Frage zum chinesischen Umgang mit Hongkong

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Ich kenne mich nicht so gut in allen Details aus, daher dachte ich, ich frage mal das allwissende BW-Forum um seine Meinung dazu. Mittlerweile ist es ja aus den Medien größtenteils verschwunden, aber es gab eine große Berichterstattung und viel Unterstützung für die Demokratiebewegung in Hongkong aus dem Westen. Es steht auch außer Frage, dass China die Abmachungen zu "Ein Land, zwei Systeme" torpediert. Trotzdem scheint mir die Darstellung etwas merkwürdig.

Vielleicht ist es etwas zu sehr ein Äpfel/Birnen-Vergleich, aber wo genau ist der Unterschied zum spanischen Umgang mit der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien? Die Spanier haben das Referendum nicht anerkannt und sind mit aller Härte dagegen vorgegangen. Puigdemont ist immer noch per Haftbefehl gesucht bzw. ist die Aufhebung seiner Immunität und Strafverfolgung in Spanien afaik noch nicht geklärt. Ich kann die Reaktion von Spanien auch durchaus nachvollziehen: Imo sollte sich eine Region nur dann separieren dürfen, wenn das gesamte Land und nicht nur die betroffene Region der Bestrebung zustimmt. Würde sich Bayern oder BW von Deutschland abspalten wollen, dann würden wir das genauso wenig erlauben. Es gibt nunmal wirtschaftlich stärkere und schwächere Regionen: Es hätte Deutschlandweit wenig Sinn gehabt, einen weiteren Automobilstandort in Sachsen aufzumachen, wenn die Unternehmen schon alle in Stuttgart, München und Co. sitzen. Das Land wird "gemeinsam" aufgebaut, also kann auch dessen Zukunft nur gemeinsam bestimmt werden.

Bleibt der Punkt, dass China gegen die Abmachung zur Rückgabe verstößt, was ich aber auch nachvollziehen kann: Hongkong wurde im Zuge der Opiumkriege von den Briten besetzt und die Sonderverwaltungszone in diesem Kontext eingerichtet. Letztlich wurde etwas an China zurückgegeben, was Ihnen sowieso gehören sollte und dass sie keinen Bock haben, sich von Außen vorschreiben zu lassen, wie sie ihr eigenes Land verwalten kann ich auch nachvollziehen. Gewalt gegen Meinungskundgebung gehört verurteilt, aber dass z.B. nur Personen bei der Wahl zugelassen wurden, die das chinesische System unterstützen kann ich nachvollziehen: Personen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung der BRD ablehnen würden wir hier genauso wenig zu Wahlen zulassen.

Es geht nicht darum, China von allen seinen Machenschaften freizusprechen: Der Umgang mit den Uighuren und Nepalesen, gerade die Gewaltätigkeit, ist nicht zu verteidigen. Aber ich tue mich schwer damit, den Chinesen vorzuschreiben, wie sie mit Hongkong umgehen sollen. Was genau sehe ich hier falsch?
 
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Empfehle dazu diese Artikel:
Meine Meinung:
Die Situationen sind nicht vergleichbar, da ...
  • Hong Kong ja eine lange Periode von Autonomie zugesagt bekam
  • Du in Barcelona trotzdem öffentlich die Meinung vertreten darfst, dass es mehr Autonomie geben sollte, ohne Nachteile für dich & deine Familie -- was in Hong Kong "leicht" anders ist
Deine Rechtfertigung des Backtracking zum Deal durch die Historie (Opiumkriege) ist halt tricky, weil dennoch für eine sehr lange Zeit der faktirsche Status Quo war, dass Hong Kong unabängig bzw zu Großbritannien gehörte. Dies ist dann rigendwann praktisch und völkerrrechtlich zu akzeptieren.

Sonst könntest du ja bei allen Grenzänderungen der letzten 100 Jahre ähnlich argumentieren.

Wie stehst du denn zu Taiwan? Dürfen die unabhängig bleiben? Oder darf die VR China sich das zurückholen, weil es ja vor XX Jahren ein Land war?
 
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Ich verstehe die Ausgangsfrage nicht genau. Du weißt, dass das ein Äpfel-Birnen-Vergleich ist. Als Antwort kannst du nur bekommen, dass das eine - naja - nunmal Äpfel sind und die anderen halt Birnen.
Hong Kong wurde für 100 Jahre von China an UK verpachtet und nun zurückgegeben, inklusive Kern-Hongkong, das eigentlich gar nicht hätte zurückgegeben werden müssen, aber ohne Groß-Hongkong nicht sinnvoll haltbar gewesen wäre.
Das andere ist eine Region, die sich abspalten möchte.
Welche Frage möchtest du genau beantwortet haben?
 
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Naja letztlich geht es mir darum, eine Einschätzung verschiedener Personen zu bekommen und damit einen möglichst differenzierten Blick auf die Unabhängigkeitsbewegung der Region Hongkong und des Umgangs der KP damit zu kriegen.
 
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Also eine Unabhänigkeitsbewegung an sich gibt es afaik gar nicht. Die Streitigkeiten in Hong Kong drehen sich gar nicht darum, dass die Bevölkerung von Hong Kong gern unabhängig sein möchte.
Die Bevölkerung möchte gern a.) ihre alten bekannten Rechte und Freiheiten wie z.B. Pressefreiheit gern unverändert beibehalten und b.) mehr Mitsprache an der Regierung und Verwaltung Hong Kongs haben.
Die VR China möchte Hong Kong reibungslos in das Gesamtgefüge einreihen. Widerstand ist dabei zu erwarten und wird mit Fingerspitzengefühl zerdückt. Oder halt brutal und erbarmungslos, falls nötig. Wenn keine ernsthaften negativen Konsequenzen zu erwarten sind, setzt die VR China ihren Willen konsequent durch.
Die Regierung von Hong ist zwar offiziell demokratisch gewählt, aber de facto eine Oligarchie ohne Rückhalt in der Bevölkerung. Die Macht aus Peking wird gefürchtet und man beugt sich, um am Rest der Macht festzuhalten.
Das Ausland hat mit China einen Vertrag geschlossen, wie Hong Kong zu behandeln ist. An die Einhaltung des Vertrags glaubt keiner ernsthaft.
 
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