustand mal ansatzweise verstehen und erkennen. Und dann muss man sich wirklich kümmern. Ermutigen, zu einer Fachstelle zu gehen. Regelmässig melden. Einen Weg finden, zwischen pushen und sein lassen, wenns halt grad nicht geht.
 

zoiX

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Ein Bekannter von mir hat sich vor ein paar Wochen in 'nem See ertränkt. Ist einfach von einem Tag auf den anderen aus der Wohnung verschwunden, die er mit seiner Freundin hatte, während sie gerade ihre Schwester im Ausland besucht hat. Sie kam am nächsten Tag heim und hat nur noch Geldbörse und Haustürschlüssel von ihm gefunden, keine Spur von ihm, kein Abschiedsbrief, nichts. Gab dann ein paar Tage Suchaktion, bis man seine Leiche etliche Kilometer entfernt in einem See gefunden hat.
Er war am Nachmittag vorher noch bei seinen Eltern und niemand hat ihm irgendwas angemerkt. Tatsächlich hat niemand irgendwann irgendwas gemerkt, es kam für alle völlig überraschend.
Selbst im Nachhinein fällt es allen Beteiligten schwer, Hinweise in seinem Verhalten auszumachen, die auf eine Depression oder ähnliches hingedeutet hätten. Man weiß, dass er nach einem Autounfall vor einigen Jahren mit chronischen Beschwerden zu kämpfen hatte, aber man hat ihm nie angemerkt, dass ihn das psychisch so verzweifeln lässt.

Die ganze Geschichte ist mir einfach ein Rätsel. Klar, Depression ist ein Arschloch und so, aber normalerweise gibt's doch immer irgendwelche Handlungen oder Aussagen, die einem spätestens im Nachhinein "HILFE!" entgegenbrüllen. Hier nicht. Und der Selbstmordmodus "ins Wasser zu gehen" ist auch irgendwie gruselig. Ertrinken klingt mir irgendwie nicht nach etwas, was ich mir für einen Freitod aussuchen würde. Klar, wenigstens keinen Lokführer traumatisiert, aber Ertrinken geht ja auch nicht von jetzt auf gleich...
 
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