Volksentscheid in Hessen zur Schuldenbremse

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In Hessen gibt es am 27.03.2011 eine Abstimmung darüber, ob die hessische Landesverfassung geändert werden soll:

Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen
(Aufnahme einer Schuldenbremse in Verantwortung für kommende Generationen -
Gesetz zur Schuldenbremse)
Vom…
Artikel 1
Die Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 (GVBl. S. 229, GVBl. 1947 S.
106, 1948 S. 68), zuletzt geändert durch Gesetze vom 18. Oktober 2002 (GVBl. I S. 626,
627, 628), wird wie folgt geändert:
1. Art. 141 erhält folgende Fassung:
„Artikel 141
(1) Der Haushalt ist ungeachtet der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung des Landtages
und der Landesregierung grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen.
(2) Artikel 137 Abs. 5 bleibt unberührt.
(3) Bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung kann von
Abs. 1 abgewichen werden. In diesem Fall sind die Auswirkungen auf den Haushalt im
Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen.
(4) Bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle
des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, kann von
Abs. 1 abgewichen werden. Die Abweichung ist mit einer Tilgungsregelung zu verbinden.
Die Kredite sind binnen eines angemessenen Zeitraums zurückzuführen.
(5) Das Nähere bestimmt das Gesetz.“
2. Art. 161 erhält folgende Fassung:
„Artikel 161
„Artikel 141 in der ab dem (einsetzen: Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes) geltenden
Fassung ist erstmals für das Haushaltsjahr 2020 anzuwenden. Bis dahin ist Artikel 141 in der
bis zum (einsetzen: Datum der Verkündung dieses Gesetzes) geltenden Fassung anzuwenden.
Der Abbau des bestehenden Defizits beginnt im Haushaltsjahr 2011. Die Haushalte
sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe des Artikel 141 Abs. 1 in der
ab dem (einsetzen:Datum des Inkrafttretens dieses Gesetzes) geltenden Fassung erfüllt
wird.“
Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

http://www.medienzentrum-wmk.com/meinhard2/images/stories/wahl/gesetzvolksab.pdf

Also insbesondere (1) der Haushalt muss ohne Kredite auskommen, in (3) gibt es großzügige Ausnahmeregeln. Die Erfahrungen insbesondere aus den USA, aber auch mit den Stabilitäts- und Wachstumspakt legen aber nahe, dass Ausnahmeregelungen zu ungezügelter Kreditaufnahme durch Politiker führen. Deshalb mag ich die Fassung des Gesetzes oben nicht.

Ich stelle mir nun aber folgende juristische Frage:

In Artikel 109 GG steht

Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus
Krediten auszugleichen. Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung
symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden
konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder
außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die
staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. Für die Ausnahmeregelung
ist eine entsprechende Tilgungsregelung vorzusehen.

Also ich würde das so verstehen: Die Schuldenbremse gilt für die Länder. Wenn ich bei der Volksabstimmung auf die Frage "Stimmen Sie diesem Gesetz zu?" mit Ja stimme, dann gebe ich den Politikern also lediglich zusätzliche Ausnahmen. Wenn ich Nein stimme gilt die Schuldenbremse ohne Ausnahmen. Korrekt?


Die politischen Parteien machen hier nämlich Werbung nach dem Motto, dass sich die Schulden begrenzen wollen usw.. Aber so wie ich es oben verstehe, wäre das ja grobe Irreführung...
 
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naja in dem GG-Artikel steht doch auch von Notfällen und so, afaik werden in vielen Bundesländern ja auch dauernd "Notfallhaushalte" durchgewunken mit irgendwelchen Begründungen...von daher seh ich da erstmal nicht sooo den großen Unterschied
 
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Wo steht da was von Notfällen? Da steht doch nur, dass die Länder entsprechende Regeln erlassen können.

Schlussendlich muss es doch irgendeinen Sinn haben, dass auch in die Landesverfassung reinzuschreiben...
 
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naja dann kann es ja auch sein, dass es in Hessen bisher auch schon irgendeine Form von "Regelung" gab...nur eben nicht in der Verfassung, sondern als "normales Gesetz"
 
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yo, also für mich klingts auch nach ziemlicher abzocke-abstimmung, aber ich kenne da auch die hintergründe zu wenig. würde mich aber auf jedenfall mal interessieren was sich dann GENAU ändert.
 
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Hab gerade mal etwas gegooglet und diesen recht interessanten Link gefunden.

Es schient also wohl in der Tat so zu sein, dass die Schuldenbremse (ab 2020) eh für Hessen gilt und sich die Parteien nur a) gegen ein mögliches Urteil des Verfassungsgerichts absichern wollen (es ist möglich, dass die momentane Schuldenbremse zu tief in die Kompentenz der Länder eingreift) und b) um sich (wie der Bund) Spielraum bei schlecher Konjunktur zu sichern.

Bin da jetzt nicht sicher, was ich davon halten soll. Ich bin für die Schuldenbremse und wollte auch mit ja stimmen aber macht das Sinn? Okay, es wäre vielleicht ein Zeichen für einen Sparkurs und würde verfassungsrechlichen Problemen zuvorkommen aber es besteht schon die Gefahr, dass das zum Gummi-Paragrafen wird.
 
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Also nach meinem (beschränkten) juristischem Verständnis schlägt Bundesrecht doch eh Landesrecht. D.h. solange die Schuldenbremse aus dem Bund auch für die Länder gilt, dann sind eventuelle Eigenregelungen irrelevant. Daher macht es Sinn für ja zu stimmen, da es dann in jedem Fall eine Regelung gibt. Gibt es hier im Forum einen Juristen, der sich mit sowas auskennt?
 
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Gunseng, der TE hat die entscheidenden Passagen doch schon gespostet.


Schuldenbremse (Artikel 109)

Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus
Krediten auszugleichen.

Das wars.


Allerdings darf das jeweilige Land noch zusätzlich:
Bund und Länder können Regelungen zur im Auf- und Abschwung
symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden
konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder
außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die
staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. Für die Ausnahmeregelung
ist eine entsprechende Tilgungsregelung vorzusehen.

Genau das macht Hessen jetzt.

Wenn ich bei der Volksabstimmung auf die Frage "Stimmen Sie diesem Gesetz zu?" mit Ja stimme, dann gebe ich den Politikern also lediglich zusätzliche Ausnahmen. Wenn ich Nein stimme gilt die Schuldenbremse ohne Ausnahmen. Korrekt?
Sollte man meinen, aber die Politker werden wahrscheinlich das ganze anders interpretieren. Jede Nein-Stimme wird aus deren Sicht eine Stimme gegen die Schuldenbremse als solche sein und nicht gegen die Ausnahmen. Was mich in diesem Zusammenhang auch etwas verwundert ist wie wenig die Bevölkerung wohl über das informiert wird, worüber sie eigentlich abstimmen soll. Normal ist das für einen Volksabstimmung nicht. Naja, vieleicht ändert sich das noch, aber zur Zeit gewinnt man doch den Eindruck, dass da die Politik die eigene Bevölkerung ziemlich veräppelt .Da wird die Verfassung geändert und die Bürger wissen nicht einmal warum :/ .
 
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lol jo, die politik veräppelt die bevölkerung, die neuheit des jahres ; D
 
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Klärt auf wen ihr könnt, mit nein zu voten.

Schulden wir der Demokratie.


Cheers
 
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Ich stelle Ahnungslosigkeit allenthalben fest :(

Aber der Beitrag von Jaemal hilft weiter, vielen Dank!
 
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