Medikamentenpreise

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Wenn Du jetzt noch die Brücke dazu schlägst, dass eben diese "disruptiven Innovationen" aka umwälzende Neuentdeckungen die viel vom etablierten Zeug obsolet machen nur selten von der Pharmaindustrie kommen sondern überwiegend aus universitärer Forschung die dann aufgekauft wird, wird das Bild vielleicht auch etwas verständlicher. Eine Branche die sich in den eigenen Forschungsabteilungen mal locker zu 90% nur mit sustaining Innovation beschäftigt und Jahr für Jahr epische Gewinne einfährt, braucht absolut nicht den Untergang herbeireden wenn man mal drüber spricht, ob in die Preisgestaltung oder die Patentgesetze (Laufzeit, Definition der Schöpfungshöhe) nicht mal korrigierend eingegriffen werden sollte.

Ach ja, von gestern (Ab 14:20):
http://www.ardmediathek.de/tv/Plusm...rste/Video?documentId=26006870&bcastId=432744
 

zoiX

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Wo kommen denn deine 80% her? Meine Schätzung für brauchbare Neuerungen von der Uni wäre kleiner gewesen. Davon abgesehen wird Forschung, die an der Uni geschieht gewöhnlich veröffentlicht und steht dann jedem zur Verfügung (der sich das Abo für die entsprechende Zeitschrift leisten kann), außer es handelt sich um Kooperationen mit der Industrie. Und selbst dann werden Studien an der Uni oft nicht den Standards in der Industrie gerecht. Zitat eines Gastredners der mal bei uns am Institut war: "Ich glaube nicht, dass ich in meiner Doktorarbeit auch nur 10mg produziert hab die sauber genug für ne Studie bei Bayer gewesen wären."
Im Zweifel müssen die also eh noch wiederholt werden. Prozessreif sind die Synthesen aus dem Unilabor auch noch. Klar, wenn an der Uni was gefunden wird, was Potential hat, wird das aus der Industrie jemand nach kochen und das ist billiger, als die Idee selber zu haben. Aber die Kosten verschwinden nicht auf magische Art und Weise...
Ich überlege immer noch, ob ich ein neueres Beispiel für eine Wirkstoffklasse kenne, die an der Uni entdeckt wurde mir fällt nix ein
 
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Gibt es denn überhaupt einen Anreiz für die Spitzenchemiker in der universitären Forschung zu bleiben? Die dicke Kohle, also Gehalt und an Forschungsmitteln, gibt es doch eigentlich nur in der freien Wirtschaft?
 

zoiX

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Es ist die Freiheit zu tun, was du willst. In der Industrie sitzt halt oft jemand aus der BWL-Abteilung hinter dir, der sagt "Die kg / kg müssen runter!", "Wir müssen effektiver werden!", blabla....
Und es ist ja nicht so, als würde es an der Uni nicht Leute geben, die wichtige und nützliche Forschung machen. An der Uni gehts halt nur oft drum, Methoden zu entwickeln und nicht um deren Anwendung. Ob eine an der Uni entwickelte Synthesemethode aber jemals den Weg in die Industrie findet, ist immer irgendwie fraglich. Da müssen Kriterien erfüllt sein, die im Universitätslabor, wenn man ein paar hundert mg von irgendwas herstellt (oder vielleicht mal 10 g) überhaupt keine Beachtung finden. Beispiel?

Du machst ne Reaktion, bei der ein Feststoff anfällt, der abfiltriert werden muss. An der Uni kein Ding, wenn der Rotz den Filter, den du benutzt zusetzt, dann gehste halt nen Kaffee trinken oder machst Mittag, zwei Stündchen später ist die überstehende Lösung schon irgendwie durch den Filter getropft.
Wenn das gleiche im multi-kg Maßstab in nem Technikum passiert, dann hat keiner die Zeit, Stunden zu warten. Hinter dir wartet die nächste Synthese auf ihren Probelauf, die Material liefert, auf das irgendwo n Biologe oder Pharmazeut wartet, um Tests damit zu machen - da gehen mit jeder anders verplanten Minute tausende Euro hopps. Also stellt man sich vorher im Labor hin und beobachtet während der Reaktion, wie der Feststoff anfällt und sucht Faktoren um das günstig zu beeinflussen. Andere Temperatur? Darunter leidet dann vllt. Reaktionsgeschwindigkeit oder selektivität. Anderes Lösungsmittel? Könnte sein, dass der Katalysator das nicht mitmacht oder die Reaktion einfach nicht mehr funktioniert. Anderes Ausgangsmaterial? Hoffentlich klappen die zig Syntheseschritte vorher dann noch.

Nichtsdestotrotz ist die Methodenentwicklung an der Hochschule natürlich ne wichtige Sache, und Methoden, die an der Hochschule entwickelt wurden finden auch ihre Anwendung in der Industrie (siehe Nobelpreise: Pd-Chemie, Sharpless, Metathese, etc.) aber zwischen der Entwicklung von allgemeinen Methoden für synthetische Transformationen und der Entwicklung der Synthese eines Wirkstoffes im großen Maßstab liegen nunmal Welten.
 

FORYOUITERRA

TROLL
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ich hab 0 ahnung von chemie bzw. synthesenmethoden, aber braucht es bei euch wirklich immer direkt laborversuche? lassen sich synthesenmethoden nicht (auch) theoretisch lösen?
 
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Ja klar. Aber dann stellt man fest, dass es bei der Reaktion eben doch nicht so funktioniert, wie bei ähnlichen Verbindungen.

Es gibt zuviele Sachen, die man variieren kann, was die praktische Durchführung angeht.

€: Außerdem kannst du auch schon beim Upscale Probleme haben. Da funktioniert eine Synthese im großen Maßstab eben nicht so wie im 500mg Versuch.
 
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ich hab 0 ahnung von chemie bzw. synthesenmethoden, aber braucht es bei euch wirklich immer direkt laborversuche? lassen sich synthesenmethoden nicht (auch) theoretisch lösen?

Komplexe Systeme lassen sich halt nur im Ausnahmefall analytisch lösen (scheissegal welche Wissenschaft) und eine numerische Simulation hat halt oft auch Grenzen, so dass man das nicht 1:1 auf das Experiment übertragen kann.
 

zoiX

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ich hab 0 ahnung von chemie bzw. synthesenmethoden, aber braucht es bei euch wirklich immer direkt laborversuche? lassen sich synthesenmethoden nicht (auch) theoretisch lösen?

Das is nicht so leicht. Wenn du A und B zur Reaktion bringen willst, und dein chemischer Sachverstand dir gesagt hat, welchen Weg die Reaktion gehen müsste (also: welche Zwischenstufen werden gebildet, welche Übergangszustände werden durchlaufen, etcpp.), dann ist es relativ einfach, in sillico zu berechnen, ob der vorgeschlagene Weg möglich ist.
Was der Computer dir aber in den seltensten Fällen vorhersagen kann ist, welche anderen Wege möglich sind, die dein chemischer Sachverstand übersehen hat - und die am Ende zu völlig anderen Produkten führen.
Außerdem lassen sich die meisten Berechnungen nur im Vakuum gut durchführen, da bei der Interaktion mit Lösungsmitteln die Zahl der Atome, die für die Berechnung berücksichtigt werden müssen rapide in die Höhe geht und damit die Rechenzeit ins unermessliche steigt. (Möglichkeiten, dieses Problem in begrenztem Rahmen zu umgehen bestehen allerdings)
Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Hindernis ist, dass verschiedene Methoden oftmals völlig verschiedene Ergebnisse liefern und die Bewertung, welche Methode jetzt die "Wahrheit" sagt nicht trivial ist.

Quintessenz: Die theoretische Chemie ist ein sehr, sehr mächtiges Werkzeug und aus der modernen Chemie nicht mehr wegzudenken, aber sie ist noch Jahrzehnte davon entfernt, dass der Theoretiker seinen Rechner anschmeißt um dem Praktiker zu sagen, welche Reaktionen funktionieren und welche nicht. Sie dient eher dem Verständnis von Reaktionen, die im Labor schon untersucht wurden und eröffnet dann die Möglichkeit von einer erfolgreichen Reaktion darauf zu schließen, welche ähnlichen Transformationen möglich sein könnten (oder nicht).
 
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