Zum Thema: Es gibt sehr viele verschiedene Ursachen, und ein generelles Ursachenmodell ("Eine Kombination aus A+B+C führt immer zur Alkoholabhängigkeit" gibt es nicht). Zum "mir geht es danach immer so schlecht"-Argument lässt sich aber einwerfen: Alkohol hat eine relativ kurze positive Wirkung und eine sehr lange negative. Die negative wird umso stärker, je mehr man trinkt. Sie lässt sich aber dauerhaft aufschieben, indem man sie auftürmt. Das ist das, was man als "Konterbier" kennt: Wenn man während des Katers Alkohol trinkt, werden die Symptome geringer. Starke Alkoholiker machen etwas, das sich Spiegeltrinken nennt: Sie halten immer einen gewissen Alkoholspiegel, damit die Katersymptome nicht zu stark werden. Das ist der Grund, warum ein Sofort-Entzug gefährlich sein kann: Die "Katersymptome" haben sich so stark angehäuft, dass sie lebensgefährlich werden.
Zur Diskussion über Kompetenzen und angebliche Argumente oder Nicht-Argumente:
Ich bin
naturwissenschaftlicher Psychologie (LESEN!) -Student kurz vor dem Diplom. Ich habe bald 5 Jahre lang das studiert, wovon ich hier erzähle und habe
deswegen wohl mehr Ahnung von der Materie als jeder andere, der hier bisher geschrieben hat (BBW kann ich nicht einschätzen).
Statistik hatte ich 7 Semester lang - 4 Prüfungen dazu -, und mein Wissen dazu übersteigt deswegen (ebenfalls fast schon naturgemäß) das jedes normalen Mathematikstudenten im 10. Semester. Ich kenne mich sehr gut mit Faktorenanalysen oder auch komplizierteren Verfahren, die sich verwandten Prinzipien bedienen (z.B. Strukturgleichungsmodelle), aus. Aber wenn ich hier von Faktorladungsmatrizen, Eigenwerten & Co anfange, bringt das die Diskussion deswegen nicht weiter, weil gerade diejenigen, die es eigentlich nötig hätten, nicht folgen könnten.
Relevant ist es - um auf Didiers Frage zu kommen - insofern, als dass man ohne das Wissen um faktorenanalytische Verfahren dem Irrtum aufliegen kann, kurze Tests seien per se schlecht.
Ich habe leider keine genauen Daten zur Reliabilität und Validität des LAST auf meinem Schreibtisch. Ich kann auch nicht mit absoluter Sicherheit sagen, wie die Autoren zu der Fragebogenstruktur gekommen sind (soweit ich weiß, haben sie diejenigen Items international bewährter Fragebögen herausgenommen, die die höchsten Ladungen auf verschiedene mit Alkoholproblemen in Zusammenhang stehende Faktoren hatten). Ich habe den LAST hier angeführt, weil er als Beispiel eines guten Fragebogens in Wittchen, Hoyer, Klinische Psychologie & Psychotherapie, 2007, S.644 steht. Mit dem Zusatz, er habe in mehreren Studien eine hohe Sensitivität und Spezifizität gezeigt. Da das genannte Buch ansonsten sehr qualititativ hochwertig ist, habe ich nicht erst alle Validierungsstudien rausgesucht und gelesen, bevor ich den Test lapidar hier nenne.
Euer (Didier & Xedo) ganzes Kartenhaus an Pseudeo-Argumentation fällt schon dann zusammen, wenn man - wie gesagt - nur ganz kurz über eure fiktiven Antworten nachdenkt.
1. Hier gibt es ganz vielleicht noch die Möglichkeit sich selbst zu belügen. In aller Regel aber kriegt ein Alkoholiker es mit, dass sein Trinkverhalten automatisiert ist.
2. Schon hier ist ein Selbstbetrug aber so gut wie ausgeschlossen. Jeder Alkoholiker hat sich früher oder später vorgenommen weniger zu trinken. Als er noch einigermaßen gesellschaftlich eingebunden war z.B. Die meisten "aktiven" Alkoholiker haben den konstanten Wunsch weniger zu trinken.
3. Hier gilt Dasselbe wie für 2.
4. Hier ist Didiers Antwort so lächerlich, dass ich nicht drauf eingehe.
5.-8. trifft auf fast jeden mehrjährigen Alkoholiker zu und 6.-9. lässt sich nicht leugnen, weil es keine subjektive Einschätzung gibt.
Deswegen:
eine möglicherweise falsche vordiagnose von daheim aus die mit eben unbewusst falschen antworten dann so ausfällt dass eh kein problem besteht führt im worst case dazu dass der betroffene eben des resultates wegen NICHT zum arzt geht.
Ein Alkoholiker lügt sich zwar was die Kontrolle über den Konsum angeht etwas vor, er ist aber nicht so dämlich, dass er den Alkoholkonsum nicht in Zusammenhang mit seinen unübersehbaren Problemen stellt. Wenn er den Fragebogen macht, wird er danach nicht glauben, er habe keine Probleme wegen des Alkohols. (Achtung: Das ist keine Krankheitseinsicht! Wegen Alkohol Probleme haben =/= Eingeständnis, dass man mit Alkohol nicht umgehen kann)
All eure Kritik fußt auf subjektiver Einschätzung. Keine harten Daten. Keine Fakten. Und deswegen wiederhole ich mich:
Man sollte sich u.a. fragen, ob es wirklich sein kann, dass ein "dahergelaufener Forenuser" mehr Ahnung hat als Forscher, die wissenschaftliche Erkenntnisse von Jahren bis Jahrzehnten formulieren.
Eure Antworten sind Einschätzungen. Und Einschätzungen können erfahrene Forscher und Ärzte und Therapeuten bessere geben als ihr.
Jetzt noch einige Zitate eurer Postings:
1. Xedo:
...manchmal (1 mal im Monat max) trinkt er zu viel ... Dieser Typ KANN gar kein Alkoholproblem haben
Was denn jetzt? Entweder er trinkt
zu viel, dann hat er offensichtlich ein Problem, oder er trinkt
nicht zu viel, dann hat er kein Problem. Und um dem eine Grundlage zu geben: Die Menge, die von verschiedenen angesehenen Institutionen (z.B. WHO) als "zu viel" beschrieben werden, schwanken zwischen 20 und 40g Reinalkohol (0,5-1l Bier bzw. 0,2-0,4l Wein bzw. 1-2 Pinnchen Schnaps) pro Tag. Wobei die Tendenz zu den niedrigeren Werten geht, also sagen wir 2 Bier, 1/4l Wein oder 1 Kurzer. Da es rein physiologisch
viel schädlicher ist 2x pro Woche 7 Bier (oder 1x pro Woche 14 Bier/7 Kurze), sind objektiv und fernab jeglicher Abhängigkeitsüberlegungen 1x wöchentlich 5 Bier
zu viel. Ich weiß, die traurige Realität sieht vor allem unter der Jugend und den Twens anders aus.
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Rofl, was ein newb Test.
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solche tests sind net nur dämlich sondern (...) auch destruktiv
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schwerwiegende Krankheiten können nicht mit einem simplen multiplechoice test aus 8 fragen mit 2 antworten diagnostiziert werden
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ich kritisiere hier lediglich diesen stupiden Frageboben, da ich ihn destruktiv finde. und wolf, das "online" war nur ein fallbeispiel, ich finde es generell schlecht - auch in büchern lol.
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es sollte keine primitiven tests geben für eine krankheit die derart komplex ist, nicht im internet und nicht in büchern.
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den fragebogen an sich will ich vma netmal kritisieren, solange er ein werkzeug des arztes darstellt
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meine meinung ist dass ich solche viel zu kurzen fragebogen für schlecht heiße
Sieht man von den restlichen Widersprüchen einmal ab, ist im Grunde deine Behauptung also nichts anderes als "Jeder kurze Fragebogen über schwere Krankheiten, den ein Patient selbst beantwortet, ist schlecht, weil der Patient sich in jedem Falle selbst belügt." Dass das für diesen speziellen Fragebogen, den LAST, nicht gilt, habe ich jetzt hoffentlich wirklich zur Genüge erörtert. Dass es generell nicht gilt, erkennt hoffentlich jeder auch so.
2. Didier:
Schoen. Ich glaube Dir gerne, dass es Tests mit 12 Fragen gibt, die etwas aussagen. Aber lass mich raten, diese Tests haben dann wohlueberlegte Fragen und vernuenftige Auswertungen.
Genau. So wie der LAST.
Eine erste Hilfe hierbei kann das Lübecker-Alkoholismus-Screening sein (...)
Das ist schon eine etwas andere Botschaft als wir brauchen einen Diagnostiker. (Hervorhebung von mir)
Jedenfalls ist die Botschaft sehr viel näher an "Wir brauchen einen Diagnostiker" als an "Dieser Test ist die totale Wahrheit".
Die einzige wirklich gute Frage ist die 6. (trinken am Vormittag) da sie wirklich gut zwischen Alkoholikern und Nichtalkoholikern diskriminiert!
Und wer bist du, dass du weißt (bzw. behauptest zu wissen), dass das Trinkverhalten am Vormittag zwischen Alkoholikern und Nicht-Alkoholikern trennscharf unterscheidet?
[Nach den ersten 4 Beispielfragen] Das laesst sich gerade so fortfuehren.
Na da bin ich ja mal gespannt. Schieß los!