Muss es Milliardäre überhaupt geben?
Und: Wenn die gesetzliche Arbeitszeit erhöht wird, führt das nicht automatisch dazu, dass Überstunden verschwinden. Warum sollten sie? Für Unternehmen heißt es am Ende doch nur, dass die Baseline nach oben verschoben wurde.
Aus meiner Sicht ja, es "muss" Milliardäre geben i.S.v.:
- Deutschland setzt nicht die Politik für die Welt, sondern nur für Deutschland. Milliardäre gibt es also unabh. von deutscher Politik, um die es hier & Gabriel ja geht
- Milliardäre sind m.E.n. ein Nebeneffekt eines gesunden, marktwirtschaftlichen Systems. Wenn man rein theoretisch die gesamte Weltpolitik beeinflussen könnte, würde es aber vermutlich optimalerweise eine gleichmäßigere Verteilung von Reichtum geben, aber auch dann gäbe es noch Milliardäre. Sehe nicht, welches sinnhafte System "verhindern" sollte, dass Bezos oder Musk zu Milliardären geworden wären.
Der Punkt ist dass über letzteres eben nicht gesprochen wird, sondern die Vorschläge darauf abzielen die Masse für den Wohlstand weniger schuften zu lassen, da das Aufstiegsversprechen durch Arbeit eben nicht (mehr) für die Masse existiert. Ich arbeite 2h mehr für Susannes Rendite und Oma Ilses Rente. Warum kann Susanne nicht einfach weniger Rendite machen, denn anscheinend ist es ihr in den letzten 15 Jahren nicht merklich schlechter gegangen (7,5 Milliarden -> 20 Milliarden).
Gabriel's Äußerungen verstehe ich im Rahmen der aktuellen Krise und im Rahmen "machbarer" Politik.
Machmar i.S.v. "die Tarifparteien könnten sich darauf einigen", was realisitscher scheint als jetzt mal eben eine Vermögenssteuer o.ä. einzuführen.
Man kann den Vorschlag von Gabriel ja mit guten Gründen auch ablehnen -- gesellschaftlich oder individuell. Mir geht es nur um diesen Tonfall der Entrüstung ob der Vorschlags, der mich überrascht.
"Für den Wohlstand" wirkt auch wie ein ziemliches Totschlagargument
Finde ich nicht.
Wenn wir es auf das Individuum herunterbrechen:
- Inflation > Gehaltserhöhung
- Choice: Weniger Wohnstand, neuen Job suchen, oder eben mehr arbeiten
Gabriel sagt ja nicht "jeder muss mehr arbeiten, weil Wohlstand das objektiv einzige Ziel ist".
Sondern eher "
Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, sollten wir überlegen, ob wir vielleicht mehr arbeiten."
Ich glaube den meisten hier geht es irgendwo darum, dass die Produktivität ja durchaus steigt. Die Frage ist bloß, für wen sich das auszahlt und da ist es in der Tat nicht aus der Luft gegriffen, da eher an Susanne Klatten zu denken als an jemanden mit Medianverdienst. Bevor man wohlfeil sagt 'arbeitet halt mehr' wie Gabriel es tut sollte eine sozialdemokratische Partei imho erst mal alles ausprobieren, die bestehenden Produktivitätsgewinne mehr in Richtung der Arbeitnehmer zu lenken. Tarifverträge sind ein gutes Beispiel: Die AG jammern ohne Unterlass, dass die Politik in die Lohnfindung eingreift, was "den Sozialpartnern" vorbehalten sein sollte, ohne zu erwähnen dass die Stärke der Arbeitnehmer seit Jahrzehnten erodiert.
Ja, da reden wir dann über das ganz Große Bild soziale Gleichheit etc.
Relevantes Thema, aber ich verstehe Gabriels Äußerung nicht als Grundatzbeitrag zu dem Thema, sondern als "Idee zum Firefighting der aktuellen Krise, falls wir Wohlstand erhalten möchten".
Dann nochmal:
Steigerst du über 40 Stunden hinaus, dann gilt sicher nicht jede weitere Stunde ist x% mehr Produktivität. Der Mensch kann nur bis zu einem gewissen Limit arbeiten, darüber hinaus wird die Effizienz der Arbeit immer schlechter und kann sogar negativ werden.
Ja, aber in vielen Jobs ist diese Grenzproduktivität eben kaum erreicht bei 35-38h.
Beispiel: Kellner, Friseurin, Produktion, Lager, Logisitik, ...
Ich habe ja nicht geschrieben, dass es für alle Jobs gilt, und man direkt auf 50h hoch muss.
Sondern nur, dass Gabriels Vorschlag mMn nicht so total absurd ist, wie es hier hingestellt wird.
Der Vorteil eines Standorts wie Deutschland ist gerade die Qualität der Arbeit, die Drittweltländer nicht in dem Umfang bieten können.
In vielen Jobs semi-relevant, wie o.g. Kellner oder Logistik oder -hehe- aktuell Flughafenbodenpersonal.
Ich denke nicht, dass Gabriels Vorschlag sich gezielt an Entwicklungsingeniure richtet.
Man stellt sich ein Bein das zu untergraben, nur wird das scheinbar konsequent ignoriert. Wir können unseren Standard gar nicht weit genug senken, damit wir mit Ländern konkurrieren, die überhaupt keine Standards haben und zur Not halt Kinder oder gar Umerziehungslager einsetzen.
Zwingst du Teilzeitkräfte zu höherer Stundenzahl, dann muss die Infrastruktur diese Kräfte unterstützen, damit das überhaupt mit deren richtigem Leben vereinbar wäre.
Auch das tut so, als ob wir schon irgendwie magisch an einer Grenze wären, ab der 2-3h mehr arbeiten total unzumutbar wäre. Das gilt für manche immer, aber wohl nicht für die breite Masse. Und nochmal: Man kann sich ja dagegen aussprechen. Aber auch dein Post liest sich wieder so absolut, als sei die Vorstellung, dass mehr arbeiten u.U. sinnvoll sein könnte, lächerlich.
In einer Pandemie und in einem wachsenden Arbeitskräftemangel.
Arbeitskräftemangel ist aber doch potentiell gerade ein Grund für Mehrarbeit.
Wo soll die private Pflege von Kindern und Alten dann hin? In welche Instrastruktur? Die wenigen, die dort arbeiten, arbeiten dann einfach auch mehr, oder wie? Und das ganze noch zum gleichen oder marginal mehr Lohn, der sie befähigt was mit dem Geld zu tun? Als ob diese Personengruppe davon einen signfikanten Gewinn hat und dann auf die intrinische Belohnung- beispielsweise mehr Zeit mit den eigenen Kinder zu verbringen - einfach verzichten würde. Die Masse an Arbeitnehmern ist nicht faul, sie arbeitet um zu leben, das drückt der Begriff Erwerbsarbeit aus. Könnten sie mehr arbeiten, würden sie das wahrscheinlich.
Mutige Aussage.
Ich denke eben eher, dass viele eine gute Work-Life-Balance suchen, und dabei sehr individuelle Ziele & Möglichkeiten haben, was das Thema Geld verdienen angeht.
Wenn wir jetzt möglicherweise eine längerfristige Krise haben, dann geht es eben mit Wohlstandsverlusten einher. Damit mögen viele ja OK sein i.S.d. Work-Life-Balance. Andere aber eben nicht, z.B. weil sie am gefühlten Existenzminimum nagen.
Ich verstehe einfach nicht, wieso man das Thema Arbeitszeitverlängerung direkt so zum Tabu erklären und aus dem Lösungsraum hinwegdefinieren muss.
Und nun auch bitte die Realität prüfen, guck mal wie viel mehr an Arbeit bereits in Kirsen schon immer geleistet wird, statt dass die Unternehmen generell die Beschäftigungsquote erhöhen und/oder die Löhne prüfen. Unternehmen denken nur in kleinen Zeiträumen, ansonsten hätte man gelernt statt große, kurzfristige Gewinne mit moderaten, sicheren und stetigen Gewinnen langfristig zu ersetzen.
Wieviele Unternehmen kennst du so gut, dass du das beurteilen kannst?
Man gebe sich die Statements im Kontext von der Klagewelle der Wirtschaft zum Mindestlohn, oder die Ursache der Situation an den Flughäfen. Hausgemachte Probleme des immer gleichen Denkens.
Nein, es ist kein Tabu Arbeitszeiten zu einem Thema zu machen. Aber nicht isoliert, sondern eingebettet in den Rahmen.
Aber Gabriel schreibt ja hier doch kein Parteiprogramm, sondern meldet sich mit einem Vorschlag zu Wort. Wieso dann die Erwartungshaltung, dass er das Thema Arbeitszeit nicht "isoliert" anzusprechen habe? Genau das klingt für mich nach einem Tabu.
Solange die Wirtschaft noch Profite abwirft, Dividenten auszahlt und die Eigentümer mehr Kapital akkumulieren können, solange können und müssen Sie auch etwas in den Standort investieren.
"Solange Arbeitnehmer noch Freizeit haben, nach Malle fliegen und sich das neue iPhone kaufen, solange könnten und müssen Sie auch länger arbeiten."
[Stimme meinem Satz nicht zu, wollte nur zeigen, wie wenig hilfreich solche Allgemeinaussagen für *alle* Arbeitnehmer oder Unternehmen sind. Es gibt eben auch Unternehmen, die nicht geil profitabel sind.]
Wäre es so einfach für die Großkonzerne mal eben den Kontinent zu wechseln, hätten sie das lange getan. Meine Fresse, das wurde schon so oft versucht und es zeigte sich so oft, dass es einfach nicht wirklkuch lukrativ ist.
Geht ja nicht nur um existierende Großkonzerne, sondern auch um neue Unternehmen & die Konkurrenzfäbigkeit unserer Konzerne.
BASF wird Ludwigshafen als Hauptstandort so schnell in der Tat nicht verlassen. Du kannst sie trotzdem so kaputtbesteuern, dass es für Deutschland klar -EV ist. Und mit deiner Mentalität werden auch in den nächsten 30 Jahren vielleicht keine neuen erfolgreichen deutschen Konzerne entstehen.
Es kann nicht nur eine Bringschuld der Gesellschaft geben und konstant die wirtschaftliche Interessen durch den Staat direkt und indirekt subventioniert werden - durch das Ermöglichen von Lohndumping etwa.
Das hat auch niemand behauptet. Diese krasse Polarisierung in "nur A oder nur B" bringst du hier doch selbst ein.