Zustand der Demokratie

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Guten Abend liebes Board.

Ich würde gerne den Zustand unserer Demokratie diskutieren. Es folgt mein persönlicher Standpunkt als Diskussionsangebot:

Mangelndes Vertrauen gegenüber dem Wähler
Ich habe grundsätzlich nicht das Gefühl, dass die Parteien gegenüber dem Wähler Vertrauen zeigen. Es werden Versprechungen aufgestellt, die nicht umgesetzt werden, was allerdings erst kurz nach der Wahl bekannt wird (ups, noch ein Haushaltsloch entdeckt). Statt also einem ehrlichen Programm, habe ich er das Gefühl, in den Programmen die Parteideale zu lesen, selbst wenn vorher schon klar ist, dass vieles nicht klappt. Beispiel:
FDP, Steuererleichterungen vor Wahl 2009
Grüne, Verhindern von S21
SPD, Koalition(sversuch) mit den Linken durch Andrea Ypsilanti
Hat man Angst, der Wähler würde einem bei der nächsten Umfrage weglaufen, wenn man mit der Wahrheit rausrückt?


Transparenz der Politik
Meiner Meinung nach kaum vorhanden. Man muss nur an die jüngeren "Wahlen" von Parteivorsitzenden oder ähnlichen Personen denken. Bei welcher Wahl hat man nur eine Person zu wählen? Alleine der Begriff Kampfkandidatur ist doch ein Unwort. Was ist denn das für eine Kandidatur ohne Gegner?
Das vermittelt stark das Gefühl, dass solche Sachen in sehr kleinen Kreisen ausgekugelt wird und die breite Allgemeinheit kriegt nur noch eine Pressemitteilung und die Erlaubnis "Ja" (im Falle der Parteimitglieder) zu einem einzigen Kandidaten zu sagen oder mit "nein" einen "Fehlstart" zu beschwören (Fehlstart = <9X% der Stimmen).

Ähnlich empfinde ich es des öfteren bei Parteipositionen. Eine Partei hat eine Position, von der Diskussion darüber und den sonst unter den Mitgliedern vorhandenen Meinungen kiegt man meist nichts mit (bei meinem Medienmix zumindest aus: Internetpräsenzen von Parteien, Phoenix, Tagesspiegel, Focus Online, Spiegel Online... Vermutlich so ungefähr der Standardmix). Wenn doch wird es als Rebellion dargestellt oder die Partei als zerstritten (wie haben wir es denn lieber? Gleichgeschaltet/Dressiert?). Wenn ich nicht mitkriege wie die Diskussion über einen Standpunkt läuft, was soll ich mir dann für eine Meinung von der Partei bilden oder von der Begründung bestimmter Standpunkte? Das, was an Begründungen nach außen geliefert wird, ist meistens sehr oberflächlich oder allgemein.

Kompetenz
Unser Wirtschaftsminister ist ein Arzt, viele andere Positionen sind von Juristen besetzt. Da fragt man sich manchmal, ob die Ministerplätze nach Beliebtheit/Bekanntheit und Stand in der Parteihierarchie vergeben werden. Oder anders: Es könnte der Verdacht aufkommen, dass die Minister nicht zwangsläufig danach gewählt werden, ob sie die kompetentesten Parteimitglieder für die betreffende Position sind (in Sache und Urteilskraft), sondern die, die am ehesten gut beim nächsten Politbarometer abschneiden.

"Gefälligkeiten"/Interessenskonflike
Schröder hat den Bau einer schicken Pipeline eingeleitet und jetzt sitzt er bei Gasprom. Fischers Karriere scheint ja auch nicht allzu unbefriedigend zu verlaufen. Es könnte der Veracht aufkommen, dass sie sich im Laufe der Amtszeit in einigen Detailfragen Gefälligkeiten verdient haben. Oder auf Konfrontationen mit ihren späteren Arbeitgebern tendenziell verzichtet haben, auch wenn es im Sinne des Volkes hätte sein können. Vielleicht auch etwas schnell in manchen Feilschfragen nachgegeben.
Ein gewisser Oberbürgermeister hat auf seinen Rücktritt verzichtet, als unter seiner Regentschaft die Durchführung der Loveparade in einer Katastrophe endete. Böse Stimmen erwähnten, welche Auswirkung ein verfrühter Rücktritt auf seine Rentenansprüche gehabt hätten.
Weitere Beispiele für Interessenskonflikte: Merkels zögern vor Wahlen in der Opelfrage (ich hoffe es war damals die Frage? Ich bin offen für Korrektur.)

Wozu die Beispiele? Es sieht stark so aus, als hätten Interessenskonflikte zwischen: Persönlichen Finanzen eines Politikers und Entscheidungen durch sein Amt / Wahlergebnisse von regionalen Parteiverbänden und bundesweite Entscheidungen / etc. Einfluss auf die Politik, was natürlich nicht tolerierbar wäre.

Andere Beispiele gehen viel weiter. Bei der Unterstützung libyscher Rebellen hat man bei Sarkozy und Cameron ebenfalls innenpolitische Motive vermutet (ich selbst gebe zu der Entscheidung in Libyen gar keine Meinung ab). Hier würden Eingriffe in die Lebensumstände zahlloser Menschen durch die Kalküle von Politikern um die eigene Person verursacht werden.

Fazit für mich:
Ich kann eine Partei wählen, aber ich weiß nicht, was sie tun wird. Ich weiß nicht wirklich wieviele und welche Leute eine konkrete Entscheidung bestimmen und welche persönlichen Umstände sie dabei beeinflussen. Ich kann höchstens den Kreis der Personen bestimmen, in denen diese Entscheidungsträger sitzen und welche Grundsätze ihre Parteien haben (eher unbefriedigend). Ich sage nichtmal, dass ihnen diese Grundsätze nichts bedeuten würden, aber was letztlich aus meiner Stimme und Vertretung wird, ist für mich nicht durchschaubar.
Mir ist völlig klar, dass ein Wahlprogramm nicht immer umgesetzt werden kann, weil sich Umstände auch ändern können und Koalitionskompromisse eingeganben. Aber es gibt eben mehr Einflüsse als diese zwei, die ich mal als zulässig ansehe. Ich ziehe hier nochmal die FDP heran (von der ich viele Grundsätze super finde):
Von den Programmpunkten die mir zusagten hat die FDP nach 2009 nur Löschen statt Sperren ordentlich vertreten. Was ist aus Bürokratieabbau, Vereinfachung des Steuersystems (was ja nicht zwangsläufig Senkung heißen muss) und weiterem Ausbau von Freiheitsrechten der Bürger geworden? Ich sehe nur die scheinbar gekaufte Hotelsteuersenkung und gescheiterte Debatten über Steuersenkungen. Tolles Ergebnis der Wunschkoalition und des großartigen Wahlerfolges.

Über die Mitschuld von Presse und Wählern an der Misere habe ich auch Thesen, aber vielleicht bietet das hier erstmal einen Diskussionsansatz.

Wie schätzt ihr die Lage ein?
 
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FDP am Arsch.
Piraten im ersten Landtag.

Demokratie funktioniert doch wunderbar.
 
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ja sehe auch viele Probleme darin wie wir es atm haben und dass es doch zu sehr nach Beliebtheit/Medien geht. Allerdings sehe ich auch leider keine Alternative.
Wen ich wähle ist im Endeffekt (mMn) scheiß egal, solange ich nicht zu den Extremen neige, da es eh kein Unterschied ist.
Abgesehen davon geht es um Sachen die höchst wahrscheinlich keiner versteht, weder wir als Wähler noch die Politiker wenn sie ohne Berater da sitzen würden.
Natürlich kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen ob etwas gut oder schlecht ist, speziell wenn es in einem Gebiet ist, in dem ich selbst bewandert bin, aber wer kann denn schon bitte von sich behaupten, dass er da komplett durchblicken kann und zwar gebietsübergreifend?
D.h. ich habe eine große Menge an Sachen die ich nach Bauchgefühl einschätze als Wähler und nicht unbedingt nachvollziehen kann was richtig ist, weshalb ich mich oftmals danach richten werde was die Mehrheit sagt oder der kluge Heini im TV und eine kleine Menge an Sachverhalten die ich halbwegs verstehe und dementsprechend weiß wo ich angelogen werde oder was gut / schlecht ist.

Vor paar Jahren gab es hier glaube mal ne story dass irgend nen Politiker meinte "wir brauchen in Ger mehr Ärzte! Der böse NC hält uns davon ab mehr Ärzte zu haben, wenn wir keinen NC beim Medizinstudium mehr hätten, hätten wir nun viel mehr Ärzte, also sollten wir den NC abschaffen", wo natürlich jeder, der weiß was ein NC überhaupt ist sofort erkennen wird das das entweder kompletter bullshit war weil der Mann keine ahnung hat oder eine geplante Lüge war um gut in den Medien anzukommen (i.e. "ich sorge für mehr ärzte, wählt mich!"). Ka ob die story so geschehen ist, hab aber sowas im Hinterkopf und meine mich noch dran zu erinnern wie JS da auch mit drüber diskutiert hat.

Kurzum: Heutzutage wirst du ohne dich richtig zu verkaufen nicht gewählt und sich richtig verkaufen hat nichts damit zu tun ob du das richtige oder das falsche tust sondern damit was die nette Omi vom Onkel in den Nachrichten erzählt bekommt. Die Leute die wirklich selbst verstehen was richtig oder falsch ist sind meistens eine verschwindend geringe Anzahl an Leuten, speziell wenn es um komplexere Dinge geht.
 

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Imo ists mit der Demokratie ähnlich wie mit dem Kommunismus. Schöne Idee lässt sich nur leider mit Menschen nicht umsetzen.

Dabei sind imo nicht die Parteien das problem, sondern die Wähler.

Das einzige Interesse eines Politikers, gewissermaßen der Sinn seines Berufs, ist es gewählt zu werden. Nicht das Land sinnvoll zu regieren oder gravierende Probleme zu lösen. Es geht für nen Politiker nur darum nach der Wahl in der Regierung zu sein. Danach kann er 4 Jahre machen was er will und wenn er die scheiße auf die Zeit gleich nach der Wahl verlegt hat er sogar gute chancen wieder gewählt zu werden weil die Wähler so schnell vergessen. Man kann den Politikern aber nichtmal einen Vorwurf machen. Ihr Einkommen und damit ihr leben hängen stark davon ab das sie gewählt werden und wenn mit Ehrlichkeit beim Volk nunmal kein Blumentopf zu gewinnen ist, ja meine Güte dann müssen sie lügen.

Ich mein was will der ehrliche Politiker denn in der heutigen Zeit machen? Eine Rede in der Art: "Tja in den letzten 30 Jahren sind haufenweise Dinge schiefgelaufen und wir stecken jetzt bis zum Hals in der Scheisse und haben eigentlich überhaupt keinen Plan wie wir da wieder rauskommen sollen." Klar könnte er machen. Aber dann kommt der Typ von der nächsten Partei, der genausowenig Ahnung hat und erzählt den Leuten was sie hören wollen und win.

Wie gut ne Demokratie funktioniert hängt einfach ganz erheblich davon ab wer wählt. Die Wähler entscheiden wer welche Politik macht und wie lange. Das dumme ist eben nur das die Wähler zu 95% absolut keinen Plan davon haben was eigentlich abgeht, das bissel Halbwissen was sie haben sind die paar völlig verfälschten Informationshäppchen die ihnen die Medien vorwerfen. Was eine Demokratie bräuchte wären WIRKLICH mündige Wähler. Aber die sind ne Randerscheinung und nicht die Regel. Die Parteien stellen einen möglichen Kurs in Aussicht und die Wähler sollen dann entscheiden welcher Kurs eingeschlagen wird. Aber wie sollen sie richtig entscheiden wenn sie nichtmal ansatzweise das problem verstehen?

Man sieht das ganze auch sehr deutlich in der Praxis. Zu letzt am werten Herrn Guttenberg. Es wird nicht nach Kompetenz gewählt sondern nach Sympathie. Ein Politiker heute kann dumm sein wie trocken brot, wenn er immer nett lächelt und einen auf Samariter macht ist ruckzuck beliebter als Gott. Imo der völlig falsche Ansatz aber lässt sich schwerlich korrigieren da der Wähler eben gar nicht fähig ist nach kompetenz zu wählen.

Man muss den Demokratien natürlich zu gute halten das wir bisher die längste Friedensperiode seit langem hatten. Aber man sollte da auch ehrlich genug sein zuzugeben das dies nicht nur, wenn überhaupt, der Demokratie zuzuschreiben ist. Direkt nach dem 2ten Weltkrieg, quasi überall auf der Welt wirtschaftlicher und technischer Aufschwung, der Wohlstand nahm überall zu. Unter solchen Bedingungen ist es leicht eine Gesellschaft am laufen zu halten.
Aber die Zeiten sind vorbei, ab hier gehts nurnoch Berg ab und unsere Politiker und ihre Unfähigkeit sind schuld dran. Wird interessant sein zu sehen wie lange die Demokratie hält wenn sie wirklich auf die Probe gestellt wird.
 
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Falls Dich die Meinung eines Parteienforschers interessiert, die aber kurz ausfällt:

Mangelndes Vertrauen gegenüber dem Wähler
Ich habe grundsätzlich nicht das Gefühl, dass die Parteien gegenüber dem Wähler Vertrauen zeigen. Es werden Versprechungen aufgestellt, die nicht umgesetzt werden, was allerdings erst kurz nach der Wahl bekannt wird (ups, noch ein Haushaltsloch entdeckt). Statt also einem ehrlichen Programm, habe ich er das Gefühl, in den Programmen die Parteideale zu lesen, selbst wenn vorher schon klar ist, dass vieles nicht klappt.

Finde ich auch schade. Aber die Parteien schätzen den Wähler schon richtig ein. Merkel hat 2005 ja gesagt, dass der Staat pleite ist, dass die Steuern erhöht werden müssten, und sie hat die Wahl (fast) verloren. Die SPD hat das ausgenutzt, Stichwort "Merkelsteuer". Den Fehler, dem Wähler die Wahrheit zu sagen, machen die Parteien also so lange nicht, wie der Wähler das nicht goutiert. Ein weiteres, aktuelleres Beispiel sind die Piraten, die mit Versprechungen/Forderungen den Wahlkampf geführt haben, über deren Finanzierung sie sich nach eigener Aussage nicht kümmern wollten. Das hat funktioniert. Auch die FDP könnte bei der letzten BTW in diese Kategorie fallen.


Meiner Meinung nach kaum vorhanden. Man muss nur an die jüngeren "Wahlen" von Parteivorsitzenden oder ähnlichen Personen denken. Bei welcher Wahl hat man nur eine Person zu wählen? Alleine der Begriff Kampfkandidatur ist doch ein Unwort. Was ist denn das für eine Kandidatur ohne Gegner?

Der Parteivorsitzende, als Beispiel, muss eben die ganze Partei repräsentieren, also eben genau über 90%. Wenn es eine Kampfkandidatur gibt, ist das nicht der Untergang, aber besser ist es, die Partei einigt sich. Wenn Du mit Deinen Freunden eine Radtour machst, ist es auch besser, ihr einigt Euch über das Ziel. Abstimmen geht zwar, aber einigen ist schöner. Und im Übrigen ist es wieder der Wähler: eine streitende, eine öffentlich diskutierende Partei wird bei Wahlen abgestraft, also machen die Parteien das nicht.


[/U]Unser Wirtschaftsminister ist ein Arzt, viele andere Positionen sind von Juristen besetzt. Da fragt man sich manchmal, ob die Ministerplätze nach Beliebtheit/Bekanntheit und Stand in der Parteihierarchie vergeben werden. Oder anders: Es könnte der Verdacht aufkommen, dass die Minister nicht zwangsläufig danach gewählt werden, ob sie die kompetentesten Parteimitglieder für die betreffende Position sind (in Sache und Urteilskraft), sondern die, die am ehesten gut beim nächsten Politbarometer abschneiden.

Der Minister "managed" das Ressort. Er schreibt nicht die Gesetzentwürfe, und niemand kann sich gut in allen Feldern auch nur eines Ministeriums auskennen. Also selbst der "Wirtschaftsexperte" könnte nicht bei erneuerbaren Energien, Welthandelskonferenzen, Konjunkturentwicklung und Transportwesen glänzen, das geht einfach nicht. Also muss der Minister führen können, muss gute Leute einstellen können, muss Berichte bewerten können, und er muss eben in der Partei Rückhalt haben, um Positionen durchzusetzen.

Die Forderung nach einer "Expertokratie" ist sogar undemokratisch, weil sie impliziert, ein "Experte" wüsste die "richtige" Lösung - die gibt es aber nicht, und in der Demokratie entscheiden wir uns für eine, vielleicht nicht die "richtige" Lösung.

Gäbe noch mehr zu sagen. Aber der Thread ist ja auch noch nicht zu Ende. Ich hoffe, soweit war alles verständlich... :)
 
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1. Post eines neuen Forenmitglieds: Politikdiskussion. Interessant.

Imo ists mit der Demokratie ähnlich wie mit dem Kommunismus. Schöne Idee lässt sich nur leider mit Menschen nicht umsetzen.
Wahrscheinlich. Wir befinden uns demnach nach wie vor auf der Suche nach einem besseren System.

Man sieht das ganze auch sehr deutlich in der Praxis. Zu letzt am werten Herrn Guttenberg.
Dafür musst du garnicht bis Guttenberg zurückgehen. Geh zur letzten Wahl:
Frage: Auf einem Wahlplakat wird typischerweise abgebildet
a) Ein Kernpunkt des Parteiprogramms, eventuell mit Begründung.
b) Die Visage des Politikers, den man wählen soll.

Man muss den Demokratien natürlich zu gute halten das wir bisher die längste Friedensperiode seit langem hatten.
Naja. Die Demokratie erfüllt den Zweck die Regierenden möglichst weit von der Macht fern zu halten.
Ein Wohlwollender Diktator kann ein Land höchst wahrscheinlich besser lenken als eine demokratische Regierung, er kann aber auch viel mehr zerstören als 100 gute Vorgänger aufbauen können.

Die Forderung nach einer "Expertokratie" ist sogar undemokratisch, weil sie impliziert, ein "Experte" wüsste die "richtige" Lösung - die gibt es aber nicht, und in der Demokratie entscheiden wir uns für eine, vielleicht nicht die "richtige" Lösung.
Hö? Eine Partei überlegt sich eine Lösung für ein Problem z.B. Steuererhöhung um 50% zum Abbau der Staatsschulden. Und wenn sie dann gewählt werden, machen sie das (hoffentlich :ugly:).
D.h. eine Partei muss sowohl eine Lösung "selbst" finden (-> Experte) und sie beim Volk möglichst gut verkaufen.
 
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@Clawg: Im Sinne von dem Wert und Nutzen, den man hier momentan vom Mehrheitswahlrecht hat. Über die rechtsstaatliche Ordnung innerhalb des Landes möchte ich mich mal nicht zu sehr beschweren, auch wenn es da auch Defizite gibt oder gab (nicht allzu erfolgreiche Verfolgung alter Nazieliten z.B. und unverzeihliche Aktion imho mit den Panzerverkäufen, das hat mit unseren angeblichen Werten nicht viel zu tun).

@Shani: Sicherlich managed er das Resort. Trotzdem finde ich, dass er darin ein Experte sein sollte, ohne dass ich Abstriche bei seinen Führungs- und Moderationsfähigkeiten machen wollen würde. Nichts anderes als große Ausnahmetalente in beiden Punkten würde ich auch gerne in solch wichtigen Stellungen sehen.
Und wie sieht das demokratische Gegenstück zur Expertokratie aus? Der Minister und Experte könnte das Problem in der Öffentlichkeit erläutern, dann könnte man diskutieren.

Was die Wahl von Parteifiguren angeht, natürlich muss die Partei danach hinter ihm stehen, bzw. die Aktion ist gescheitert, wenn sie es nicht tut. Aber man kann doch auch hinter jemandem, wenn man jemand anderen besser gefunden hätte (was man doch auch tun kann, ohne dass derjenige zur Wahl stand). Im Gegenteil: Würde eine Kampfkanditatur ernsthaft bedeuten, dass die Partei danach mit dem Sieger dieser Wahl nichts anfangen kann, würde das ein armseliges Bild aller teilnehmer abgeben. "Wir haben diskutiert, wir haben abgestimmt, danach wird jemand akzeptiert" ist für mich ein viel besseres Signal als: "Würden zwei zur Wahl stehen, kämen unsere Mitglieder damit nicht klar, wir können ihnen nur einen zumuten, mit der Wahl kann keiner umgehen".
In dem Beitrag stand ja auch gerade: "Besser die Partei einigt sicht."
Aber tut sie das? Wenn nur einer aufgestellt wird, sieht es doch eher danach aus: Die Spitze einigt sich, die Partei darf abnicken (Einigung ist mit Diskussion verbunden, so sieht es eher aus, als ob die Partei geeinigt werden muss).

Und die Meinung eines Parteienforschers interessiert mich natürlich. Das bringt sicher Kenntniss und Erfahrung in die Diskussion, ich selbst hatte noch keine Möglichkeit mich mit einem Parteienforscher auszutauschen.
 

Tür

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Wir lassen das "definiere"-Spiel sein. Danke.
 
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Hö? Eine Partei überlegt sich eine Lösung für ein Problem z.B. Steuererhöhung um 50% zum Abbau der Staatsschulden. Und wenn sie dann gewählt werden, machen sie das (hoffentlich :ugly:).
D.h. eine Partei muss sowohl eine Lösung "selbst" finden (-> Experte) und sie beim Volk möglichst gut verkaufen.

Um im Beispiel zu bleiben: Wenn die Partei sich das überlegt hat, kann auch ein Arzt oder Taxifahrer Minister werden, er muss ja nur aufpassen, dass seine Untergebenen umsetzen, was die Partei, das Volk beschlossen haben, die Steuererhöhung in dem Fall. Ein Experte auf dem Fachgebiet müsste er ja nur sein, wenn er selber die (seiner Meinung nach) beste Lösung suchen muss und die dann umsetzt, was undemokratisch wäre. Insofern widerspreche ich Dir nicht, sondern Du hast mich missverstanden.
 
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Ein Experte auf dem Fachgebiet müsste er ja nur sein, wenn er selber die (seiner Meinung nach) beste Lösung suchen muss und die dann umsetzt, was undemokratisch wäre.
Ok, das leuchtet ein.
Aber die Wahl zur Griechenlandrettung und zu den Militäreinsätzen in Nordafrika muss ich wohl verpasst haben :ugly:
 
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Tja relativ gesehen haben wir es ja noch gut hier...was mich bzgl Demokratie am meisten geschockt hat, waren die letzten EU-Wahlen...nicht in Bezug auf die deutschen Parteien, aber in anderen Ländern (ua UK, wenn ich mich Recht entsinne), sind einige Parteien nach dem Motto angetreten "welcher Fraktion wir beitreten, entscheiden wir nach der Wahl"...stell dir vor du machst nen Kreuz auf deinem Wahlzettel und weißt dann nicht mal, ob du SPD oder CDU gewählt hast :ugly:
 
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Ein Experte auf dem Fachgebiet müsste er ja nur sein, wenn er selber die (seiner Meinung nach) beste Lösung suchen muss und die dann umsetzt, was undemokratisch wäre.
Warum wäre das undemokratisch?
Demokratie bedeutet nicht, dass ein abgeordneter oder minister tun muss, was die leute wollen.

Ihr Einkommen und damit ihr leben hängen stark davon ab das sie gewählt werden und wenn mit Ehrlichkeit beim Volk nunmal kein Blumentopf zu gewinnen ist, ja meine Güte dann müssen sie lügen.
Das ist kein fakt. Ich denke, dass ehrlichkeit unterschätzt wird, auch von politikern. Das heißt nicht nicht, dass man dem volk seine meinung zu allem aufs maul binden sollte, aber ich bezweifle, dass betrügen nötig ist, um als politiker erfolg zu haben, auch wenn viele politiker das glauben.
 
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Clawg

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Fazit für mich:
Ich kann eine Partei wählen, aber ich weiß nicht, was sie tun wird. Ich weiß nicht wirklich wieviele und welche Leute eine konkrete Entscheidung bestimmen und welche persönlichen Umstände sie dabei beeinflussen. Ich kann höchstens den Kreis der Personen bestimmen, in denen diese Entscheidungsträger sitzen und welche Grundsätze ihre Parteien haben (eher unbefriedigend). Ich sage nichtmal, dass ihnen diese Grundsätze nichts bedeuten würden, aber was letztlich aus meiner Stimme und Vertretung wird, ist für mich nicht durchschaubar.
Mir ist völlig klar, dass ein Wahlprogramm nicht immer umgesetzt werden kann, weil sich Umstände auch ändern können und Koalitionskompromisse eingeganben. Aber es gibt eben mehr Einflüsse als diese zwei, die ich mal als zulässig ansehe. Ich ziehe hier nochmal die FDP heran (von der ich viele Grundsätze super finde):
Von den Programmpunkten die mir zusagten hat die FDP nach 2009 nur Löschen statt Sperren ordentlich vertreten. Was ist aus Bürokratieabbau, Vereinfachung des Steuersystems (was ja nicht zwangsläufig Senkung heißen muss) und weiterem Ausbau von Freiheitsrechten der Bürger geworden? Ich sehe nur die scheinbar gekaufte Hotelsteuersenkung und gescheiterte Debatten über Steuersenkungen. Tolles Ergebnis der Wunschkoalition und des großartigen Wahlerfolges.

Über die Mitschuld von Presse und Wählern an der Misere habe ich auch Thesen, aber vielleicht bietet das hier erstmal einen Diskussionsansatz.

Wie schätzt ihr die Lage ein?

Demokratie besteht nicht nur aus einmal alle paar Jahre zur Wahl gehen. Demokratie besteht aus miteinander diskutieren, Gemeinsamkeiten finden und Konflikte loesen. Findet man eine Partei interessant, kann man ausserdem dieser beitreten und dort den Kurs der Partei mitbestimmen.

Was du anscheinend willst, ist eine Partei die nach festen Prinzipien vorgeht und deren Parteimitglieder lediglich Ausfuehrende dieser Prinzipien sind. Das scheitert im Wesentlichen an zwei Punkten:

- Eine Wahl einer Regierung laeuft in zwei Schritten ab. Im ersten Schritt teilt sich die Bevoelkerung in Gruppen (Parteien) auf, im zweiten Schritt werden zwischen den Parteien Kompromisse geschlossen um eine Regierung zu bilden. Das Parteiprogramm wird also zwangsweise angepasst.

- Eine Partei kann mittel bis langfristig nur soviel ihres Programms umsetzen, wie sie Stimmen erhalten hat. Heute ein Gesetzesentwurf durchzubringen, der morgen schon wieder von der Opposition verworfen wird, ist deshalb nur schwierig moeglich.

- Es gibt keine Partei, der man feste Prinzipien zuschreiben koennte, die grundlegenden Parteilinien aller Parteien sind schon in sich widerspruechlich, was letztlich zu Willkuer fuehrt (d.h. es setzt sich die Gruppe in der Partei durch, hinter der die groesste Initiative steht (Tagespolitik, wirtschaftliche Interessen, persoenliche Interessen der Politiker)).

Der letzte Punkt ist der Wichtigste. Es gibt in Deutschland diesbezueglich einfach keine Kultur. Es wird in den meisten Faellen rein auf Basis des (kurzfristigen) Ergebnisses entschieden. Laengerfristige Ueberlegungen - Prinzipien - gibt es kaum.
 
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Demokratie bedeutet nicht, dass ein abgeordneter oder minister tun muss, was die leute wollen.

Genau, eine Partei überlegt sich eine Lösung für ein Problem, und wenn sie dann von den Menschen gewählt wird, muss der zuständige Minister dieses Problem auf diese Weise lösen. Oder eine andere Lösung entwickeln (lassen) und in der Partei durchsetzen. Er entscheidet aber nicht autonom, für sich im stillen Kämmerlein, was seiner Meinung nach das beste wäre, und setzt das dann um. Dafür müsste er Experte sein, für das Umsetzen/Durchsetzen braucht er eher Führungsqualitäten.
Ich streite natürlich nicht ab, dass es hilft, wenn der Minister etwas vom Fach versteht...
 

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Ein Experte auf dem Fachgebiet müsste er ja nur sein, wenn er selber die (seiner Meinung nach) beste Lösung suchen muss und die dann umsetzt

Das sehe ich etwas anders. Ein Ministerposten ist da imo ganz gut mit dem Managerposten in einem großen Konzern vergleichbar. Der Manager ist auch kein Experte für alles was im Unternehmen passiert schon gar nicht wenn es um speziellere Fragestellungen geht. Aber er hat einen guten Gesamtüberblick und ausreichende Kenntnisse der jeweiligen Bereiche um Entscheidungen treffen zu können. Und so sollte es auch beim Minister sein. Ich mein selbst wenn der Herr Rösler nen erstklassigen Beraterstab hätte, was bringt das wenn er ihre Vorschläge kaum nachvollziehen kann? Und wie soll er ne Entscheidung treffen wenn er 2 verschiedene Lösungsvorschläge vorgesetzt bekommt? Und der Beraterstab selbst ist ja schon das nächste Problem. Die wirklichen Top Leute ihres Fachgebietes gehen nämlich alle in die Wirtschaft weil da die Bezahlung besser ist. Die Berater der Politik sind überwiegend nur 2te Wahl was dazu führt das die Politik sich immer wieder mit externen Experten, zb von den Banken zusammensetzen muss weil ihre eigenen Berater nicht ausreichen. Und das das nur zu problemen führen kann sollte klar sein. Die Banken werden bei der Beratung nämlich in erster Linie die eigenen Interessen verfolgen.

Niemand sagt das ein Experte immer das richtige macht. Aber die Wahrscheinlichkeit das vernünftige Entscheidungen getroffen werden ist bei nem Experten deutlich höher als bei nem absoluten Laien.

Um vernünftig arbeiten zu können muss eine Regierung unabhängig sein. Was sie für entscheidungen trifft sollte nicht von externen Einflussfaktoren abhängen. Und davon sind wir soweit entfernt wie es nur geht. Die Regierung ist von den Wählern abhängig, von den Geldgebern ihrer Partei, von externen Beratern und und und. Und alle können sie maßgeblich beeinflussen was die Regierung macht und das natürlich immer mit Blick auf den eigenen Vorteil. Da hat die Regierung doch gar nicht mehr die Möglichkeit das richtige zu machen sofern das richtige einer dieser Lobbygruppen nicht passt.
 
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Das sehe ich etwas anders. Ein Ministerposten ist da imo ganz gut mit dem Managerposten in einem großen Konzern vergleichbar. Der Manager ist auch kein Experte für alles was im Unternehmen passiert schon gar nicht wenn es um speziellere Fragestellungen geht. Aber er hat einen guten Gesamtüberblick und ausreichende Kenntnisse der jeweiligen Bereiche um Entscheidungen treffen zu können. Und so sollte es auch beim Minister sein.

Gutes Beispiel. Dieser Mehdorn, ein bekannter und angeblich guter deutscher Manager. War bei einem Flugzeugbauer, dann bei einer Druckmaschinenfirma, dann bei der Deutschen Bahn, jetzt bei einer Fluggesellschaft.
Der Minister muss sozusagen nur die Manager managen. Wenn Du Dir anschaust, was Minister alles so machen... es gibt dann "Untermanager", die im Thema drin sind und die das machen, was Du forderst, dass ein Manager machen muss. Der Minister wird dann von denen informiert und kann bei Anne Jauch oder im Bierzelt oder in Guatemala erzählen, was auf seinem Zettel steht.

Wie gesagt, es schadet nicht, wenn der Minister sich ein bisschen auskennt, je mehr, desto besser, und oft wird auch danach der Posten besetzt. Aber eben nicht immer.
 
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