Frauen in der Literatur? [Romanauszug-Frau Winter und die Kriegsbeendigungsmaschine]

[fN]Leichnam

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Kam unterwegs auf Literatur und Wortkunst im allgemeinen zu denken: Die Sprache ändert sich. Irgendwann klingt das hier wie Walther von der Vogelweide. Dem deutschen Durchschnittsphilister und -germanisten wird der gute Walther auch in zweihundert Jahren noch ein Begriff sein. Während: Blixa Bargeld ? Rainald Grebe gar ? ( Gut, der ist der Prototyp eines zeitgenössischen Künstlers. ) Aber Bargeld !! ? Nie gehört. Der Teufel soll diese Schwachköpfe holen. Wen wundert's, dass das große Genie der deutschen Nachkriegsliteratur schon heute fast vergessen ist ? Dem war zwischen seinen wenigen Lesern auch mehr nach Abwinken zumute. Einer gegen 47. Die Rede ist übrigens von Arno Schmidt. Es gibt nicht ein Gymnasium, das nach dem Mann benannt ist. Im ganzen Land nicht ein einziges ! Von mir soll man keinen Nationalstolz erwarten. Der bessere Teil der Kunst ist von der Menschheit vielleicht im Lauf der Zeiten fallengelassen worden. Gründe solcher Vermutungen ? : Meine Mitmenschen.

There is no love - but mine. Eine Kobra ohne Zähne in einem Käfig voller Ratten. Und es ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, woran's liegt. Die gute Kunst ist für gewöhnlich weltverneinend, weil nüchtern objektiv. Man muss ja schon besoffen oder verliebt oder beides, d.h. Romantiker sein, um ernsthaft zu behaupten, im Leben würden die guten Seiten überwiegen. Aber so hat die weltverneinende Kunst etwas Verlogenes an sich. Diejenigen, die sich nämlich in der Tat einen Teufel um die Welt scheren und ihre Nichtigkeit ohne Vorbehalte erkannt haben, hinterlassen schlichtweg nix, jedenfalls keine ellenlangen Abhandlungen über Gott und die Welt. Und so bleibt im Leben eben auch nur lebensbejahendes Gerümpel auf die Dauer stehen. Man muss sich nur anschauen wie sehr Schopenhauer seinen späten Ruhm genossen hat. Und fortgepflanzt ! Kapitalfehler ! Da kannste deinen Willen dreimal verneinen, die Frau wird trotzdem schwanger. Bloß weg mit dem Gedanken !

Frauen in der Literatur ? Erst chauvinistisch kichern, sofern das geht, dann: Die geheimnisvollste weibliche literarische Figur ist für mich Simone Sagot aus der Buchheim-Trilogie. Und die gab's auch noch wirklich ! HaHa ! Marie von Ebner-Eschenbach ist zu erwähnen. Und Juli Zeh, weil sie Arno Schmidt kennt.

Ich übersprang einen Gedanken und..

Dann das Kapitel, in dem ich der letzte Mann auf Erden war: Zurückgelassen mit 12 Mrd. Doppel-X-Chromosomern. ( Das sind die mit den Milchdrüsen am Hinternimitat. ) Na, 'ne ruppige Vorstellung ist's schon. Von den Spätfolgen ganz zu schweigen. Oh, das Gedenk soll mir abfaulen ! Fantasievoll hab ich natürlich das Weiberpack schon lang geschlossen auf'n Mond verbracht. Da solln'se sich Bananen anpflanzen oder was weiß ich.
Auf der Toilette begegnete ich dem Kondomspendeautomaten und mir träumte es gleich weiter: [ Dem inneren Publikum traurig zugewandt. ] „Meine sehr verjährten Damen, leer gelehrte Herren ( ließ sich mit weiterem Lallen auch noch prima als Versprecher tarnen), ich bitte sie herzlichst, den geschützten Verkehr wieder, äh, aufzunehmen..“ Hinterher dann auch Rede vom Papst oder irgendeinem anderen trüben Katholiker: „Trotz Zölibat, meine Herren, sterben wir nicht aus. Denn wir sind wie Viren, wie Bakterien; ich muss sagen, wir sind die reinste Pest !“ Geschützter Verkehr, das nur am Rande, ( Herr Lektor ! ), ist für mich der Begriff vom Schutze des ungezeugten, ungeborenen Lebens. Auf dass es ein solches bleibe nämlich.

[ Ich nahm dann noch drei Stück für die Party am Abend mit. Zwei für Benny und Kenny. Eins für den geschützten Verkehr. ]

Lilith: Sie kam klein und schön daher. Ich erkannte das Geschöpf von weitem zwischen den übrigen seiner Art. Als ich ihr näher trat, lächelte ich ihr offen zu, doch sie reagierte gegen mein Erwarten. Mit verdrehten Augen schielte sie entnervt zur Seite. Und da erblickte ich das Elend ! Etwas im Abseits stand Frau Winter, umschlossen von zahlreichen Angestellten der Flughafenpolizei. Er gestikulierte wilden Armes und sah dabei aus wie ein Tintenfisch im Netz.
„Er hat versucht, einer Oma die Handtasche zu klauen !“ sagte Lilith. Ich sah die resolute Dame mit zwei Polizisten reden. [ Schmuggeloma ! Klarer Fall ! ] „Die Oma hat ihm einen Schwinger verpasst, zack !“ Sie zeigte es harmlos an mir. „Damit hat er nicht gerechnet. Hab’s alles gesehen.“ „Ich hätte ihn nicht allein lassen sollen. Bloß weg !“

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Auf seine Party kam Frau Winter aber trotzdem; wenn auch verspätet: Will Turners Locke hatte Benny und Kenny tierisch angemacht. Sie hatten sie sofort fein säuberlich in der Mitte getrennt. [ Sie gebrauchten ein Lineal dazu ! ] Dann bekam jeder eine Hälfte. Kenny ließ die seine lasziv locker aus der Brusttasche heraushängen; Benny bevorzugte eine Verflechtung mit seinem eigenen Haar. In einer halbstündigen Prozession hatte ihm Lilith das widerliche Ding in die Frisur geknotet. Aber die Wirkung war dieselbe: Nie zuvor hatte ich in meinem Leben zwei glücklichere Tunten gesehen. Als Frau Winter eintraf, war die Party weit vorangeschritten. Menschen unterschiedlichster Sexualitäten bewegten sich in nicht minder differenzierten Graden der Nacktheit durch Haus und Garten. Benny und Kenny hatten sich Mühe gegeben.Verschiedenfarbige Görls & Beaus in sämtlichen Ausführungen. [ Also ich halte ja diese Welt für die lächerlichste Institution seit Gottes Selbstzeugung. Und da Gott sich nicht fortpflanzt, hat er, ganz aus Eigennutz, nämlich zu seiner nicht geringen Unterhaltung, die Menschen in zwei einander perfekt ergänzende, zur Hassliebe gezwungene Archetypen aufgeteilt. Plus und Minus, Yin und Yang, Mann und Frau. Zum Schießen ! ] Wir wissen, dass es Gott nicht gibt, aber er macht oft eine gute literarische Figur.
Eine schöne Menschin bewegte steife Glieder. In ihrem Raum waren Spuren und sogar halbe Portionen von Deckweiß vorzufinden. Also fragte ich sie, ob sie zur belebten Umwelt gehöre und sie antwortete, sie sei stumm. [ Frau Winter hatte übrigens mal behauptet, wenn er wählen müsste, dann wäre er lieber taub als stumm. ] Eine Andere streckte mir schwanzlos ihr Hinterteil entgegen, forderte mich zur Fortpflanzung auf ? Barsch gab ich mich nicht einverstanden und suchte mein Heil bei den Angezogenen. Eckig saß dann ein junger Literat, beide Hände spazierstöckisch nüchtern auf seinen erigierten Pencil gestützt. Er sah auch so aus, als würde er seine Briefe grundsätzlich schon nach Marbach adressieren.

Dinge, die ein Mensch an sich braucht, um nach jahrelangem, schlechtem ( und natürlich ganz anders empfundenem ) Plagiieren fremder Stile doch noch ein ganz anständiger Schreiberschwachkopf zu werden:

1. Humor ( Ohne geht nicht. )
2. Realitätssinn ( Soll wohl auch ohne gehen. Diese Leute nennt man dann Ignoranten, Stümper oder Romantiker. Der Geist ist nicht schön ! Ich selbst zähle mich übrigens zu den Stümpern. Träume manchmal, ich hätte Nabokovs „Einladung zur Enthauptung“ geschrieben und wache dann wieder auf. Na, es ist wie's ist. )
3. Intelligenz ( Nur an dritter Stelle, weil so etwas bisher an keinem Menschen beobachtet wurde. Seien Sie der Erste ! )

Ich wünschte ihm viel Glück. ( Und dachte dabei an ein baldiges Hinüberwehen. ) Literaten haben bekanntlich ein nahezu unerträgliches Leben. Daneben eine Minderjährige ? Für die hatte ich auch einen Kommentar. Beide tranken vom Edelsten. ( Hundertprozentig rein war’s natürlich nicht. ) Frau torkelte in unsere lustvolle Runde und gestand sofort, sich schon im Gefängnis besoffen zu haben. „Die Tasche war voller Opiate. Die Schmuggeloma ist ja ein Klischee. Aber glaube mir, es gibt sie ! Schmuggelomas regieren die Welt.“
„Aber die Polizei hat nichts bei ihr gefunden ?“
„Sie haben sie ja gar nicht durchsucht !“ antwortete Frau Winter entrüstet.
„Und warum nicht ?“
„Ich konnte mich nicht artikulieren.“

[ Er schaute beschämt zu Boden. ]

Auf die Frage, wie er es denn angestellt habe, doch noch auf seiner Party zu erscheinen, brach er in ein kurzes, heftiges Gelächter aus, sah mich mit staunendem Kinderstrahlen an: „Ich weiß es nicht mehr !“
„Ach komm.“
„Irgendein Typ hatte mich abgefüllt. Und mir Tabletten zum Essen gegeben. Ich hatte Appetit. Ich glaube, er war kein Bulle. Dann waren plötzlich jede Menge Tiere in meiner Zelle.“ Ich nickte ihm aufmunternd zu. „Es gab einen Aufstand. Ich habe aber nicht mitgemacht, weil ich dachte, es wäre nicht richtig ?“ Versicherte sich meines Verständnisses und fuhr fort: „Die Sache war lange unentschieden. Das hat bestimmt die ganze Nacht gedauert.“ Kurzer Blick gegen die Wanduhr: „Sicher.“ „Es war auch irgendwie langweilig. Und dann musste ich mein Lexikon suchen, weil es weg war. Naja, aufgewacht bin ich dann in diesem blöden Gebüsch. Das hat fürchterlich gejuckt !“ Er machte ein leidvolles Gesicht und kratzte sich schnell unterm Arm. „In dem Gebüsch stand ein Taxi. Das sollte noch heute zum Mond fliegen. Kurzstrecke.“ Er malte zwei Punkte in die Luft, ließ auch einen gravitätisch den anderen umkreisen und dachte angestrengt von hier nach da. „Kurzstrecke. Da will ich aber nicht hin, habe ich dem Fahrer gesagt. Er war eine freundliche Fliege oder irgendein anderes liebenswertes Ding. Die Fliege ließ nicht mit sich verhandeln. Also musste ich laufen. Unterwegs habe ich dann all die Bullen getroffen und sie haben mich angefeuert und ‚Du schaffst es ! Du schaffst es !’ gerufen. Seltsam, nicht ?“ Ich nahm Frau Winter bei der Hand und geleitete ihn durch die Szenerie bis zur Küche, wo ich ihm behutsam einen Sitzplatz zuwies und versprach, einen Tee aufzukochen. Im Regal stand ein Bändchen neuerer Gedichte rum. Klar mag ich Lyrik. Die Seiten 1-213 reimen sich auf 426-639, der Zwischen- dann wieder auf den Schlussteil. Schieben ein Dutzend Worte hin und her und meinen was gemacht zu haben. Nur verständlich, dass so einer noch an die heilsamen Wunderkräfte des Schreibprozesses glaubt. Na, man muss sie lassen. Sie sind ja wie die Kinder.
Den Auftrag erhielten wir schließlich von dem Herrn, der uns hier bereits erwartete. Während ich in den Schränken und Schubfächern herumstöberte, sah ich aus meinen Augenwinkeln wie jener ein fettiges Grinsen aus seiner Visage formte und sich an Frau Winter wandte:„Name ist Hauptmann | Benny hat mich eingeladen | geschäftstüchtig | Leute mit Verlass | einen Auftrag für euch | Wolgast | hässliche Kirche | Usedom | Spielzeugfabrik | alle Spesen | kein Problem !“ Frau begann zu weinen und ich starrte wütend den Wasserkocher an, weil er so scheißlahm war. Als der Tee endlich zog, ging ich schnell damit zu den beiden an den Tisch.
[ War im übrigen ein verwegenes Salbei-Fenchel-Gemisch geworden. ] In diesem Moment stand der Herr auf, blickte mir in die Augen und verabschiedete sich mit fester Hand. Frau heulte noch immer. Also gab ich ihm ein Taschentuch und goss uns beiden vom Tee ein. Die Restparty ist für unsere Geschichte nicht von weiterem Belang. Kenny hatte später dann noch geschützten Verkehr mit einem voll funktionsfähigen weiblichen (?) Transvestiten.
 
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