DSM-Richtlinie
Am 26. März 2019 hat das Europäische Parlament erfreulicherweise die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) verabschiedet. Sie wurde dabei in der Fassung angenommen, die zuvor von Vertretern der Kommission, des Rats und des Parlaments im sogenannten „Trilog“ verhandelt worden war. Der Gesetzgebungsprozess war – insbesondere in den letzten Wochen – von erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern der Reform und ihren Gegnern geprägt. Mit dem Parlamentsbeschluss dürfte aber die entscheidende Hürde genommen worden sein, auch wenn die abschließende Billigung des Rates noch aussteht. In Kürze wird sich daher aller Voraussicht nach die Frage stellen, wie die Richtlinie am besten in das nationale Recht umgesetzt werden kann. Hierbei sind folgende Regelungsbereiche für die VG WORT besonders wichtig:
Verlegerbeteiligung (Art. 16)
Die VG WORT wurde 1958 als gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen gegründet. Sie beteiligte stets Urheber und Verlage anteilig an ihren Einnahmen, wie es in ihrer Satzung und ihren Verteilungsplänen von Beginn an vorgesehen war. Ende 2015 erging eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem Verfahren aus Belgien, die erhebliche Zweifel aufkommen ließ, ob eine Beteiligung von Verlagen an Einnahmen für gesetzlich erlaubte Nutzungen („Schrankenregelungen“) weiterhin europarechtlich zulässig war. Im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gab der deutsche Bundesgerichtshof im April 2016 in einem Verfahren, in dem sich ein wissenschaftlicher Autor gegen die Verlegerbeteiligung bei der VG WORT gewandt hatte, der Klage im Wesentlichen statt. Die Entscheidung führte dazu, dass die VG WORT die Verlagsausschüttungen für die Vergangenheit teilweise zurückfordern musste und für die Zukunft zunächst keine Ausschüttungen an die Verlage für gesetzlich erlaubte Nutzungen mehr vornehmen konnte.
Der Fortbestand der VG WORT als gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen war aufgrund dieser Gerichtsentscheidungen konkret in Frage gestellt. Rechtspolitisch vertraten jedoch Bundesregierung und Bundestag klar die Auffassung, dass sich gemeinsame Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlagen bewährt hatten und Verlage weiterhin an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen partizipieren sollten. Der Deutsche Bundestag hatte deshalb bereits im April 2016 – unmittelbar nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs – die EU-Kommission gebeten, einen Regelungsvorschlag auf europäischer Ebene zur Verlegerbeteiligung vorzulegen. Zusätzlich wurde Ende 2016 in Deutschland eine Bestimmung in das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) aufgenommen, die jedenfalls im Fall der Zustimmung von Autoren nach Veröffentlichung eines Werks die Beteiligung des Verlags ermöglichte (§ 27a VGG). Sowohl in diesem als auch in weiteren Gesetzgebungsverfahren der letzten Legislaturperiode im Bereich des Urheberrechts wurde aber stets auf die im September 2016 vorgelegten Regelungsvorschläge der EU-Kommission für die neue DSM-Richtlinie verwiesen. Darin fand sich mit Art. 12 (jetzt: Art. 16) eine Bestimmung, die die Möglichkeit einer regelmäßigen Beteiligung von Verlagen an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften vorsah. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 12. März 2018 wurde im Übrigen nochmals unterstrichen, dass eine zeitnahe Regelung zur Verlegerbeteiligung bei den Verwertungsgesellschaften unterstützt wird.
Vor diesem Hintergrund geht die VG WORT davon aus, dass Art. 16 der DSM-Richtlinie schnellstmöglich in Deutschland umgesetzt wird. Für eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen gibt es eine Vielzahl von sehr guten Gründen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Bündelung von Rechten und Ansprüchen, die gemeinsam gegenüber Nutzern und Vergütungsschuldnern durchgesetzt werden können.
Mit der Umsetzung von Art. 16 der DSM-Richtlinie wird hoffentlich die Frage der Verlegerbeteiligung, die die VG WORT und die übrigen betroffenen Verwertungsgesellschaften in Deutschland und europaweit in den letzten Jahren vor sehr große Herausforderungen gestellt hat, endlich abschließend geklärt.
Plattformlizenzierung (Art. 17)
Die umstrittenste Vorschrift im europäischen Gesetzgebungsverfahren war Art. 17 der DSM-Richtlinie, der als „Artikel 13“ in aller Munde war. Anders als von den Kritikern der Vorschrift stets vertreten, geht es bei Art. 17 nicht vorrangig um den Einsatz von sogenannten Upload-Filtern, sondern um die Vergabe von Lizenzen. Lizenzen sind vertragliche Erlaubnisse für urheberrechtlich relevante Handlungen. Art. 17 der DSM-Richtlinie stellt dabei klar, dass große Plattformen, die massenweise von Nutzern hochgeladene Inhalte zur Verfügung stellen, einen Akt der „öffentlichen Wiedergabe“ oder der „öffentlichen Zugänglichmachung“ begehen, der urheberrechtlich einer Lizenz bedarf. Nur wenn derartige Lizenzvereinbarungen nicht abgeschlossen werden, kann sich die Frage der Verantwortlichkeit der Plattformen für die hochgeladenen Inhalte stellen. Es sollte deshalb im Interesse der Plattformen liegen, schnellstmöglich die erforderlichen Nutzungsrechte zu erwerben. Eine Lizenzlösung liegt aber vor allem auch im Interesse der Nutzer, die die Inhalte hochladen. Sie begehen beim Upload bisher vielfach eine Urheberrechtsverletzung. Sofern es zukünftig zu Lizenzvereinbarungen kommt, stellt die Richtlinie ausdrücklich klar, dass auch der Upload durch nicht kommerzielle Nutzer von der Lizenz abgedeckt wird und damit erlaubt ist. Das ist für private Nutzer ein großer Vorteil im Vergleich zum bisherigen Recht, der beim Streit um die Richtlinie vielfach ausgeblendet wurde.
Für Lizenzlösungen gegenüber den Plattformen dürften insbesondere auch Verwertungsgesellschaften prädestiniert sein, die als Treuhänder ihrer Berechtigten und unter staatlicher Aufsicht von jeher Rechte für die massenweise Nutzung einer Vielzahl von Werken anbieten. Auch innerhalb der VG WORT werden derzeit kollektive Rechtewahrnehmungen ausgelotet. Besonders sinnvoll wäre es dabei, wenn die Bundesregierung im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie sogenannte „erweiterte Lizenzen“ in Deutschland einführen würde, wie sie Art. 12 der Richtlinie explizit ermöglicht. Diese würden sicherstellen, dass nicht nur für Rechtsinhaber, die unmittelbar einen Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft abgeschlossen haben, sondern auch für sogenannte „Außenseiter“ Nutzungen erlaubt werden könnten.
Vergriffene Werke (Art. 8 ff.)
Sehr erfreulich ist, dass die neue Richtlinie in Art. 8 ff. ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, Lizenzen für vergriffene Werke über Verwertungsgesellschaften zu vergeben. Konkret geht es um die Digitalisierung und öffentliche Zugänglichmachung von vergriffenen Werken, die in Bibliotheken und in anderen Einrichtungen des Kulturerbes vorhanden sind. Zuständig für die Lizenzierung der Nutzungen sind dabei die Verwertungsgesellschaften, die am Sitz der Einrichtung als repräsentativ für die jeweilige Werkart anzusehen sind. In Deutschland wird dies für alle Sprachwerke die VG WORT sein. Damit wird es möglich, das bereits seit einigen Jahren erfolgreich bestehende Lizenzierungsverfahren für vergriffene Bücher weiter auszubauen. Außerdem wird durch die DSM-Richtlinie geklärt, dass die grenzüberschreitende Nutzung von vergriffenen Werken erlaubt werden kann. Vorgesehen ist deshalb auch, dass ein öffentliches Online-Portal für vergriffene Werke beim Amt der EU für geistiges Eigentum geschaffen wird.