Freundschaft

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Freundschaft

Sie spürten die Kälte langsam durch den dichten Nebel sickern. In diesem Teil der Welt lichtete sich der Nebel nie. Seit einiger Zeit wurde es beständig kälter, und nun hatte sich auch ein eisiger Wind erhoben, der ihnen aus der wabernden weißen Wand entgegen wehte.

Ipsen und Collin wussten, dass sie kurz vor dem Anfang ihrer schwersten Etappe ihrer Wanderung standen. Stetig gingen sie auf den Quell der Kälte zu. Unter ihren zerschlissenen Stiefeln knickte das feuchte Gras um, während sie im schwachen Licht der Abenddämmerung keine hundert Fuß weit sehen konnten.

Die rötlichen Strahlen der Sonne brachen sich an den Wassermolekülen des in Bewegung geratenen Nebels und so entstand ein impulsiver farbiger Tanz. Dieser wäre für jeden zufälligen Beobachter eine wahre Augenfreude gewesen, nicht jedoch für die zwei Wanderer, die nur ihren nächsten Schritt im Kopf hatten.

Dann hörten sie das Pfeifen des Windes. Erst leise, dann immer lauter erhob es sich. Und je lauter es wurde, desto stärker wurde auch der eisige Wind. Die Gefährten gingen jetzt hintereinander, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Sie spürten das sie ihrem Ziel nahe waren.
Plötzlich wurde die dichte Nebelmauer entzwei gerissen und Ipsen und Collin fanden sich am Fuße eines Berges wieder.

Welch freudiges und zugleich ängstliches Gefühl in ihnen emporstieg, als sie einem vor ihnen auf tuenden Spalt in der Felswand gewahr wurden. Das Pfeifen war zu einem Tosen geworden und es schien direkt aus dem Spalt zu kommen. Vereinzelte Schneeflocken wurden aus der Öffnung geblasen und umspielten dabei die scharf gezackten Felswände, bevor sie ins freie traten und an den beiden Männern vorbei flogen, um dann im Nebel zu verschwinden.

Das feuchte Gras was längst zu Eis erstarrt und brach unhörbar knackend unter ihren Schritten.
"Wir sollten morgen hindurchgehen." sagte Collin.
"Ja."

Sie schleppten sich, von der Anstrengung des Tages gebeutelt, in den Windschatten auf der linken Seite der Höhle und bauten schweigend ihr Zelt auf. Das Tosen war hier zu einem dumpfen Dröhnen geschrumpft, das den Fels erbeben lies. Sie vermochten kein Feuer zustande bringen, denn das Holz, das sie aus einem nahegelegenen Wald mitgebracht hatten war nass vom Nebel. Seufzend trennten sie sich davon und setzten sich auf zwei flache Steine um von ihrem Dörrfleisch zu zehren.

Sie starrten in Richtung Höhleneingang. Nach einer Weile unterbrach Collin ihr Schweigen.
"Kann ich ihn nochmal sehen?"
Ipsen griff in die Innentasche seines dicken Mantels und zog einen vergilbten Brief hervor, den er dann Collin reichte.

Der Brief war von längst getrocknetem Regen unleserlich geworden, jedoch war er das auch schon als er Ipsen vor drei Monaten erreicht hatte. "Komm nach Hause", das waren die einzigen noch lesbaren Worte, die Ipsen´s Mutter verfasste.

Collin dachte an diesen Tag vor drei Monaten. Es war ein schöner Tag. Helles Sonnenlicht hatte den Nebel durchbrochen. Ipsen und Collin hatten im Garten ihres gemeinsamen Hofes gearbeitet, während ihre Gedanken nur von der Ernte im Herbst erschwert wurden. Die Ernte die eigentlich jetzt eingefahren werden musste, verrottete nun auf den Feldern, während sie einer Vermutung folgten. Ein Bote war zu ihnen gekommen und überbrachte den Brief, der ihre planmäßige Routine durcheinander brachte. Sie wussten nicht in welchem Zusammenhang die Worte in dem Brief geschrieben wurden. Was wäre wenn sie den Brief missverstanden hätten und es Ipsen´s Familie gut ginge? Jedoch entschied sich Ipsen die lange Reise in sein Heimatdorf zu unternehmen. Rasch schüttelte Collin diese Gedanken ab.

In seinem Grübeln bemerkte Collin erst spät, dass Ipsen ihn unverwandt ansah.
"Was ist ?" fragte Collin.
Ipsen betrachtete seine Stiefel eine Weile lang, dann blickte er auf:
"Warum bist du mitgekommen?"
Collin dachte einen Moment über diese Frage nach bevor er schlicht erwiderte:
"Weil du gegangen bist."
 

[fN]Leichnam

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homer:

Anfangs recht langweilig, wird allerdings besser. Erinnert mich allerdings zu sehr an Frodo und Sam (HdR).
das Ende gibt das Wort Freundschaft gut wieder
finde die Beschreibungen der Umgebung etc. sehr gelungen
schöne Gliederung

noel:



Erster Teil sehr stark; Stimmung wird in meine Augen gut eingefangen, auch wenn das Szenario sicherlich nicht als originell gelten darf. Danach passiert mir aber zu wenig; die Idee mit dem Brief ist nicht schlecht, aber das sehr banale Ende zerstört in meinen Augen das ganze Szenario und lässt es sehr kitschig wirken.



Siehe Inhalt. Da man den überwiegenden Teil der Geschichte gerne liest, liegt in meinen augen im wesentlichen am guten Ausdruck.





Einige Probleme mit der Zeichensetzung
 
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