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Das sind doch die Fälle der „paralysierung“, die gerade vom ausnutzen der schutzlosen Lage erfasst wurden. Der Täter muss freilich den entgegenstehen Willen des Opfers kennen und wissen, dass das Opfer sich in einer schutzlosen Lage befindet. Eine solche kann und darf (abgesehen schon von der vorsatzproblematik die sich da unweigerlich stellt) aber nicht schon ohne objektive Kriterien dann vorliegen, wenn das Opfer subjektiv seine Lage Hilflos empfindet, weil es etwa aus eigenem inneren Druck Erwartungen nicht enttäuschen will, oder sich etwa vor den Konsequenzen schämt (Isolation, Zurückweisung). Ich denke das sollte einleuchten, weil das Strafrecht an objektive Merkmale anknüpfen muss. Rein subjektive Merkmale führen unweigerlich zu Willkür.Zum Ersten: Es erscheint erstmal plausibel, dass ein Opfer sich fragen lassen muss, warum es gegen seinen Willen auf minimale Maßnahmen des Selbstschutzes verzichtet (kleinste körperliche Gegenwehr oder eben Flucht). Aber wir wissen, dass menschliches Verhalten eben in den seltensten Fällen rationalen Erwägungen folgt. Es gibt zig Berichte von Opfern, denenzufolge man von einem sexuellen Angriff derart überwältigt sein kann, dass man tatsächlich gar nichts mehr tun kann: weder fliehen, noch sich widersetzen.
Kann ich persönlich das nachvollziehen? Tatsächlich kann ich das nicht. Aber ich maße mir nicht an, es wegzuwischen, nur weil ich es nicht verstehe.
Zum Zweiten: Alle empirischen Befunde mal beiseite, ich sehe schon vom Prinzip her nicht, warum man sich mit Hilfskonstruktionen wie "Ausnutzen einer Lage schutzlosen Ausgeliefertseins" herumplagen sollte. Das schutzwerte Rechtsgut ist die sexuelle Selbstbestimmung. Warum schützen wir sie nicht direkt, statt diesen Umweg zu gehen?
Ich wage mal einen Vergleich: Das Recht am Eigentum ist durch unser StGB umfangreicher geschützt als das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Wenn jemand unter meinen Augen mein Eigentum wegnimmt, genügt es völlig, dass ich sage: "Lass das, ich will nicht, dass du das nimmst." Widersetzt er sich (mit Aneignungsabsicht), dann macht er sich des Diebstahls strafbar. Setzt jemand dazu an, meine sexuelle Selbstbestimmung zu verletzen, dann war nach alter Rechtslage quasi alles unter der Schwelle des Raubs straffrei. Das war in etwa so, als würde man mir zumuten, dass ich nicht nur verbiete, dass jemand meine Sachen nimmt, sondern ihn aktiv an der Wegnahme hindern muss, z.B. indem ich sie in Sicherheit bringe.
Verdient Sacheigentum wirklich mehr Schutz als eines jeden Recht souveräner Entscheider über alle sexuellen Zugriffsrechte an seinem Körper zu sein?
Also zunächst geht es beim Diebstahl um den Bruch fremden Gewahrsams, nicht um den Bruch des Gewahrsams des Eigentümers (rein klarstellend).
Es ist absurd anzunehmen, Das Eigentum sei besser geschützt als sexuelle Selbstbestimmung. Es sind zwei völlig verschiedene Sachen.Beim Diebstahl gibt es keine Grauzone, der entgegenstehende Wille ist selbst ohne jegliche Äußerungen erkennbar und ohne Probleme nach objektiven Kriterien ermittelbar.
Dagegen sind sexuelle Kontakte grundsätzlich erlaubt und erwünscht. Diese sind von ambivalenten Situationen geprägt mit Austesten, Verführen und gegenseitigen Erwartungen. Grauzonen sind dort stetig präsent. Der Wille des anderen nicht immer eindeutig feststellbar und auch nicht ohne plötzliche Änderungen.
Anders war das schon immer bei Kindern (und teilweise bei 14-18 jährigen) und geistig Behinderten. Da ging man schon immer davon aus, dass es gar nicht um deren Willen geht oder deren Wille unbeachtlich sei, weil sie etwa gar nicht fähig sind ein wirksames Einverständnis zu geben.
Bei erwachsenen Gesunden geht man dagegen aus, dass sie selbst Entscheidungen treffen können. Insofern ging es doch darum, das der Zwang gegen den Willen (durch nötzigungsmitteln) deren sexuelle Selbstbestimmung verletzt. Dieser Zwang ist auch bei Raub erforderlich. Das leuchtet jedem ein, dass es höheres unrecht ist, jmd die Tasche gewaltsam zu entreißen oder ihn zu zwingen die Tasche herauszugeben als wenn jmd eine unbeaufsixhrigte Tasche mitnimmt.
Mit den neuen Regelungen sind Jetzt dagegen Kinder, geistige Behinderte und alle anderen in einem Topf - Gratulation.
Weil die Situation nicht nur so stattfindet, sondern ähnlich auch in zig anderen Fällen in den Betten der Menschen. Es wurde doch schon oft beschrieben, dass Überredungen/Verführungen mit Grenzüberschreitungen etwa bei Paaren keine Seltenheit sind. Gesetze sind aber abstrakt. Jeder Überredungsversuch unter Paaren nach einem „nein“ würde doch zumindest zu einem Versuch führen ein solches unrecht wie oben (Vergewaltigung“) zu begehen. Ist das gewünscht? Von mir nicht, denn ich gehe davon aus, dass ein erwachsener gesunder Mensch der weder genötigt noch sich in einer schutzlosen Lage befindet, in der Lage ist Entscheidungen für sich zu treffen.Nochmal auf den Fall von oben bezogen: Wenn die Frau zweimal klar gesagt hat, dass sie keinen Analsex will, was sollte es interessieren, warum sie danach nicht fest genug die Arschbacken zugekniffen oder sich stärker gewunden hat, ob die Türen verschlossen waren, ob die Nachbarn sie hätten hören können usw.?
Es ändert nichts daran, dass der Täter sich gegen ihren erkennbaren Willen Zugriff...
Einfaches Beispiel:
Deine Freundin liegt nackt im Bett und döst, du willst sex. Sie sagt nein. Du machst weiter und steckst deinen Penis trotzdem rein. Du selbst hältst es für möglich, dass sie „wirklich“ nicht will und machst trotzdem weiter. Sie ist davon so überrascht und vielleicht auch geschockt und lässt es über sich ergehen, weil sie Angst hat, dass du sie sonst verlassen könntest. Wäre sie aufgestanden, hätte sich vehementer geäußert oder hätte dich weggedrückt, hättest du von ihr abgelassen. In keinem Fall hättest du Nötigungsmittel angewandt.
Mag keine schöne Sache sein, auch nicht unbedingt Schulter klopfen wert.
Sollte das eine „sexuelle Nötigung“ / „Vergewaltigung“ sein, mit praktisch zwingend Knast ? Schon allein eine versuchsstrafbarkeit wäre theoretisch ja schon beim weitermachen nach dem „nein“ denkbar. Nach deiner Auffassung reicht bereits eine sexuelle Handlung gegen den Willen einer Person ohne physischen oder psYchischen Zwang zu dessen Überwindung, um eine sexuelle Nötigung (in Wahrheit wäre es keine rechtliche Nötigung mehr)/ Vergewaltigung zu begründen.
Und nochmal zu dem entschiedenen Fall, wie hier ja auch ausgeführt wurde, handelt es sich bei der Entscheidung vom BGH womöglich um einen Fehler. (Der hier aber unbeachtlich ist, weil es bereits an den nötigen Feststellungen und deren Begründung durch das LG gefehlt hat). Es ist wohl wie hier in den neuesten Kommentaren angemerkt wurde sehr wahrscheinlich, dass es nach einer neuen Verhandlung zu einer Verurteilung kam.
Jetzt möchtest du sogar noch auf subjektiver Seite den Vorsatz streichen. Das wird jetzt verrückt.Es ist klar, dass man den Willen des Opfers nicht bedingungslos schützen kann: Er muss wenigstens so ausgedrückt werden, dass der Täter ihn auch erkennt (oder bei normaler Auffassungsgabe hätte erkennen müssen).
Was du möchtest nennt sich sexueller Übergriff und ist seit über einem Jahr Gesetz. Ich halte die Gesetzesänderungen für gefährlich, handwerklich und methodisch sehr schlecht, teilweise verfassungswidrig. Man könnte meinen das stamme aus der Feder des DJB. Was noch gerade so vertretbar ist, ist die Einführung des sog. Grapscher-Paragraphen. Ich gehe davon aus, dass das Gesetz in der Lage ist, das Sexualverhalten der Menschen im negativen Sinne zu ändern.
An der schwierigen beweisproblematik bei sexualdelikten ändern die neuen Vorschriften natürlich nichts, sodass ich fürchte, dass enttäuschte Erwartungen zu noch abstruseren Sachen führt.