Tut Glück dem Menschen gut?

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Dieses war eines der vier Themen beim letzten Wettbewerb "Philosophisches Essay". Ich habe teilgenommen, mehr als ein wenig Übung und eine Urkunde sind dabei aber nicht herausgekommen. Meinen Wettbewerbsbeitrag stelle ich ins Forum, bevor er gänzlich vergessen auf meiner Festplatte vergammelt, vielleicht bringt er den ein oder anderen ja zu einem Denkanstoß. Hier kann dann auch über die Fragestellung fernab von meinem Essay, dass nicht für sich beanspruchen will die Wahrheit gefunden zu haben, diskutiert werden.




Tut Glück dem Menschen gut?


Was ist das Glück?


Glück ist das Ziel des Menschen. Würde ich nun genau festlegen, was Glück ist und was nicht, so würde mich der Leser verurteilen und kritisieren, da ich mir angemaßt hätte, in seine persönliche Vorstellung vom Glück eingegriffen zu haben. Außerdem ist die Welt zu umfangreich, um jede einzelne Facette in Glück und Unglück zu unterteilen. Dennoch werde ich in zwei Arten von Glück unterteilen müssen.
Was zeichnet eine Situation aus, in der man glücklich ist? Viele Dinge. Doch feststeht: Man möchte die Situation nicht ändern. Ein Maß für das Glück ist also, dass man den Moment, in dem man sich gerade befindet, nicht ändern möchte, ihn bejaht.
Aus dieser Definition des Glücks geht eine weitere Wahrheit hervor: Das Glück liegt in der Einstellung des Menschen zu der Situation, in welcher er sich befindet. Dies bedeutet: Das Glück liegt nur bedingt in der Situation, viel mehr im Menschen und seiner Ansicht der Situation.
Brot hat die Möglichkeit glücklich zu machen. Ein ausgehungerter Mensch wird es genießen und glücklich sein, während er es isst. Jemand, der verwöhnt ist und dem zum Brot dutzende Alternativen einfallen, wird mit dem Brot nicht glücklich sein. Das Brot ist dabei das gleiche geblieben. Nur die Position der Menschen ist eine andere.
Ich unterstelle nun, dass der Mensch seine Einstellung zu den Dingen, zu den Situationen nicht restlos bestimmen, aber dennoch prägend beeinflussen kann.
Beispiele für diese Möglichkeit sind freiwillig gewählte Askese-Übungen, Meditationen oder die „simple“ Reflektion der eigenen Handlung.

Die Zeit, in welcher wir unglücklich sind, ist geprägt von einem Suchen. Das Suchen nach einem Fehler in uns oder anderen (meist in anderen, so ist das Schuldzuweisen auch einfacher), das Suchen nach einem erfüllenden Zustand, nach einer uns beglückenden Handlung. Das Unglück ruft, allgemein gesagt, zwei Reaktionen vor: Stagnation, Stillstand, Abbruch oder Erforschen, Erfahren, Erfinden. Ersteres ist die Resignation, die Unlust und Unfähigkeit weiter nach dem Glück zu suchen. Das Zweite sind kreative Möglichkeiten, die ein Mensch hat um seinen Zustand zu ändern.

Was ist das Gute? Was „tut gut“?

Was tut dem Menschen gut? Das für ihn Gute. Dieses Gute ist ein weiteres Ziel des Menschen. Worin dieses Ziel liegt, ist erst einmal zweitrangig, solange das Ziel ein aufrichtig gewähltes ist (!) und nicht aus Faulheit, Genügsamkeit, Neid, kurz: aus Schwäche entstanden ist. Das Gute ist ein vom Menschen gelegter Wert, den er durch die Reflektion seiner Handlungsmotive bewertet. Ein weiterer Aspekt des Guten ist die Übereinstimmung mit seinen Mitmenschen. Gegen deren Willen zu handeln, obwohl es die eigene Moralität vorschreibt, ist ein schwerwiegendes Problem.
Durchschnittlich als „gut“ Bezeichnetes sind Werte wie friedvolles Zusammenleben, Beziehungen zu Menschen, Befriedigung primärer Bedürfnisse und Sicherheit.
Ein weiteres und für mich entscheidendes Ziel ist die Weiterentwicklung und Vervollkommnung des Individuums.
Warum Selbstentwicklung? Aus Verantwortung den inneren Pflichten gegenüber.
Ich möchte reflektierter und wissender werden, um die Verantwortung, die ich in mir spüre, erfüllen zu können. Verantwortung habe ich gegenüber meinen Möglichkeiten, gegenüber mir selbst, weiterhin gegenüber meinen Mitmenschen, gegenüber der Gesellschaft.

Diese innere, selbstgewählte Verantwortung zu erfüllen, ist - - - Glück. Doch ist das Glück nur eine Nebenkonsequenz, da jedes erfüllte Ziel in irgendeiner Weise Glück bedeutet. Diese Verantwortung, die der moralische Mensch in sich fühlt, soll im weiteren Essay als das Gute bezeichnet werden.

Das Gute und das Glück

„Was liegt am Glücke! antwortete er, ich trachte lange nicht mehr nach Glücke, ich trachte nach meinem Werke.“ (Also Sprach Zarathustra, Das Honig-Opfer)

Das Werk, im Sinne dieses Essays gleichzusetzen mit der Verantwortungen den eigenen Möglichkeiten gegenüber, scheint Nietzsches Zarathustra mehr als sein Glück zu bedeuten. Warum sollte das Werk über dem Glück stehen?
Auch in diesem Zitat ist das Werk nicht mehr wert als das Glück.
Dies liegt daran, dass das Glück ein Begriff ist, der selten in der oben definierten Form gebraucht wird. Das Glück des Durchschnittbürgers ist für viele Philosophen ein negativ besetzter Begriff.
Reflektiert er denn seine Handlungen? Handelt er denn moralisch? Ist er nicht ein schlecht versteckter Hedonist? So fragen sie und schauen ihn prüfend an, wieder einmal Spielverderber.
Oben wurde geschildert, dass das „wahre Glück“ in der bejahenden Einstellung des Betrachters zur Situation liegt. Doch was ist, wenn die Person die Situation solange wechselt, solange hin und herrennt, den Moment so lange mit dem Hammer bearbeitet, bis die Situation ihr angemessen erscheint?
Das ist Betrug. Betrug am Glück, am Moment. Der Moment will nicht betrogen werden, will nicht gebogen und gebrochen werden, bis er die Person – kurzzeitig – zufrieden stellt.
Und er rächt sich. Die Person wird süchtig nach den Dingen die ein kurzzeitiges, intensives Glücksgefühl vermitteln, süchtig nach gebogenen und gebrochenen Situationen. Welche Dinge können das sein?
Im Prinzip jedes Genussmittel, wenn man sich nur noch zuwider mit einfacheren Dingen ähnlicher Art begnügen möchte. Wer also, nachdem er einmal seinen Traumurlaub auf einer kleinen Insel erlebt hat, jeden Tag in Deutschland verdammt, weil er sich nur noch nach seiner Insel sehnt, ist gescheitert. Er steht in einem zu großen Abhängigkeitsverhältnis zu einer Sache. Seine Arbeit ist für ihn nur noch Um-Zu-Struktur, er arbeitet jeden Tag acht bis zehn Stunden, doch mit welchem Gefühl? Dem des Wartens. Wofür? Damit er am Ende des Jahres für zwei Wochen am Strand liegen kann. Doch nicht einmal im Urlaub wird er noch glücklich sein können, mit derartigen Erwartungen!
Nach einer Woche wird er jeden Tag mit der Gewissheit verbringen, dass es einer seiner letzten „glücklichen“ Tage ist und durch dieses krampfhafte Krallen an das Nicht-Vergehen der Zeit wird jeder weitere Tag in seinem „Traumurlaub“ mehr einem vergeblichen Kampf um Glück gleichen.
Nicht umsonst kursiert die Meinung, dass man nach einem Urlaub unausgeglichener als vorher sei.
Der Hedonist, also der, der nur noch nach Genuss trachtet und eine Rechnung aufstellt, in welcher er festlegt, er möchte für Tat A eine Menge von X Stunden Glück, gibt sich mit dem stillen Glück eines Momentes nicht mehr zufrieden und er beginnt eine Jagd.
Er jagt die großen, die intensiven Momente und gibt alle anderen Momente dafür auf. Er verliert sich also in seiner Suche nach dem Glück. Und anstatt dass er lernt, auch die einfachen Momente zu lieben, was doch das Ziel unseres Lebens sein muss, bekommt er einen immer dumpferen Geschmack, der eine normale Nacht nicht mehr lieben kann, sondern nur noch eine mit Feuerwerk und Feier und lautem Getümmel. Er liebt nur noch auserwählte Momente. Er ist verflucht diesen Momenten sein Leben lang hinterher zu preschen. Dieses „Glück“ tut dem Menschen nicht gut. Denn durch dieses Verirren verliert der Mensch nicht nur Unmengen an Zeit, weil die meisten Momente nur noch „Warten auf...“ sind, sondern auch seine innere Verantwortung, sein Werk, seine Entwicklung, denn danach sehnt er sich nicht mehr.

Das Glück steht nicht über dem Werk, habe ich am Anfang der Seite geschrieben.
Denn: Das Werk, die Verantwortung, die Aufgabe und ihre Erfüllung ist das Glück. Das Glück ist das Gute für den Menschen! Wer an seinem Werk arbeitet, der möchte diese Momente nicht mehr tauschen, der hat aufgehört zu rechnen, der ist erfüllt. Wer aber das Glück sucht, der hat verloren, der ist verloren. Wer die Aufgabe, die Verantwortung sucht und dabei offen für neue Momente und neue Aufgaben bleibt, der tut damit das Gute, der tut sich gut, der ist glücklich.

Wer das Glück verfolgt, dem tut das Glück nicht gut.
Wer seine persönliche Aufgabe bewältigt und über das Glück stolpert, dem tut das Glück gut.
 
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Ein schönes Essay. Gelungen ist auf jeden Fall, die Verarbeitung deines Zitates. Zum Schluss wiederholst du dich nochmal, aber das ist nich sooooo wild, weil dadurch deine Aussage noch mal einleuchtender wird. Dein Aufsatz an sich steigert sich, am Anfang dachte ich mir noch, naja, wenn er so weitermacht... O_o, aber das war eine enorme Steigerung.

Wenn ich aber ein bisschen Kitik üben darf, mir fehlt in deinem Aufsatz die gewisse Weitsicht, das Beleuchten aus mehreren Ecken. Obwohl man sich dann auch auf einen schmalen Pfad zwischen langweilig und Meisterwerk begibt, aber wenn du das letztere schaffst, dann wird es Bombe.

Aber wie gesagt, schon echt nicht schlecht. Interessant wäre es jetzt auch den Gewinneraufsatz mal unter die Finger zu bekommen, um vielleicht auch mal zu sehen, worauf die Jury Wert gelegt hat.
 

Devotika

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Habe nur den ersten Satz gelesen:
"Glück ist das Ziel des Menschen."

Der ist bereits falsch. Rest erübrigt sich dadurch.
 

shaoling

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Das ist ganz schön cool von dir. Und wie du es auch noch so ganz frei heraussagst. Wahnsinn.


[edit]

Wenigstens die Themen finde ich recht interessant.
Ich hätte mich wohl eher für I oder IV entschieden.

Allerdings scheint das ganze recht unorganisiert zu sein. Ich kann nicht mal eine Auflistung der Sieger und ihrer Arbeiten finden.
Lediglich ein Beispiel ist da zusammen mit einzelnen aus früheren Jahren abgebildet. Denn ich hoffe und unterstelle einfach mal, dass dieser Rotz da nicht der Sieger ist.
Als Lehrer hätte ich das Ding auf Klopapier drucken lassen und den Knaben auf Knien angefleht, sich nie wieder zu irgendeinem Thema in Wort oder Schrift zu äußern.
 

Noel2

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Klingt so, als hättest du vor 5 Wochen Neon Geon Evangelion geguckt und dann spontan den Literatur/Philosophie - Kurs gewählt.
 

shaoling

Guest
Ich würde sagen, dass es dem Aufsatz an Struktur und Klarheit mangelt. Dennoch meine ich deutlich das Bemühen zu erkennen, mit Hilfe allgemein gültiger Grundsätze eine eindeutige Antwort auf die Frage zu finden. Das erinnert mich konzeptionell sehr an meine früheren Schulaufsätze.

Wenn ich die Zeit finde, schreibe ich vielleicht ein bisschen mehr dazu.
 
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ich empfehle einen selbstversuch: ess 10 tage lang nichts und geh dann zum bäcker und kauf ein brot und guck mal ob du dann glücklich bist oO


oder um es mit den worten Bölls zu sagen:

"unter Glück das länger als eine Sekunde, vielleicht zwei, drei Sekunden dauert, kann ich mir nichts vorstellen."

oder um es wieder mit meinen Worten zu sagen: klingt nicht so als wärst du jemals glücklich gewesen :/
 
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