Favoritensterben: Ro32 & Ro16
Die ersten beiden Runden brachten so einige überraschende Momente mit sich und bestätigten den bisherigen Saisonverlauf. Direkt zur ersten Session startete der amtierende (Ex)Weltmeister Selby mit C-Spiel gegen einen halbwegs solide spielenden Joe Perry. Trotz erster Chancen häuften sich Flüchtigkeitsfehler und kleine Unglücke: Schlechte Splits, leicht überlaufene Positionen, etwas unsichere Safes - 0:4. Diesen Vorstand verteidigte Perry in der ersten Session relativ souverän (2-7), Selby schaltete nicht in den 'Torture-Mode' um, für den er im Crucible so bekannt ist. Endstand: 10-4, verdienter Sieg Perrys und Endpunkt der wohl schlechtesten Saison Selbys seit 2014. Als Konsequenz der sehr frühen Niederlage (0 Pfund Preisgeld für gesetzte Spieler!) könnte Selby spätestens ab Mitte September erstmals seit gefühlt fünf Jahren wieder seinen Status als Nummer Eins der Welt verlieren. Könnte.
Zu Selby gesellte sich relativ früh Shaun Murphy, der allerdings deutlich mehr kämpfte, mit einem extrem gut spielenden Jamie Jones allerdings seinen Meister fand. Endstand: 10-9 für Jones, wobei nur Murphys Kampf ein deutlicheres Resultat verhinderte.
Der nächste gesetzte Spieler fiel mit Bingham - auch dieser konnte dem Nachwuchstalent Lisowski nichts entgegensetzen, wobei seine 7 Frames eher dem Nervenflattern des Gegners zuzuschreiben waren.
Weiterhin befreite sich Ricky Walden von seiner langen Reihe an unnötigen Niederlagen (wohl aufgrund wiederkehrenden Verletzungen) und rang Brecel mit einem 10-6 nieder. Hier gab es vor allem spektakuläres Safespiel in der zweiten Session, Snooker auf allerhöchstem Niveau.
Ein weiterer Blackout traf den Australier und Ex-Weltmeister Neil Robertson, der in einem qualitativ sehr minderwertigem Spiel von Milkins regelrecht überfahren wurde: 10-5 für Bob Milkins. Analog, aber vorhersehbar: Fu 5 - 10 Haotian.
6 von 16 gesetzten Spielern, darunter der deutliche Favorit Selby, fielen also direkt aus dem Rennen. Rechnet man Ryan Day dazu, der seinen Setzplatz knapp verpasste, wären es schon 7. Der Waliser unterlag McGill, wobei mir immer noch nicht klar ist warum.
Eine der letzten Sessions der ersten Runde endete fast mit einem ähnlich spektakulärem Ergebnis. Judd Trump zog früh gegen Chris Wakelin davon, schaffte es aber in der letzten Phase noch 4 Frames am Stück zu verlieren und gewann gerade so mit 10-9 auf den letzten drei Kugeln des Deciders.
Die wohl stärksten Auftritte feierten MJ Williams, John Higgins, Mark Allen, Ding Junhui, Allister Carter und Kyren Wilson. Bei deren Spielen gab es nie wirklich einen Zweifel, dass die Favoriten ohne großen Kampf zumindest das Achtelfinale erreichen. Auf die Liste gehörte theoretisch Barry Hawkins, der dann doch irgendwann kurz einen Aussetzer hatte, dennoch Carrington mit 10-7 besiegte.
Im Achtelfinale sieht es größtenteils 'normal' aus - keine Überraschungen. Allen plättet Perry, der seinem Gegner weitaus weniger Freiraum gab, als es Selby noch tat, Analog dazu zeigte Kyren Wilson, dass man aktuell schon sein A-Spiel braucht, um eine Chance zu haben. Gleiches für Hawkins: Kurzer Prozess mit Haotian in der ersten Session, dann so viel wie nötig in der zweiten Hälfte und ein relativ deutliches 13-10. John Higgins zerstörte in der ersten Session Lisowski, der jetzt ein 8-0 aufholen, oder die nächste Session zumindest mit einem 6-2 beenden sollte, um noch entfernt Chancen auf das Viertelfinale zu haben. Sehr, sehr unwahrscheinlich, so einen Rückstand hatte nichtmal Selby im 2007er Finale langfristig ausgleichen können.
Unkonstant und zerfahren wirkte hingegen die Session Williams - Milkins. Milkins profitiert weiterhin von geistig abwesenden Favoriten und sammelte sich irgendwie drei Frames zusammen: Stand 5-3 für den Waliser. Auch hier scheint es fragwürdig, ob sich Milkins über die nächsten zwei Session doch noch irgendwie durchsetzen kann.
Das Spektakel hingegen: 13-9 für Carter über ROS.
Die wenigen Auszüge, die ich irgendwie gesehen habe, zeigten vor allem einen solide spielenden Carter und einen leicht entnervten Sullivan, der mit konstantem zwei-Frame-Abstand nicht klarkam. Es gab wohl eine Szene, die nicht so ganz interpretierbar ist.
In that 19th frame, which Carter won 58-29, there was an extraordinary moment when the two men bumped shoulders walking past each other in what seemed a deliberate gesture. Words were exchanged between O'Sullivan and Carter and the former looked to be fuming as he took his seat.
According to reports, O'Sullivan said to Carter: "You're Mr Angry... stop being angry." When O'Sullivan then told Carter it was his turn to take a shot, Carter replied: "Thank you very much, very nice of you." To which O'Sullivan responded: "Stop being angry then."
Referee Paul Collier had to step in to appeal for calm. O'Sullivan then claimed he was "cool as a cucumber".
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Quelle: Eurosport (mit Videoauszug)
Viertelfinale: Und jetzt?
Die beiden wahrscheinlichsten Sieger sind bereits aus dem Turnier, die meisten anderen großen Namen haben nicht gerade so gespielt, dass man sie weiterhin als Favoriten führen könnte. Trotzdem, versuchen kann man es.
Mark Allen ? - ? Kyren Wilson
Theoretisch sehe ich Kryen Wilson als aktuell deutlich stärkeren Spieler, zumindest gemessen an den letzten zwei Jahren.
Allen spielt seit knapp zehn Jahren konstant genug, um immer zwischen Top8 und Top16 zu pendeln, profiterte meist von den kurzen Distanzen der PTC und Home Nation Series, konnte aber nichts wirklich großes mehr gewinnen. Und dann kam der Sieg im Alexandra Palace und sein Traum des ersten Tripple Crown Titels wurde wahr. Das kann einen enormen Schub auslösen, muss es aber nicht. Zumindest Perry und Highfield begegnete er mit einer Klasse, die man von ihm lange vermisste. Ohne Zweifel
kann er die langen Distanzen mit dieser Form dominieren, aber ob er das auch tun wird ist eine ganz andere Frage.
Wilson auf der anderen Seite sammelte seit zwei Jahren Momentum ohne Ende, vom gesichtslosen Spieler wurde er zweifacher Titelträger, stand regelmäßig in den großen Arenen in den späten Phasen und es gibt mittlerweile keinen Spieler, den er nicht schon geschlagen hätte. Auch er zeigte sehr dominantes Spiel.
Diese Begegnung sollte definitiv ein Kracher werden, den beide Spieler gewinnen können. Für Allen spricht der Mastersgewinn, sowie die Erfahrung im Crucible - das ist nicht sein erster Auftritt. Für Wilson spricht die Konstanz der letzten zwei Jahre, sowie der unbändige Kampfwille, den er seit einem Jahr an den Tisch trägt. Der Stil beider Spieler ist sehr, sehr ähnlich. Mal schauen, was die drei Sessions über zwei Tage so mit sich bringen.
Vorsichtig geschätzt: 13-11 für Allen.
Walden ? - ? Trump
Zwei Spieler die ungleicher nicht sein können. Walden ist ein Kämpfer mit viel positiven Worten und hoher Disziplin, der lange nichts gewinnen konnte, jetzt aber urplötzlich im Achtelfinale steht. Trump ist das Wunderkind schlechthin, spielte aber ziemlich beschissen, kann aber immer wieder auf sein Talent zurückfallen. Sehr schwer zu sagen, wie genau das Spiel letztendlich laufen wird. Eins ist klar: Wenn Trump nicht anzieht, dann hat er sehr reale Chancen alles zu verpassen und wieder einmal lange vor dem Finale aus dem Crucible auszuscheiden. Am wahrscheinlichsten ist dennoch der Sieg des jüngeren Spielers,
schätzungsweise ein 13:7 für Trump.
Higgins - Trump/Walden
Hängt sehr davon ab, wer auf welche Weise Higgins Gegner werden wird. Sollte es Walden werden, sehe ich kein Licht für Walden, definitiv ein Spiel, das Higgins 13 - <6 beenden wird, da a) mehr Erfahrung, b) bessere Form und c) der bessere Allrounder.
Sollte es Trump werden, dann hängt es nur von Trump alleine ab. Traditionell wäre Higgins trotzdem der wahrscheinlichere Sieger, da dieser laut eigener Aussage immer gegen Trump "sein bestes Spiel" zeigt. Könnte dennoch alles werden, sollte Trump sich entscheiden, er könne jetzt wieder normal Snooker spielen.
Ding 13 - 8 McGill
Wird für Ding definitiv kein Zuckerschlecken, aber Ding ist doch um einige Klassen stärker als McGill. Es sieht aktuell auch nicht so aus, als ob Ding irgendein Formproblem hätte, von dem der Schotte profitieren könnte. Eines der "einfachsten" Spiele.
Hawkins - Ding
Auch ein potentieller Knaller, dem ich eher dem Chinesen zurechnen würde. Aber erstmal sehen, wie Ding gegen McGill spielt.
MJW 13 - 7 Milkins
Ich sehe einfach nicht, dass MJW in den nächsten zwei Sessions durchgehend schlecht spielt.
Carter 13 - 8 MJW
Carter spielt konstanter.
Neue Favoriten?
Ausgehend von der ersten Prognose: Ab hier kann und wird alles mögliche passieren. Es gibt nur noch zwei (!) Spieler, die überhaupt die WM gewonnen haben, dann aber auch gleich mehrfach: John Higgins und MJW. MJW sehe ich immer noch nicht als Favoriten, dafür spielt er zu zerfahren und chaotisch, zumindest aktuell.
Higgins auf der anderen Seite könnte mit ROS gleich ziehen, sein Weg durch das Grid dürfte das positiv beeinflussen. Vor dem Viertelfinale "einfache" Gegner, relativ lange Ruhephasen, und selbst ab dem Viertelfinale meist Gegner, die wirklich dicke Schlachten führen mussten. Unwahrscheinlich ist anders.
Allen/Wilson: Auch theoretisch möglich. Egal wer hier durchkommt, wird einen langen und steinigen Weg zurücklegen müssen, denn als nächstes wartet erst Higgins oder Trump und dann das Schwergewicht aus der unteren Hälfte. Interessant, interessant.
Ding/Hawkins: Hier sehe ich Ding immer noch im Halbfinale, aber Hawkins sollte man gerade im Crucible nicht abschreiben.
Carter/MJW: Carter.
Ausgehend hiervon: Carter vs. Ding. Dieses Spiel sollte ein Kampf der Willen werden, der Carter leicht bevorzugt. Andererseits ist Carter natürlich gesundheitlich extrem vorbelastet. Mal sehen.
Allen - Carter
Wilson - Carter
Allen - Ding
Wilson - Ding
Higgins - Ding
Higgins - Carter
Trump - Ding
Trump - Carter
Alle diese Paarungen scheinen irgendwo eine Berechtigung zu haben; und das sagt noch nichtmal, dass es nicht doch ein Hawkins oder MJW schaffen
könnten. Wirklich, extrem spannende WM bis jetzt.