Ich glaube einige hier verwechseln verständiges Lesen mit Überfliegen.
Klar, auch wenn man einen Text überfliegt, kriegt man grob mit worum es geht. Das ist aber nicht annährend vergleichbar mit dem detaillierten Durchdringen des Textes.
Zum Lesen (mit Verständnis) gehört eben nicht nur das Auffinden von offensichtlichen Informationen in einem Text, der einseitig irgendwas darstellt. Wer meint, damit wirklich zu lesen, den kann man nur belächeln. Das ist ein Niveau auf dem Grundschüler Texte erfassen.
Wirkliches Textverständnis umfasst noch ganz andere Dinge. Dazu gehört zum Beispiel in einem unbekannten Text zu einer fremden Thematik widersprüchliche Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, sie gegeneinander abzuwägen, eigene Schlüsse zu ziehen, all das mit dem eigenen Hintergrund- bzw. Allgemeinwissen zu verknüpfen und im Gehirn zu speichern. Einzelne Wörter im Text zu erfassen ist für Angehörige westlicher Kulturen im wahresten Sinne ein Kinderspiel, da schafft jeder eine hohe Wortzahl pro Minute. Einen Text zu
verstehen, ihn in all seiner Tiefe und Breite zu durchdringen, dazu gehört aber mehr als das Erfassen einzelner Wörter. Dazu gehört auch, die höhere gedanklicher Ebene, die sich hinter dem Text verbirgt, zu erfassen. Einzelne Sätze müssen mit dieser Ebene verknüpft werden. Manche Textpassagen haben eine andere Relevanz oder Gewichtung dafür, auch das muss erfasst werden. Bei einem Kinderbuch mag das mit Überfliegen noch möglich sein, aber sobald ein gewisses Sprachniveau erreicht ist, wenn die Sprache Nuancen aufweist, wenn rethorische Mittel verwendet werden etc., dann ist es vorbei mit dem Überfliegen. Dann denkt man, man habe irgendwas verstanden, in Wirklichkeit ist die Bedeutung aber verschoben.
Am Beispiel des verlinkten Textes: Er stellt einseitig und auf relativ niedrigem sprachlichen Niveau ein Thema dar, mit dem sich wohl die allermeisten hier schonmal befasst haben. "Schachtelsätze" kommen nicht vor, der vorausgesetze Wortschatz ist der eines vorpubertären Kindes. Es wird einseitig und unkritisch dargestellt. Rückblickend würde ich sagen, dass 60-70% dieses Textes redundant sind, weil bereits erwähntes erneut leicht anders erklärt wird. Grob ein Drittel (die Einleitung) ist nur blabla ohne irgendwelchen Informationsgehalt, was man als geübter Leser auch schon am ersten und letzten Satz des jeweiligen Abschnittes erkennen kann.
Lassen wir Dinge wie die Formatierung etc. mal zur Seite und schauen uns nur den Inhalt an: An diesem Text ist inhaltlich nichts kompliziert, alle Informationen liegen "auf der Hand", es muss nicht geschlossen oder interpretiert werden, es gibt keine Andeutungen, keinen tieferen Bezug zum Allgemeinwissen, überhaupt gibt es keine irgendwie "speichernswerten" Informationen, die nicht schon mehr oder weniger im Gehirn vorhanden sind. Es gibt keine Widersprüche, keine Gegenüberstellungen, man muss keine Bewertungen vornehmen. Kurz und knapp: Das Gehirn hat bei diesem Text keine wesentliche Aufgabe zu leisten, es muss lediglich einzelne Schlagwörter katalogisieren und dabei ganz schnell festzustellen, dass der Text nur Bekanntes über die Möglichkeit der Schlafreduktion wiedergibt.
Also ihr 800+ WpM-Leser, nehmt euch mal ein Einsteigerlehrbuch einer Geisteswissenschaft und lest da mit 800 Wörter pro Minute durch.
Mal sehen wie viel ihr am Ende noch wisst.