Original geschrieben von HeatoR
warum fasse ich es als positives recht auf? vielleicht sehe ich es ja auch als naturrechtliche selbstverständlichkeit an, genauso wie unantastbarkeit der menschenwürde. ( die im übrigen sehr eng mit der persönlichkeitsentfaltung zusammenhängt )
Sry, ich meinte positive
Freiheit, nicht positives Recht.
Original geschrieben von HeatoR
erfahrung ist vorausgesetzt, weil man keine aussagen über bestimmte dinge treffen kann, ohne sie selbst erlebt zu haben. beziehungen sind da das beste beispiel. du kannst ja der meinung sein, dass deine aussagen universell seien und deswegen keine erfahrung benötigten. das sind sie aber leider nicht, weil es zu solchen themen keine universellen aussagen gibt und nur derjeniger sich an einer diskusion beteiligen kann, der selbst seine erfahrung wiedergeben kann.
Bäh, sry, das Thema ist mir jetzt zu komplex. Ich könnte hier jetzt viel darüber schreiben, dass wir kein "Ding" erleben, sondern nur einen Bewusstseinszustand, dass Bewusstseinszustände intersubjektiv sind, wir sie reproduzieren und konstruieren können, dass dies auch die Basis für Kommunikation ist usw. usf.
Aber machen wir es lieber ganz banal: Natürlich kann ich Aussagen über eine Situation treffen, in der ich nie gewesen bin. Viele Aussagen kann ich sogar ohne Einschränkungen machen, bei einigen wirds problematischer.
Letztlich verlangt das Leben von uns, dass wir Situationen antizipieren und nicht darauf warten, dass ein Versuch fehlschlägt, bis wir uns überlegen, wie es richtig geht.
Wie gut wir das tun, hängt von unseren Fähigkeiten ab. Und die misst man am Besten am Ergebnis: An der Art, auf die wir die Situation meistern und in einer Diskussion natürlich anhand der Aussagen, zu denen wir gelangen.
Und ich sei dir mal über eins im Klaren: Wenn ich es drauf anlegen würde, könnte ich dir und so ziemlich jedem anderen hier nach Belieben Erfahrungen vorgaukeln, die ich nie gemacht habe, ohne dass es je jemand merken würde.
Original geschrieben von Greg
Da wir uns nicht herausnehmen dürfen zu behaupten dass unser aktuelles moralempfinden das einzig richtige und für immer gültige ist, muss auch die gesetzgebung an dieses aktuelle moralempfinden angepasst werden.
Warum muss sie das?
In einem freien Staat regiert doch automatisch und auf ganz natürliche Weise das aktuelle Moralempfinden.
Der Staat sollte kein Moralapostel sein, sondern genau die Grenzen setzen, derer er sich auch sicher sein kann, z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum.
Was ist denn die Konsequenz daraus, dass es für den Staat keine Sittenwidrigkeit mehr gibt? Doch wohl, dass die Gesellschaft diese Sittenwidrigkeit definiert.
Nur weil der Staat die Sitte nicht mehr stützt, wird sie nicht aufgehoben.
Wenn ein Unternehmer z.B. sittenwidrige Arbeitsverträge anbietet, kommt das an die Öffentlichkeit und alle moralisch konsequenten Menschen haben dann die Freiheit, ihn dafür zu ächten.
Wir fürchten uns nur vor der eigenen moralischen Integrität, weil die meisten Menschen sich nun mal einen Scheißdreck um sowas kümmern. Auf dem Wahlzettel und im Parlament fordern wirs, aber auf der Straße leben wir es nicht.
Das ist doch unsere Pseudomoral und wir sind auch noch stolz drauf.
(Und wiederhol bitte nicht das Scheinargument, dass manch einer sich das nicht leisten könne. Damit habe ich mich letztens schon auseinandergesetzt. Es geht hier ja um Sittenwidrigkeit, nicht um Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung - und wenn überhaupt, ist die wohl so marginal, dass sich das nur völlig unsignifikant im Preis niederschlägt.)
Original geschrieben von Greg
Aber sie deswegen entlassen schon? Bzw warum eigentlich nicht auf der Beischlafspflicht bestehen? Sie hat den Vertrag im vollbesitz ihrer geistigen kräfte unterschrieben und wusste worauf sie sich einlässt. Was ausser unserem moralempfinden (--> Sittenwidrigkeit) spricht dagegen die beischlafpflicht durchzusetzen?
Was, außer unserem Moralempfinden, spricht gegen den Holocaust?
Ich teile hier zwischen Moral und Sitte, obwohl mir bewusst ist, dass sie ihrem Ursprung nach dasselbe bedeuten.
Sitte ist lediglich eine Konvention, die geltende Mehrheitsmoral, wenn man so will. Das ist aber in meinen Augen nicht die Moral, auf die sich ein Staat gründen sollte. Ein Staat sollte sich (s.o.) auf die moralischen Normen beschränken, die er mit (annähernd absoluter) Gewissheit aufstellen kann und alles andere den Menschen überlassen.
Diese Normen sind genau die, die es in den hier so beliebten Grundsatzdebatten über die moralische Basis eines Staates herzuleiten gilt. Was darüber hinausgeht, ist relativ beliebig und darf daher nicht in die Hände eines Gewaltmonopolisten gelegt werden.
Hier wird auch sofort der Grund klar: Es ist einfach zu gefährlich. Das Missbrauchspotential ist enorm. Wenn ich als Einzelner unmoralisch handle, ist das unschön, wenn ein Staat unmoralisch handelt, ist es eine Katastrophe. Darum ist bei der Verteilung moralischer Kompetenzen an den Staat stets die allerhöchste Vorsicht geboten.
Zum konkreten Fall:
Sie entlassen, ja, selbstverständlich.
Sie zum Beischlaf zwingen, nein, warum? Trivialerweise aus demselben Grund, weshalb es keine Sklaverei geben darf: weil es keine Freiheit zur Beseitigung der Freiheit geben kann. Das bildet einen Selbstwiderspruch.
Ein Mensch muss im Zuge seiner Freiheit
immer die Möglichkeit haben, von einem vorher gemachten Entschluss (z.B. einem Vertrag) zurückzutreten. Selbstverständlich muss er allerdings seinen Vertragspartner dafür kompensieren. Auf welche Art, gehört im Vertrag selbst festgelegt.
Original geschrieben von Greg
Daher widerspreche ich auch entschieden dass verhältnismässigkeit nur für die allgemeinheit, nicht aber für den einzelnen gelten soll, denn verhältnismässigkeit für die allgemeinheit ist eine leere phrase die praktisch garnicht erst mit akzeptablen ergebnissen umsetzbar wäre: Wenn 50% hungern und 50% im übermaß leben hat statistisch gesehen im durchschnitt jeder was genug zu essen".
Das ist ein sehr komplexes Problem.
Es ist prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, dass Menschen hungern, und trifft auch keine endgültige Aussage über die Qualität des politischen Systems, in dem sie leben.
Zu diskutieren wäre in der Tat, wann es vertretbar ist, dass Menschen hungern, womit wir im Grunde bei der Frage nach Gerechtigkeit wären, weil wir auch fragen könnten: Wann ist es gerecht, dass ein Mensch hungert?
(Erste triviale Antwort wäre: weil er faul herumliegt und sich weigert zu arbeiten.)
Das Thema ist so kompliziert, dass ich es hier ohne absolute Notwendigkeit nicht weiter ausführen will.
Original geschrieben von Greg
Dein vorschlag, z.b. abschaffung des kündigungsschutzes würde dazu führen dass wir eine reine hire & fire mentalität hätten. Unternehmen würden dann nur projektorientiert anheuern und nach ende oder bei korrektur des projekts die leute sofort wieder entlassen. Im Ergebnis machen die Eigentümer des Unternehmens damit mehr geld und der mitarbeiter kann sich nicht mehr auf einen lebensstandard verlassen...
Vielleicht brauchen wir ja genau diese Mentalität.
Es ist in der Tat für die meisten Betriebe so, dass die Auftragslage und damit der Arbeitsbedarf keinesfalls konstant ist. Folglich gibt es Phasen der Über- und Phasen der Unterbeschäftigung.
Ein starrer Arbeitsmarkt, wie wir ihn haben, erlaubt es den Unternehmen nicht, auf solche Phasen mit adäquater Flexibilität zu reagieren. Produktivitätsverluste und Arbeitslosigkeit sind die Folge.
Dein Gegenargument besagt nun, dass diese Verwerfungen das kleinere Übel im Vergleich zur mangelnden Beschäftigungskonstanz für die Arbeitnehmer sind.
Ich mach es mir erstmal einfach, indem ich frage: warum? bzw. diese Behauptung anfechte.
Jetzt hast du zwei Probleme:
1. Du müsstest dich jetzt erstmal sehr explizit dazu äußern, wodurch du überhaupt dieses "Übel" charakterisierst, womit wir im Grunde bei der Grundsatzfrage sind, der ich weiter oben ausgewichen bin: Was ist überhaupt gut und was ist schlecht für einen Staat, für eine Gesellschaft, für einen Menschen?
2. Du müsstest zeigen, dass nach dieser Definition ein unflexiblerer Arbeitsmarkt auch wirklich die bessere Alternative ist.