FDP und die Onlinedurchsuchung

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Allein die Tatsache, dass er Privatvermögen als zu wenig eingezogene Steuern bezeichnet ist so lächerlich, dass eine weitere Diskussion hier wohl sinnlos ist ;)

Bzgl. FDP: Ich finde es auch schade, dass diese Partei, die eigentich nicht nur wirtschaftsliberal sondern auch gesellschaftlich liberal sein sollte dies nicht ausreichend umsetzt.
Dennoch ist die FDP das kleinste Übel der heuten Parteienlandschaft.
 

shaoling

Guest
Eigentlich wollt ich den Thread ja links liegen lassen, aber der Blödsinn, der hier verzapft wird, muss kommentiert werden.

Original geschrieben von mOrPh8
Wie hier schon erwähnt ist die FDP heute eine neo-liberale, sich an der neuen Marktwirtschaft orientierende Partei, die ihre Wähler eben gerade aus dem Kapitalismus bejahenden Lager zieht, SOZIALE Marktwirtschaft ist da schon eher in der CDU zu finden als in der FDP.
Die FDP die du beschreibst Claw, hätte sich bspw. auch nicht _prinzipiell_ gegen eine Ampelkoalition ausgesprochen, bzw. nicht so vehement quergestellt.
Auf welche historischen Fakten berufst du dich hierbei? Welche Definition von sozialer Marktwirtschaft legst du an?
Jeden, der mit dem Begriff wirklich etwas anfangen kann und ihn nicht nur als politischen Kampfbegriff verwendet, sollte doch sehr wundern, dass du hier einen Widerspruch zwischen neoliberaler Wirtschaftspolitik und sozialer Marktwirtschaft konstruieren willst. Denn die soziale Marktwirtschaft, wie sie von ihren deutschen Begründern gedacht war, basiert in ihrer wirtschaftspolitischen Ausrichtung auf dem, was man gemeinhin Neoliberalismus nennt.

Konzeptionell basiert die Soziale Marktwirtschaft im Sinne von Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard wesentlich auf Ideen, die von einer Reihe von Wissenschaftlern schon vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelt und unter dem Begriff Neoliberalismus zusammengefasst wurden.

Insbesondere wenn wir uns auf die soziale Marktwirtschaft berufen, die Deutschland groß gemacht hat, sollte man stets im Hinterkopf behalten:
Für Ludwig Erhard, den sogenannten "Vater der Sozialen Marktwirtschaft", war der Begriff ein Pleonasmus, für ihn war der Markt an sich sozial und brauchte nicht erst sozial gemacht werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Marktwirtschaft

Bevor man mit solchen Begriffen Schindluder treibt, sollte man vielleicht erstmal klarstellen, welcher historischen Situation sie entspringen.
Dass man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Kontinentaleuropa eine großspurige Affinität zu Interventionismus und Sozialismus hatte, sollte bekannt sein.
Theoretikern, die ihren Ansichten nach mehr diesem Zeitgeist entsprachen - Schumpeter als prominentes Beispiel -, fiel der Aufstieg dementsprechend einfach, viel einfacher als den liberalen Denkern, die ihr Fähnchen auch in Zeiten der Krise gegen den Wind gehalten haben - von Mises und von Hayek etwa.
Deutschland hatte verdammtes Glück, dass nach dem Krieg mit Erhard und anderen Männer ans Ruder kamen, die eine Kurskorrektur in Richtung Marktliberalismus anstrebten. Dass diese Politik oder besser Unpolitik eine Erfolgsgeschichte beispiellosen Ausmaßes war, braucht wohl nicht erwähnt zu werden.
Und jetzt maßen sich linke Politiker aller Parteien tatsächlich an, dieses glorreiche Erbe mit Füßen zu treten, indem sie die entsprechenden Begriffe verdrehen, umdeuten und so missbrauchen, dass sie dem gemeinen Wähler mehr ans Herz gehen - und spätestens mit ihrer Umsetzung dann irgendwann auch an die Gurgel.
Das ist eine Schande.
Und die empirische Evidenz ist über Jahrhunderte und Jahrtausende so eindeutig, dass man nur ein Geschichtsbuch aufschlagen muss, um das einzusehen.
Aber ne, laden wir lieber Gysi in Talkshows ein, damit er unter Beifall seine Märchen von einem demokratischen Sozialismus predigen kann...

Ich habe nichts gegen Meinungsvielfalt und wer mit sachlicher, rationaler Argumentation für Umverteilung eintritt, dem höre ich gerne zu, um mich mit ihm auszutauschen.
Aber unter dem Deckmantel der sozialen Marktwirtschaft alte, längst totgeglaubte sozialistische Gespenster zu wecken, ist nicht redlich und hat mit verantwortungsvollem politischen Handeln nichts zu tun.



Und um doch nochmal speziell auf die FDP zu sprechen zu kommen: Ist die FDP eine makellose, von idealistischer Gesinnung durchtriebene Partei? Nein, Herrgott, sie ist in erster Linie eine Partei wie die anderen auch mit all den Fehlern, die man auch anderen Parteien zur Genüge vorwerfen kann - Opportunismus, Lobbyismus, etc..
Letztendlich kommt es aber darauf an, welche Inhalte sie verkörpert. Und da ist die FDP nun mal die einzige Partei, die den liberalen Gedanken wenigstens in seinen Grundzügen erfasst zu haben scheint und im Großen und Ganzen auch dafür eintritt. Und ja, gesellschaftliche und politische Freiheit sind ohne wirtschaftliche Freiheit nicht zu haben. Das war in der Geschichte immer so und wird auch immer so sein, seht es endlich ein. Es gibt keinen freiheitlichen Sozialismus.
Und nein, die FDP hat sich niemals gegen das Instrument des sozialen Ausgleichs und der Umverteilung gewandt, lediglich gegen seine Wucherung. Und wer nicht glaubt, dass die existiert, der werfe ein Auge auf die Staatsausgaben.

Ja, die FDP hat ein gewisser Problem mit Klientelpolitik. Glaubt ihr, das sei den Verantwortlichen nicht bewusst?
Selbst Westerwelle hat das wiederholt angesprochen und eindeutig als Mißstand gekennzeichnet - vor längerem wurde dazu mal ein recht aufschlussreiches Interview hier gepostet.
Aber man muss nun mal auch den Tatsachen ins Auge sehen: Eine politische Partei braucht politischen Erfolg. Sie muss gewählt werden, um überhaupt etwas zu gelten.
Der Wählerkreis der FDP ist nicht der einer großen Volkspartei und sie kann es sich nicht leisten, diese Wähler zu verprellen. Es ist traurig, dass einer liberalen Partei in Deutschland der Status einer Volkspartei niemals zukommen wird, aber so ist es nun mal.
SPD und CDU sind nicht weniger Klientelparteien ihrer Wähler, nur dass ihre Wähler weit zahlreicher und in ihrer Gruppenzugehörigkeit vielfältiger sind. Darum fällt das nicht so auf. Das ist der Vorteil einer Mehrheitspartei.
Ich will die FDP nicht frei von Schuld sprechen, aber bei aller berechtigten Kritik an ihren Umtrieben muss man im Auge behalten, dass sie als Partei darunter leidet, dass der Liberalismus als ihr Markenzeichen zumindest hierzulande kein allzu populäres Etikett ist.
Man muss sich nur mal vorstellen, was eine Umfrage ergeben würde, in der das deutsche Volk die Begriffe sozial und liberal bewerten sollte. Ich glaube, wir täuschen uns darin nicht, dass das Ergebnis eindeutig wäre.
Das sollte uns allen als Gesellschaft zu denken geben.

Noch ein paar Töne zu Ingo Wolf, Innenminister NRW: Ist euch in eurem Eifer die FDP zu diskreditieren eigentlich schon mal in den Sinn gekommen, dass eine Partei kein im Stechschritt marschierendes Heer kadavergehorsamer Parteisoldaten ist?
Ich finde es geradezu unverschämt, wie hier für individuelle Handlungen einzelner Parteimitglieder dazu benutzt werden, eine ganze Partei in den Dreck zu ziehen.
Wie müsste man da erst über die SPD herziehen, die an Uneinigkeit und Zerstrittenheit in diesen Tagen eine Singularität in der deutschen Parteilandschaft ist?

Der Überwachungsvorstoß des FDP-Innenministers wurde übrigens von der Fraktion nicht mitgetragen:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/88615


Und wo wir grad so schön dabei sind: Wie schnell eine Partei in Regierungsverantwortung von ihren hochtrabenden idealistischen Zielen Abstand nimmt und sich den unromantischen, kalten Erfordernissen der Realpolitik beugt, beweist die Linkspartei überall dort, wo sie in Regierungsverantwortung ist, z.B. hier in Berlin. :lol:
 
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