Fenster nach draußen

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Fenster nach draußen

By iGood

Nur langsam weichte die Dunkelheit den verschwommenen Umrissen, und es dauerte eine Weile bis Regale, Fernseher und Schränke klar zu erkennen waren. Vielleicht war es zehn, vielleicht elf Uhr. So genau wusste er das nicht, da ein Wecker im Raum fehlte. Ob er nun bei Tag oder Nacht spielte war letztendlich egal. Durch die geschlossenen Jalousien des Fensters drang nur wenig Licht, gerade soviel um das Zimmer in einen grauen Ton zu hüllen. Die Standbylampe des Fernsehers glühte einsam in der dunklen Ecke. Ein muffiger Geruch lag nach wochenlangen nicht lüften im Raum. Im Halbschlaf bewegte er seinen Körper aus dem Bett Richtung Schreibtisch. Um die Starttaste seines Computers zu finden, musste er nicht wach sein. 42 Sekunden hatte er zu warten, bis der Bildschirm das Zimmer erhellte.
– Die Sonne ging auf.
Leere Cola Flaschen und Chips Tüten kamen zum Vorschein. Auf dem Boden lagen abgetragene T-Shirts und Unterwäsche, zwischendrin immer wieder ein aufgeschlagenes Pornoheft. Die Raufasertapete war bedeckt von Postern; Halo, Sailor Moon, ein Playboy Bunny. Vor dem Fernseher offenbarte sich ein Kabelsalat aus Xbox Controllern und Lenkrädern. Eine nacktbrüstige Frau zierte seinen Desktop. So etwas kannte er nur von Bildern und Videos, welche er aber reichlich besaß.
Die Uhr verriet ihm, dass es bereits viertel nach zwölf war. Das Wetterradar zeigte Sonnenschein bei leicht bewölkten Himmel und angenehmen 18 Grad. Newsseiten berichteten von Aufräumarbeiten nach dem gestrigen Orkan, von dem er nichts mit bekam. Kopfhörer und laute Technomusik bewahrten ihn schon immer vor ungewollten Störungen. Das er kaum noch hören konnte war ihm egal, der Regler ging jedes Mal noch ein wenig höher. Mit dem Mauszeiger wanderte er an Arbeitsplatz, Porn, Hentai, CS vorbei Richtung IRC. Ein paar Chaoten waren bereits on, vielleicht gar nicht off. Chunky, Leetguy und wie sie alle hießen. Die Konservation beschränkte sich auf ein kurzes Hi, CS? – ne , sodass es allein an ihm lag, den Noobs dort draußen zu zeigen, dass sie nicht die besten Spieler waren. Schnell drei, vier Runden Dust gespielt. Die Anzeige KewlerRul0r 11-2 befriedigte ihn am Ende etwas, aber er brauchte mehr. CoD? – k aus dem IRC kam da gerade recht, hätte KewlerRul0r nicht wieder einmal irgendwo auf seinem Schreibtisch die CD verlegt. Es passierte nicht selten, dass er gezwungen war, sich durch die Berge aus Flaschen, Pizzakartons und Papier zu wühlen. Warum sollte er auch sein Zimmer aufräumen, wenn es am nächsten Tag wieder einer Müllhalde gleichen würde. So geschah es öfters, dass ihm plötzlich Zettel in die Hände fielen, die schon mehrere Jahre alt waren. Eigentlich ignorierte KewlerRul0r diese automatisch, aber heute konnten seine Augen nicht loslassen. Es handelte bei dem Zettel um ein von ihm verfasstes Gedicht:

Dunkel und Feucht
Ist’s in dieser Welt
Einsam und still
Mühsam der Aufstieg

Tag ein Tag aus
Stetig und schwer
Bahnst dir den Weg
Wille ist kaum mehr

Belohnt wirst du
Erblickst das Licht
Zurückgelassen
Die Dunkelheit

- Du kleine Sonnenblume

11.4.2000 stand in der linken oberen Ecke, ein Relikt aus längst vergessenen Tagen, besseren Tagen, Tagen in denen er noch Träume hatte, wie sie wohl jeder Junge in der fünften Klasse hat. Fußballspieler, Feuerwehrmann, Polizist, Astronaut hätten wohl die meisten seiner Kameraden genannt. Er aber liebte es zu schreiben, die Welt in Worte zu bannen, als Gott bewaffnet mit Papier und Stift.
Was war aus diesem Traum geworden? Er blickte sich in seinem grauen Zimmer um. War dies sein Traum? Ein Haufen Müll, ein Fernseher, ein Bildschirm. War dies das große Talent, welches seine Lehrerin damals in ihm sah? Mit Abscheu schaute er hinunter auf seinen deutlich sichtbaren Bauch, der durch jahrelanges Rumsitzen immer mehr an Größe zunahm. Sein Blick wanderte zu dem verdunkelten Fenster.
Er zog die Jalousien nach oben. Der blaue Himmel kam zum Vorschein, ein paar Kinder spielten auf der Straße vor dem Haus. Sonnenstrahlen tauchten sein Zimmer in vergessene Farben. Thomas schloss die Augen und genoss die Wärme.
- Die Sonne ging auf.
 
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"Nette Geschichte, auch wenn sie mir persönlich wieder mal etwas zu emo ist (und mein Mitleid mit fetten Nerds sich insgesamt sowieso in Grenzen hält). Trotzdem nicht uninteressant zu lesen, das Gedicht passte auch recht gut an dieser Stelle. Zur Sprache: Insgesamt ein wenig durchwachsen das ganze, teilweise merkwürdige Sätze und Wortkreationen. Auch die Zeichensetzung und Absatzgestaltung ist meiner Meinung nach suboptimal. Nicht schlecht, aber auf jeden Fall verbesserungswürdig."
Kuma
 
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