Hast Du eigentlich mal überlegt dein Business in Richtung Agentur mit Mitarbeitern zu erweitern?
klar. das coole an meinem beruf ist die volle bandbreite an tätigkeiten. 2008 waren bereits drei feste mitarbeiter mit an bord und zum schluss war ich eben der reine akquise- und projektfritze. war ich beim termin oder auf einer präsentation (meine aversionen gegen jede art von pitch rühren aus der zeit und ich boykottiere sie seit dem), konnte ich am nächsten morgen gleich wieder loslegen, zum nächsten termin gondeln. drei produktive leute brauchen ordentlich projektfutter, damit ihnen nicht langweilig wird. von jemanden, der kreation mit lust und herzblut betrieben hat, bin ich immer mehr zum reinen händler von ideen geworden. im endeffekt mehr in der tasche hatte ich dadurch trotzdem nicht.
das ganze ist ja auch ein prozess. man wächst mit der zeit, bessere und mehr kunden, mehr angestellte, größeres büro, mehr rechner, versicherung und berufsgenossenschaft müssen angepasst werden, die ihk nörgelt rum, weils nur eine toilette gibt.
ein mitarbeiter ist dann gegangen und hat zwei großkunden mitgenommen (passiert einfach und ich sollte mich da als letztes beschweren, hab ich das doch genau so gemacht, als ich 2005 von meinem damaligen arbeitgeber losgezogen bin), die zweite ist schwanger geworden. in der beziehung hats langsam gekrieselt, weil ich um 6.30 im büro war, kram vorbereiten und selten vor 22.00 uhr daheim war und ich hab mich gefragt, für was tu ich mir die scheiße eigentlich an? damit ich behaupten kann, ich führ nen großen laden und das cross-income rechtfertigt die funkelnagelneue e-klasse als firmenwagen? dann kam die scheidung, neuer mitarbeiter hätten an bord kommen sollen und ich hab nen cut gemacht. kunden abgeschoben, mitarbeiter adeiu gesagt, mir gedanken gemacht, wer ich bin und wohin ich will und seit dem gehts mir hervorragend. klar ist das renommee von ner kleinen einmann-bude ein anderes, aber darauf scheiß ich doch mittlerweile. mit anfang zwanzig mag man das ja so sehen. mitte dreißig sieht man das anders.
und eigentlich wars prophetisch. in der situation von 2007/2008 hätte ich den sterbeprozess meiner mum nicht begleiten können. meine fixposten sind im griff, die einnahmen mehr als solide. ich hab meine ansprüche sortiert und mir gehts wirklich prächtig. alles flutscht, alles ist im fluß, ich hab zeit für waldkram, bogensport und so zeitfresser wie mein buch. kurz, ich bin zufrieden. warum sollte ich das opfern? nur für ein "mehr"? damit andere anhand nem dicken auto ihre wertschätzung betreffend meiner person überdenken?
wenn ich in 15 oder 20 jahren ins grab steig (wissen tut mans ja schließlich nie), will ich nicht nur im büro verfault sein. das ist nen toller teilaspekt meines lebens und ich liebe meinen beruf, weil ich verdammt gut darin bin. aber ich werd dem scheiß keinen altar bauen. es gibt wirklich noch anderen kram, jordanien hätte ich 2007/2008 nie gemacht. da wär ich vielleicht auf die malediven geflogen und hätte meine speckplautze zwei wochen am strand in die sonne gehalten.
nönö, ich mag mein derzeitiges leben, wie es ist. studium würd ich gern noch machen, weil ich bock drauf hab und vielleicht bockt mich ja in ein paar jahren noch was anderes, wo es sich als nützlich erweisen mag, sowas in der tasche zu haben. warum auch nicht, ist halt ne herausforderung, die mich reizen würde.
und die sticheleien mit der midlife-crisis sind echt nicht von der hand zuweisen. 2009/2010 hat mich leben nicht direkt angekotzt, aber es war irgendwie lahmarschig eingeengt und vorhergezeichnet. auch die sache mit der scheidung war im nachheinein gut und richtig, auch wenns nicht ohne herzschmerz und tränen vonstatten ging. aber vielleicht braucht man son schmerzmoment, damit man den arsch hochkriegt und nachdenkt und sich von den eingefahrenen marotten befreit und was für einen balast man über die jahre mit sich rumschleppt, ohne drüber nachzudenken, weil man im alltag gefangen ist und weil einen die verpflichtungen (familiäre wie berufliche) die sicht nehmen. man funktioniert halt. ich hab (um einen sprung zu meinem buch zu machen, kaufen! kaufen!) viel von meiner gedankenwelt dem karawanenfürst bratok in den mund gelegt. um die damalige zeit hatte ich das gefühl, das leben eines alten mannes zu leben. ich bin in der branche, seit ich siebzehn bin. herrgott. eigentlich verdammt gruselig und was ich seit alles erlebt hab, würd' sicher drei bücher füllen.