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Aufnahmen richten sich eher danach, wie viele freie Betten wir haben, aber falls mal jemand verlegt wird (entlassen wird aus unserer Station generell niemand) ist das Bett nach ein paar Tagen wieder belegt. Die Fluktuation ist allerdings nicht sehr hoch, da die Patienten wirklich Monate, teils Jahre in der Einrichtung verbleiben bis ein Gutachter der Meinung ist man kann es mal auf einer weniger gesicherten Station probieren.Coole Sache. Kann ich mir auch gut vorstellen sowas mal zu machen.
Wieviele Aufnahmen bekommt ihr so am Tag? Und wie lange bleiben die Patienten so bei euch? Was sind ihre "Vergehen"?
Die Vergehen sind fast alle im Bereich Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Brandstiftung, Körperverletzung im besonders schweren Fall (Folter), Tierquälerei, Kindesmissbrauch und/oder Kindesmisshandlung sowie diverse Kombinationen anzusiedeln.
Alle Täter sind halt in der Psychiatrie anstelle eines Gefängnisses, weil sie ihre Taten im Zustand verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit begangen haben (Wahnvorstellungen, imperative Stimmen, geistige Behinderung, komplettes Fehlen eines Werte- und Normensystems, Impulskontrollstörungen etc..).
Forensische Psychiatrie ist nicht ganz einfach und benötigt sehr viel Hintergrundwissen, die Bereitschaft sich sehr intensiv mit dem Patienten zu beschäftigen und birgt natürlich stets die Gefahr einer Eskalation. Hier wurden schon Mitarbeitern Finger, Nasen, Kiefer gebrochen, man wird mit Kot/Erbrochenem beworfen, mit Stühlen, Glasscherben, Messern, Kanülen bedroht. Die ganze Anlage ist quasi ein Hochsicherheitstrakt mit Kameras, Bewegungsmeldern, Sicherheitsschleusen etc.pp. und die Patienten sind teils unberechenbar und vor allem in einem Maße gewalttätig, was die normalen Grenzen überschreitet (also die Folgen ihrer Angriffe sind ihnen teils nicht klar oder völlig egal, da ist keine Hemmung, kein Mitleid und kein "Aufhören" zu erwarten wenn die richtig austicken). Die Auswahl der Leute die überhaupt geeignet sind in so einer Umgebung zu arbeiten ist begrenzt.
Ich hab damals direkt nach dem Abitur die Ausbildung bei der Berliner Polizei gemacht, mich dann jedoch umorientiert. Später in die Krankenpflege gegangen (1 Jahr fürs "kleine" Staatsexamen (Krankenpflegehilfe) + 3 Jahre für's "große" (Gesundheits- und Krankenfplege), 1.5 Jahre auf der Akutaufnahme gearbeitet und dann nochmal 2 Jahre in einem geschlossenen Langzeitwohnbereich.Gratulation, ich nehme an und das ist ein Ausbildungsberuf? Wieviel Berufserfahrung hast Du denn gehabt, als Du den Job bekommen hast.
1800 netto in Steuerklasse 1 ist wirklich sehr anständig, das ist im Grunde nahezu das, was man auch als akademischen Einstieg in die Berufswelt erhält. Allerdings gehts dann auch relativ schnell vorwärts wenn man sich nicht blöd anstellt.
Wie sind so die Entwicklungsoptionen in Deinem Job?
Ich gebe Dir Recht, ohne Vorerfahrungen in der Psychiatrie wirst Du nur schwer an so eine Stelle kommen. Ausserdem ist das natürlich kein Tariflohn, ich habe das Glück einen Arbeitgeber zu haben der gut wirtschaftet und eine sehr gute Personalpolitik betreibt, wir bekommen noch volles Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gefahrenzulagen, Schichtzulagen, bezahlte Überstunden etc.. Lohnt sich allerdings auch für den AG, kaum Krankenstand, geringe Personalfluktuation und hohe persönliche Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter kommen halt zurück.
Was die Entwicklungschancen angeht, so sind die innerhalb des Berufes finanziell nach oben schon begrenzt. Man kann entsprechende Fachweiterbildungen machen (z.B. Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, Anästhesie, etc..) womit automatisch eine Gehaltsstufe mehr verbunden ist, man kann Leitungsposten übernehmen (Stationsleitung, Gruppenleitung, Bereichsleitung) was auch mehr Geld gibt oder man spezialsiert sich auf bestimmte Funktionen (Sicherheitsfachkraft, Hygienefachkraft, Wundmanagement, Schmerzmanagement, Traumaspezialist etc.) wo man dann für die gesamte Einrichtung zuständig wäre. Der Mehrverdienst hält sich dabei allerdings in Grenzen, vielleicht maximal 25-30% mehr als das Grundgehalt.
Will man noch weiter, muss man ein Zusatzstudium machen, atm. in Deutschland imho nur 3 Richtungen: Pflegemanagement, Pflegewissenschaft und Pflegepädagogik. Damit hat man dann die Möglichkeit in die Krankenhausleitung (Pflegedienstleitung) auch größerer Einrichtungen zu gehen oder in größeren Einrichtungen von Bund und Ländern in Kommissionen zu gehen die Pflegestandards, Theorien, Praktiken etc. entwickeln, Publikationen veröffentlichen etc. oder man geht halt als Lehrer/Direktor an Krankenpflegeschulen bzw. macht sich selbständig als Dozent für o.g. Studiengänge. Hier muss man aber klar sagen: hätte man auch direkt nach dem Abi studieren können - aber Berufserfahrung (besonders ganz unten in der Praxis) hilft enorm dabei, als Akademiker in dem Bereich wirklich kompetent zu sein.