Der sprachlichen Einfachheit halber, füge ich nicht in jeden Satz "die meisten", "im Schnitt", "viele", etc. ein, sondern schere über einen Kamm. Es ist hoffentlich klar, dass ich mit dem Folgenden nicht alle Lehrer meine, sondern den Großteil.
Lehrer sind in aller Regel überhaupt nicht dazu in der Lage, schul-, geschweigedenn bundesländerübergreifende Maßstäbe anzusetzen.
Pauschalisiert ausgedrückt: Die besten Schüler einer jeden Klasse kriegen eine 1, die schlechtesten eine 5-6. Vielleicht wird alles dazwischen noch ein bisschen angepasst, wenn Lehrer an ihre vergangenen Jahrgänge denken, aber schon der objektive Vergleich zu Parallelklassen wird fast nie gezogen.
Ein paar Resultate aus der Forschung (z.T. aus unserer Arbeitseinheit):
- In einem Lese-Trainings-Projekt mit einer münsteraner Schule in diesem Schuljahr war ein Mädchen davon überzeugt (und ihre Lehrerin und Eltern auch), dass sie eine Leseschwäche hatte. Sie war auch die schwächste Leserin in ihrer Klasse. Mit diversen (deutschlandweit) standardisierten Lesetests gemessen, hat sich gezeigt: Sie las für ihr Alter völlig durchschnittlich.
- Generell erstaunen wir bei uns in Münster und Umgebung (reich, sehr wenig Arbeitslosigkeit, sehr hoher Bildungsstand) immer wieder die Lehrer, wenn sie bei den standardisierten Lese- und Mathetests die Rückmeldung kriegen, dass ihre Klasse fast komplett stark überdurchschnittlich ist.
- Generell ist altbekannt, dass verschiedene Lehrer ein und dieselbe Leistung komplett unterschiedlich bewerten. In einer Studie wurde z.B. eine imaginär ausgefüllte Mathearbeit an hunderte Lehrer in der Republik verschickt, mit der Bitte sie zu benoten. Von 1-6 war bei den Noten alles dabei, von 2-5 fast gleichverteilt.
- Um die Lehrer in Schutz zu nehmen: Sie haben es nicht leicht. Woher sollen sie denn die klassen-, ja gar länderübergreifenden Informationen nehmen, wenn standardisierte Tests sauteuer sind bzw. ab der Sekundarstufe 1 eh fast gar keine vernünftigen Tests mehr existieren? Und selbst wenn sie die Infos haben, müssen sie verschiedene Normen anlegen und es - neben der kriterialen Norm, also den im Curriculum vorgegebenen Lernzielen - auch in der Note berücksichtigen, wenn...
* sich jemand im Laufe der Zeit verbessert (oder eben auch nicht)
* eine Klasse insgesamt ziemlich homogen ist (um nicht alle über einen Kamm zu scheren)
* eine Klasse insgesamt besonders gut oder schlecht ist (je besser eine Klasse insgesamt, umso mehr ziehen sich die Schüler gegenseitig mit z.B.).
* jemand einen bestimmten Nachteil hat (z.B. nicht Muttersprachler ist)
* usw.
Es ist insgesamt ziemlich unstrittig, dass
- Schüler in verschiedenen Bundesländern deutlich unterschiedliche Leistungen erzielen. Ich kenne keine genauen Zahlen, aber soweit ich weiß, beruhen die meisten der Unterschiede auf unterschiedlich hohem Migrationshintergrund-Anteil und sozioökonomischem Status der Eltern.
- Lehrer im Schnitt in Bundesländern wie Bayern oder BaWü für dieselbe Leistung schlechtere Noten geben als z.B. in Bremen.
Deswegen sind Vergleichsarbeiten mit striktem Auswertungsleitfaden (besser noch wäre es, wenn die Lehrer nicht wüssten, wen sie bewerten und nicht ihre eigenen Schüler bewerten würden) meiner Meinung nach ein Schritt in die richtige Richtung. Sie berücksichtigen aber nicht die Bevorteiligung oder Benachteiligung durch z.B. unterschiedliche Lernmilieus.
Generell muss ich sagen, dass Lehrern - gemessen an ihrer Ausbildung - viel zu viel abverlangt wird. Von ihnen wird erwartet, dass sie von jedem Schüler genau wissen wo er steht und sie jeden Schüler individuell nach seinen Bedürfnissen fördern. In NRW und vielen anderen Bundesländern ist der Anspruch auf individuelle Förderung sogar gesetzlich festgeschrieben. Lehrer kriegen aber weder beigebracht, wie sie einen Leistungsstand objektiv erheben (geschweigedenn das auch noch differenziert zu machen, z.B. nach Lesegeschwindigkeit und Leseverständnis geteilt), noch, wie sie gezielt unterschiedliche Kompetenzen fördern. Lächerlich wird es dann bei der Forderung, auch Lernschwächen oder Krankheiten wie ADHS zu diagnostizieren und zu behandeln.
Lehrer in Deutschland sind überfordert. Sie sind Fachidioten, die viel zu wenig Ahnung von Didaktik, (unterrichtsbezogener) Diagnostik, Förderung haben. Sie kriegen es auch einfach nie ausreichend beigebracht. Dass Lehrer selber unterdurchschnittliche Abiturienten waren, hilft auch nicht. Dass sie viel zu viele Unterrichtsstunden und keine leistungsabhängige Bezahlung haben, schadet.