In einer Stellungnahme führte der Deutsche Ethikrat 2012 aus,[18] dass die Situation von intersexuellen Menschen in starkem Maße durch Leidenserfahrungen, Missachtung seitens der Medizin, mangelnder Sensibilität des gesellschaftlichen Umfelds, administrativen und bürokratischen Hemmnissen und verbreiteter gesellschaftlicher Unkenntnis der Lebenswirklichkeit gekennzeichnet ist.[...]
In den westlichen Kulturen der Neuzeit wurde (und wird teilweise noch heute) der Umgang mit Intersexualität von zwei zentralen Annahmen geprägt: Zum einen wird angenommen, dass es möglich sei, das „wirkliche“ Geschlecht eines jeden Menschen zu bestimmen; aufgrund dieser Annahme wurde die überwiegende Zahl der Intersexuellen zu Pseudohermaphroditen („Scheinzwittern“) erklärt. Daneben bestand und besteht die Annahme, dass es im Interesse des intersexuellen Menschen liege, seinen Körper einem „wirklichen“ Geschlecht anzupassen; begründet wird das meist mit der geschlechtlichen Zuordnung sowie sonst fehlender sozialer Akzeptanz. In der Praxis wird eine Geschlechtsfestlegung auch in vielen Alltagssituationen (Formulare für Geschäftsabschlüsse, Mitgliedschaften usw.) oder aus bürokratischen Gründen gefordert (Personenstand, manifestiert etwa in Ausweisen).
Aufgrund der von ihnen befürworteten Geschlechtsfestlegung üben auch Eltern auf ihre intersexuellen Kinder in der Regel bewusst besonders starken Druck aus, sich dem zugewiesenen Geschlecht entsprechend zu verhalten. Die Diagnosen der häufigen medizinischen Untersuchungen werden den Kindern oft routinemäßig verschwiegen, aus Schamgründen zum Teil bis ins Erwachsenenalter hinein.
Viele intersexuelle Menschen, Transgender sowie einige kritische Wissenschaftler argumentieren hingegen, dass die Vorstellung von genau zwei sauber unterscheidbaren Geschlechtern (siehe Heteronormativität) falsch sei. Sie sind der Ansicht, dass die Festlegung auf eines der beiden gegenpoligen Geschlechter oft zweifelhaft sei und zu starken physischen und psychischen Beeinträchtigungen führen könne. In der Regel handele es sich bei einer Festlegung um einen durch sozialen Druck entstandenen Wunsch des Umfeldes und nicht um ein Bedürfnis der Betroffenen selbst. Die entsprechenden pädagogischen Maßnahmen werden abgelehnt, da sie bei den Kindern zu unmäßigem Druck führten und durch das Verschweigen der Hintergründe die psychische Verwirrung noch verstärkten.