Sterbehilfe

Mitglied seit
25.09.2014
Beiträge
4.852
Reaktionen
1.169
Moralisch offensichtlich das einzig tragbare Urteil. Ärgerlich finde ich:
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Entscheidung des BGH. "So ist der Damm zur aktiven Sterbehilfe gebrochen", sagte Vorstand Eugen Brysch. "Überraschend unterstellt der BGH einer einwilligungs- und handlungsfähigen Person, dass sie ihren Willen selbst nicht umsetzen könne." Damit werde die Tötung durch jemand anderen gebilligt

"Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung das strafrechtliche Verbot der Tötung auf Verlangen de facto aufgehoben", so Brysch. Der Bundestag müsse "das Verbot der Euthanasie in voller Trennschärfe klarstellen". Brysch äußerte die Befürchtung, der gesellschaftliche Druck auf Alte, Pflegebedürftige, Schwerstkranke und Menschen mit Behinderung könne steigen.
Mir verschließt sich schon die innere Logik dieses Arguments: Warum sollte der Druck auf Schwerstkranke höher sein, sich von jemand anderem auf Verlangen töten zu lassen als sich unter dessen Mithilfe selbst zu töten?
Beides läuft darauf hinaus, dass er sich entscheidet zu sterben. Der Unterschied zwischen Selbst- und Fremdtötung betrifft nur die Umsetzung, tangiert den Entschluss selbst aber so gut wie nicht.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

Guest
Ja ist halt dasselbe bei allen "Interessensverbänden". Die vertreten ihren komischen Standpunkt, komme was wolle. Es gibt eh nichts, was die umstimmen könnte. Solche Leute sollte man ignorieren und aktive Sterbehilfe komplett straflos stellen. Jeder kann sich umbringen lassen, wie er lustig ist. Das geht den Staat ebenso einen Scheiss an. Wenn es irgendwo Missbrauch geben sollte, ist das der Job des stA das nachzuweisen. Solange sich aber zwei mündige Erwachsene so verständigen, hat sich der Staat rauszuhalten und fertig.
 

parats'

Tippspielmeister 2012, Tippspielmeister 2019
Mitglied seit
21.05.2003
Beiträge
19.346
Reaktionen
1.345
Ort
Hamburg
Solche Leute sollte man ignorieren und aktive Sterbehilfe komplett straflos stellen. Jeder kann sich umbringen lassen, wie er lustig ist. Das geht den Staat ebenso einen Scheiss an.
Mit dem ersten Teil gehe ich mit. Aber sollten nicht dennoch gewisse Rahmenbedingungen geschaffen werden? Ich kann das rechtlich natürlich nicht beantworten, aber gestaltet sich eine entsprechende Gesetzeslage nicht als etwas zu komplex, wenn die Ausgangslage einfach "jeder kann der will" ist?
 

Gelöschtes Mitglied 137386

Guest
Mit dem ersten Teil gehe ich mit. Aber sollten nicht dennoch gewisse Rahmenbedingungen geschaffen werden? Ich kann das rechtlich natürlich nicht beantworten, aber gestaltet sich eine entsprechende Gesetzeslage nicht als etwas zu komplex, wenn die Ausgangslage einfach "jeder kann der will" ist?
Eigentlich nicht, der gesetzliche Grundsatz steht in Art. 2 Abs. 1 GG - jeder kann grundsätzlich machen was er will. Dann kommen die ganzen gesetzlichen Einschränkungen. Die muss man nur streichen. Ansonsten steht aktiver Sterbehilfe rechtlich nicht viel im Wege. Insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 1 GG, da hier ein Mensch keinesfalls objektifiziert wird, weil gerade im Gegenteil sein eigener Wunsch erfüllt wird.

Ich würde viel eher einen Verstoß gegen Art. 1 GG darin sehen, dass ein Mensch sich nicht beliebig töten lassen kann. Das, so kann man mE argumentieren, objektifiziert ihn zu einem Objekt des Staates, der seinen Wunsch nicht ausleben darf, obwohl er nur ihn tangiert, weil der Staat ihn zum Objekt übergeordneter Interessen macht.

edit: Sorry, abgeschickt bevor der Post rausgeteilt wurde. Könnte der Post plz ins richtige Topic verschoben werden?
 

Benrath

Community-Forum
Mitglied seit
19.05.2003
Beiträge
19.532
Reaktionen
687
Ja Heator muss dann gleich wieder übers Ziel hinausschießen :) wie immer.

Terminale Patienten z.B. sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Aber nur mit psychischen Krankheiten find ich schon schwerer.
Wobei gabs da nicht den Fall der jungen Frau, die auch so massive Probleme hatte, dass man es ihr mit ~30 erlaub hat nachdem alle Ärzte gesagt haben, dass keine Besserung in Sicht sei.
 

Gelöschtes Mitglied 137386

Guest
Terminale Patienten z.B. sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Aber nur mit psychischen Krankheiten find ich schon schwerer.
Moment, ich habe von mündigen Menschen gesprochen! Wenn jemand soweit psychisch krank ist, dass seine Steuerungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist er auch nicht mündig und kann entsprechend nicht wirksam in seine Tötung einwilligen.

Ansonsten will ich keine Einschränkungen haben. Wenn ich morgen beschließe, dass ich keinen Bock mehr habe, darf mir da mE kein Staat reinreden. Und wenn mir jemand helfen will, geht das den Staat auch nichts an. Man darf hier nur nicht zirkulär werden und pauschal behaupten, dass jeder, der nicht mehr leben will, psychisch krank wäre. Aber das ist dann eine Frage für die Psychiater.
 
Mitglied seit
21.10.2008
Beiträge
20.837
Reaktionen
3.747
Ort
München
uneingeschränkt im Besitz der geistigen Kräfte
Das ist extrem schwammig, auch wenn natürlich klar ist, was du meinst. Aber wo zieht man da die Grenze? Da biste dann schnell bei dem Wunsch, eine "offizielle" Bescheinigung, die einem den Vollbesitz der geistigen Kräfte attestiert, zu haben - und damit wieder beim Problem, dass ein Arzt / Gutachter das ausstellen müsste. Jeder Bürger, dem nichts Gegenteiliges attestiert ist, gilt meines Wissens als "mündig" und sollte damit auch das Recht haben, über sein eigenes Leben entscheiden zu dürfen. Wobei es natürlich schon nen Failsafe geben muss bzgl. Depressionen - irgendeine Form von Gutachten wird es daher geben müssen. Wir Deutschen neigen dazu, alles überregulieren zu wollen. Sobald Menschen in Entscheidungsprozesse involviert sind, passieren Fehler. Gerade bei Gutachten. Das muss man aber zu einem gewissen Grad akzeptieren.

Das Argument mit dem psychischen Druck aus dem OP muss man allerdings ernstnehmen. Da sehe ich auch durchaus massives Konfliktpotenzial für die Zukunft. Man denke an den demographischen Wandel - letzten Endes lauert da am Ende eine Grundsatzdebatte über den Wert des Lebens. Richtig gruselig (und natürlich auch sci-fi) wird es, wenn man das alles mit autokratischen Systemen paart. "Sozialverträgliches Frühableben" lässt grüßen.

Grundsätzlich bin ich für aktive Sterbehilfe. Hatte selber genug Fälle in der Familie, wo das von den Leuten absolut erwünscht gewesen wäre. Erinnere mich heute noch mit Grauen daran, wie einer meiner Onkel fast 2 Jahre dahinsiechen musste, bevor sein Herz endlich aufgegeben hat. Der Mann konnte sich nicht mehr bewegen, praktisch nicht sprechen und brauchte rund um die Uhr Betreuung. Zudem hatte er unfassbare Schmerzen - selbst die härtesten Schmerzmittel wirkten irgendwann nicht mehr. Sowas ist mMn Folter.
 

Celetuiw

StarCraft: Brood War
Mitglied seit
01.04.2008
Beiträge
4.673
Reaktionen
1.469
Jeder Bürger, dem nichts Gegenteiliges attestiert ist, gilt meines Wissens als "mündig" und sollte damit auch das Recht haben, über sein eigenes Leben entscheiden zu dürfen.
Da sind wir doch einer Ansicht, darauf zielte ich auch ab. Ich finde das nicht so schwammig.Du?
Wobei es natürlich schon nen Failsafe geben muss bzgl. Depressionen - irgendeine Form von Gutachten wird es daher geben müssen
Ja das ist ein valider Punkt. Vielleicht sollte es eine verbindliche Beratung mit danach trotzdem freier Entscheidung geben, zumindest wenn jmd nicht psychisch krank ist. Ähnlich wie eine Schwangerschaftskonfliktberatung.

Man denke an den demographischen Wandel - letzten Endes lauert da am Ende eine Grundsatzdebatte über den Wert des Lebens. Richtig gruselig (und natürlich auch sci-fi) wird es, wenn man das alles mit autokratischen Systemen paart. "Sozialverträgliches Frühableben" lässt grüßen.
Das ist eine verständliche Sorge, von der m.E. unsere bundesdeutsche Realität davon weit entfernt. Ich maße mir nicht an, dass in allen Facetten bewerten zu wollen, was bei so einer Entwicklung schief laufen kann. Aber ich finde das Urteil des BGH gut, dass die Frau nicht kriminalisiert.
 

Benrath

Community-Forum
Mitglied seit
19.05.2003
Beiträge
19.532
Reaktionen
687
Man darf hier nur nicht zirkulär werden und pauschal behaupten, dass jeder, der nicht mehr leben will, psychisch krank wäre. Aber das ist dann eine Frage für die Psychiater.

Das ist nicht meine Behauptung. Ohne Grund nicht mehr Leben zu wollen ist auf jeden Fall verdächtig. Ob man es immer verhindern muss? Immer wohl nicht aber einfach so unbedingt unterstützen wohl nicht.

Gab da mal die Geschichte in nem und Schweizer magazin, dass die Ehefrau sich gemeinsam mit dem terminale Ehemann das Leben nehmen wollte. Das finde ich schon sehr befremdlich. Mit Kindern und Enkeln...

Kirsche oben drauf war glaub ich, dass sie es dann hinbekommen hat und der Mann nicht und er es dann erst ne Zeit "geschafft" hat
 
Mitglied seit
21.08.2010
Beiträge
7.583
Reaktionen
836
Ich habe eine demenzkranke Person gepflegt und in den Tod begleitet. Ich war extrem froh, dass es eine Patientenverfügung gab in der lebensverlängernde Maßnahmen ausgeschlossen wurden. Hätte es sie nicht gegeben, würde die Person womöglich noch als leere Hülle weiterleben … menschenunwürdig und nur für den Heimbetreiber ein Gewinn.

Wenn man das einmal miterlebt hat, dann kann man meines Erachtens nicht mehr gegen Sterbehilfe sein. Zumindest nicht wenn man gleichzeitig ein einigermaßen gefestigtes humanistisches Weltbild hat.

Todeskampf mit Röcheln und an seinem eigenen Speichel ersticken weil man nicht mehr Husten kann … nicht vergnügungssteuerpflichtig.
 
Mitglied seit
15.08.2000
Beiträge
9.861
Reaktionen
732
Ich finde es unwürdig, wenn man voll pflegebedürftig ist und auf den Selbstversorgungsstand eines Säuglings zurückfällt und wünsche mir für diesen Fall die Möglichkeit eines sauberen Abgangs.
 

parats'

Tippspielmeister 2012, Tippspielmeister 2019
Mitglied seit
21.05.2003
Beiträge
19.346
Reaktionen
1.345
Ort
Hamburg
Wenn man das einmal miterlebt hat, dann kann man meines Erachtens nicht mehr gegen Sterbehilfe sein. Zumindest nicht wenn man gleichzeitig ein einigermaßen gefestigtes humanistisches Weltbild hat.
Das ist natürlich der harte Fall und so ziemlich das Endstadium. Meine Frau arbeitet momentan neben der Ausbildung in einer Demenz WG und dort sieht sie den geistigen Verfall der Bewohner auch schon sehr deutlich. Fraglich wäre aber, ab wann man da in den Bereich der Sterbehilfe kommen würde, weil die Lebenssituation eigentlich zu unerträglich sein müsste.
Das es teils unmenschliche Zustände sind ist keine Frage, da gehe ich mit.. :|
 
Mitglied seit
31.03.2001
Beiträge
26.839
Reaktionen
493
Fraglich wäre aber, ab wann man da in den Bereich der Sterbehilfe kommen würde, weil die Lebenssituation eigentlich zu unerträglich sein müsste.
Man könnte sich ja an den Pflegestufen orientieren, dass man vorher festgelegt hat "sobald ich Stufe x erreicht hab, möcht ich hopps gehen"
 
Mitglied seit
11.09.2002
Beiträge
4.905
Reaktionen
326
Meine Mutter hatte damals eine Patientenverfügung, so dass Tropf und Ernährung über Schlauch etc. ausgeschlossen war.
Ich muss sagen "zum Glück", so ist Sie nur 3 Tage lang verdurstet statt noch länger dahin zu siechen.

Ganz ehrlich: Hätte meine Ma zu dem Zeitpunkt, an dem es nur noch darum ging Morphine auf Knopfdruck zu bekommen um dann wieder weg zu dämmern, den Knopf für die Morphine 3-5 mal drücken können und dann einfach friedlich eingeschlafen mit Überdosis - dann wäre uns allen viel erspart geblieben. Ich habe meine Ma damals kaum wieder erkannt (und ich war jeden Tag dann da).

Ich hoffe dass - wenn es bei mir mal soweit ist - ich alle meine Lieben um mich herum versammeln kann, mich bei allen bedanken, verabschieden und dann zum einem Spaziergang in den Park schicken kann. In der Zeit haue ich mir dann die Überdosis rein und ein Abgang in Würde und ohne Leiden wäre möglich. Natürlich das ganze erst mit 120 oder so - aber bitte nicht so wie meine Ma oder (noch schlimmer) meine Oma. Meine Oma war im Krankenhaus und da waren die noch sehr geizig mit den Morphinen, sie soll sehr viel geschrieben haben am Ende vor Schmerzen...
 
Mitglied seit
28.01.2006
Beiträge
3.934
Reaktionen
30
Als Krankenpfleger in einem Hospiz kann ich euch sagen, dass ich persönlich ein wenig ein Problem mit der Aussage "Jeder Mensch soll sich immer dann umbringen können, wenn er will" habe. Wir sehen es oft bei uns, dass Patienten zu uns kommen und erstmal nach "der Spritze" fragen. "Einen Hund darf man von seinem Leiden erlösen, einen Menschen nicht." ist eine Aussage, die getätigt wird und auch gar nicht so verkehrt ist. Fakt ist aber, dass wir es in den aller meisten Fällen bei guter Pflege, Zuwendung und Symptomkontrolle schaffen, dass sich solch ein Wunsch verflüchtigt und die Menschen noch einige Zeit mit Lebensqualität und ihren Angehörigen haben können. Manchmal reicht sogar einfach eine kurze Sedierung, um eine Nacht komplett durchzuschlafen, um Menschen den Sterbewunsch zu nehmen. Hätten diese Menschen die Möglichkeit gehabt sich "einfach so" zu suizidiere, wären sie und ihre Angehörigen dieser Zeit beraubt gewesen.
Auf der anderen Seite bin ich absolut der Meinung, dass in Extremfällen es auf jeden Fall die Option geben sollte. Allerdings gibt es da bereits die Möglichkeit einer palliativen Sedierung, die aktuell mMn eine sinnvolle Alternative darstellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mitglied seit
02.02.2013
Beiträge
224
Reaktionen
0
@Nilso

Ich finde es klingt schon sehr einfach, wie du es schreibst. Einfach dies und jenes machen und der Sterbewille ist nicht mehr da?

Du schreibst ja auch von guter Pflege (gibt es oft einfach nicht, wenn man nicht reich ist) und Zuwendung (nicht jeder hat Familie/Kinder, die auch öfter als einmal im Jahr an Weihnachten kommen).

Natürlich muss man diesen Sterbewunsch auch prüfen.


Dass da niemand (z.b. Erben) so einfach Einfluss draufhaben können sollte, ist klar.

Aber ich denke, Ärzte sind auch in der Lage zu erkennen, wenn es keinen Sinn mehr macht und das Leben nur noch eine Qual ist und andersrum, wenn jemand noch gute Lebensqualität hat und der Sterbewunsch eher von außen beeinflusst wurde.

Ich würde halt lieber eingeschläfert werden, wenn ich merke, es geht nur noch bergab und es wird nicht mehr bergauf gehen.
 
Mitglied seit
11.09.2002
Beiträge
4.905
Reaktionen
326
...
Auf der anderen Seite bin ich absolut der Meinung, dass in Extremfällen es auf jeden Fall die Option geben sollte. Allerdings gibt es da bereits die Möglichkeit einer palliativen Sedierung, die aktuell mMn eine sinnvolle Alternative darstellt.
palliative Sedierung, oder wie ich oben geschrieben habe: den Menschen beim Verdursten zusehen weil durchgehend in der Sedierung...
 
Mitglied seit
21.10.2008
Beiträge
20.837
Reaktionen
3.747
Ort
München
Ich würde halt lieber eingeschläfert werden, wenn ich merke, es geht nur noch bergab und es wird nicht mehr bergauf gehen.
Ich denke mal, dass die allermeisten Menschen (zumindest fast alle, bei denen ich den Sterbeprozess miterlebt habe) gg. Ende noch so ne Art Kampfeswillen entwickeln. Sterben ist halt doch eher gruselig und man klammert sich an das Leben, da man letzten Endes ja nix anderes hat. Wichtig wäre mir persönlich, in Frieden zu sterben, d.h. mit dem Gefühl, die Menschen, die mir wichtig sind, gut behandelt und ihnen für alles gedankt zu haben.

Bergab geht es letzten Endes schon recht früh im Leben. So richtig rapide dann bei den meisten ab 70. Entscheidend sind mMn am Ende drei Dinge:
1. geistige Fitness - wenn man noch klar im Kopf ist, ist Leben auch mit körperlichen Beschwerden erträglich
2. möglichst wenig Schmerzen - je mehr Schmerzen, desto mehr schlechte Gefühle
3. Erhalt der wichtigsten Sinne u. motorischen Funktionen - v.a. Sehen/Hören und Handkoordination sind ultrawichtig, direkt danach kommt alles, was mit dem Gehen zu tun hat.

Wenn 2 von 3 dieser Punkte erreicht wären, hätte ich, glaube ich, auch keinen Bock mehr auf Leben.
 
Mitglied seit
28.01.2006
Beiträge
3.934
Reaktionen
30
palliative Sedierung, oder wie ich oben geschrieben habe: den Menschen beim Verdursten zusehen weil durchgehend in der Sedierung...
Jo, ich hab deinen ersten Post übersehen. Werde versuchen drauf einzugehen.

Erstmal tut mir leid, was mit deiner Mutter und deiner Oma passiert ist. Sowas sollte niemand durchmachen müssen und meiner Erfahrung nach kann man in den meisten Fällen bei fachmännischer Anwendung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge solche Situationen vermeiden.

Bei deiner Oma ist das offensichtlich auf jeden Fall nicht passiert - das ist leider nicht selten in Krankenhäusern. In der Gesamtbevölkerung, aber leider teilweise auch unter Medizinern und Pflegekräften ist der so genannte "Morphin Mythos" noch weit verbreitet. Wie der Name schon sagt beinhaltet das generelle Missverständnisse über Opiumderivate, die sich über Jahre in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben und dazu führen, dass viel zu vorsichtig mit solchen Medikamenten umgegangen wird. Ich selbst halte Seminare vor Pflegekräften und Schülern, um Missverständnisse aufzuklären, Angst vor großzügiger und angemessener Anwendung zu nehmen und im Endeffekt dann Menschen wie deiner Oma einen angenehmeren Tod zu ermöglichen. Es wird aber langsam besser, vor allem in der jüngeren Generation von Ärzten und Pflegekräften und durch den Ausbau von Palliativ-Diensten.

Das mit deiner Mutter ist eine andere Geschichte. So wie du es beschreibst, ist es keine palliative Sedierung, wie ich sie meine, kenne und anwende. Erstmal ist eine wirklich terminale palliative Sedierung normalerweise so gedacht, dass das Bewusstsein soweit gedämpft wird, dass die plagenden Symptome, die auf sonst keine andere Therapie mehr ansprechen, nicht mehr wahrgenommen werden. Das geht bis zum totalen ausschalten des Bewusstseins.
Ich kann das Vorgehen natürlich mit so wenigen Informationen von außen schwer beurteilen, wie z.B. die Zielsetzung der Therapie war. Eine alleinige Sedierung mit Opiaten ist auf jeden Fall kein aktueller Standard, soviel kann ich sagen. Wenn deine Mutter auch noch unter so viel plagenden Symptomen gelitten hat, dann war die Medikation auf jeden Fall nicht ausreichend und hätte mMn erhöht werden müssen, zumindest sieht es von hier aus so aus.
Das mit dem verdursten ist so eine Sache - woran machst du denn fest, dass sie verdurstet ist?
Generell ist es so, dass am Ende des Lebens Essen und Trinken von alleine eingestellt werden. Hunger und Durstgefühl sind normalerweise nicht mehr vorhanden, wenn doch Durst geäußert und empfunden wird, dann reicht im Normalfall das anfeuchten der Mundschleimhaut. Wie feucht diese ist hat nämlich einen sehr viel größeren Einfluss auf das Durstgefühl als der generelle Wasserhaushalt des Körpers.
Infusionen in den letzten Tagen des Lebens machen normalerweise keinen Sinn, im Gegenteil, sie richtigen häufig Schaden an. Wenn die Niere ihre Arbeit einstellt - und das tut sie irgendwann zwangsläufig, wenn der Körper vergeht - dann kann das Wasser nicht mehr ausgeschieden werden und bleibt im Körper, das heißt im Zweifelsfall sammelt es sich im Gewebe oder sogar in der Lunge an und grade letzteres ist natürlich mehr als nur ungünstig. Außerdem wissen wir, dass der Körper irgendwann im Sterbeprozess Endorphine freisetzt, was jedoch ausbleibt, wenn weiter Wasser und/oder Nahrung 'künstlich' zugeführt wird.

Ich bin auch absolut nicht gegen Tötung auf Verlangen (also aktive Sterbehilfe) oder Beihilfe zum Suizid, es gibt sicherlich Fälle, in denen sowas angebracht ist. Ich wollte damit nur sagen, dass wir schon Werkzeuge haben, die angewendet werden und meiner Erfahrung nach effektiv sind, wenn sie richtig angewendet werden und auch nicht sonderlich weit von Sterbehilfe entfernt sind.

Wenn du noch Fragen oder Bedenken hast, die du vielleicht nicht öffentlich äußern möchtest, dann kannst du mir auch gerne eine Nachricht schreiben, wenn dir danach ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mitglied seit
28.01.2006
Beiträge
3.934
Reaktionen
30
@Nilso

Ich finde es klingt schon sehr einfach, wie du es schreibst. Einfach dies und jenes machen und der Sterbewille ist nicht mehr da?

Du schreibst ja auch von guter Pflege (gibt es oft einfach nicht, wenn man nicht reich ist) und Zuwendung (nicht jeder hat Familie/Kinder, die auch öfter als einmal im Jahr an Weihnachten kommen).

Natürlich muss man diesen Sterbewunsch auch prüfen.


Dass da niemand (z.b. Erben) so einfach Einfluss draufhaben können sollte, ist klar.

Aber ich denke, Ärzte sind auch in der Lage zu erkennen, wenn es keinen Sinn mehr macht und das Leben nur noch eine Qual ist und andersrum, wenn jemand noch gute Lebensqualität hat und der Sterbewunsch eher von außen beeinflusst wurde.

Ich würde halt lieber eingeschläfert werden, wenn ich merke, es geht nur noch bergab und es wird nicht mehr bergauf gehen.

Naja, es ist nicht immer so einfach, aber hilft in vielen Fällen. Das ist einfach die Erfahrung die ich und meine Kollegen über die Jahre gemacht haben. Aber wie gesagt, ich stehe Sterbehilfe auch nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, ich wollte nur darstellen, dass der Prozess gut durchdacht sein muss und es nicht immer alles so einfach ist, wie es scheint.

In Hospizen wird allen Menschen normalerweise eine gute Pflege und Zuwendung zuteil, nicht nur Reichen. Dass Hospizplätze nicht ausreichend sind und es im Rest des Gesundheitssystems ganz anders aussieht, darüber müssen wir nicht diskutieren, das ist vollkommen klar. Aber ich würde dann Vorschlagen das Problem mit einer Reformation des Gesundheitssystems angehen und nicht durch Sterbehilfe.

Und so Aussagen wie "Wenn ich mal in der Situation bin..." kann ich dir aus Erfahrung sagen können gerne getätigt werden, aber wenn es wirklich "ans Eingemachte" geht, dann sieht es häufig schon ganz anders aus und viele Menschen entwickeln einen extrem starken Lebenswillen, der teilweise eine vollkommene Realitätsverkennung zur Folge hat. Ein Kollege von mir, z.B. mit über 20 Jahren Hospizerfahrung, der bei so vielen Menschen am Bett saß und ihnen gesagt hat "Es ist jetzt Zeit loszulassen" hat sich nach seiner Krebsdiagnose, als er schon vollkommen durchmetastastiert war, noch in den OP schieben lassen in der Hoffnung auf Heilung. Von außen und gesund hätte er gesagt, dass die Situation aussichtslos war, aber wenn es ernst wird sieht das doch oft schon ganz anders aus. Er selbst hat immer gesagt "Wie weiß wie wir mal werden" und war selbst das beste Beispiel dafür.
 
Mitglied seit
11.09.2002
Beiträge
4.905
Reaktionen
326
Jo, ich hab deinen ersten Post übersehen. Werde versuchen drauf einzugehen.

Erstmal tut mir leid, was mit deiner Mutter und deiner Oma passiert ist. Sowas sollte niemand durchmachen müssen und meiner Erfahrung nach kann man in den meisten Fällen bei fachmännischer Anwendung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge solche Situationen vermeiden.

Bei deiner Oma ist das offensichtlich auf jeden Fall nicht passiert - das ist leider nicht selten in Krankenhäusern. In der Gesamtbevölkerung, aber leider teilweise auch unter Medizinern und Pflegekräften ist der so genannte "Morphin Mythos" noch weit verbreitet. Wie der Name schon sagt beinhaltet das generelle Missverständnisse über Opiumderivate, die sich über Jahre in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben und dazu führen, dass viel zu vorsichtig mit solchen Medikamenten umgegangen wird. Ich selbst halte Seminare vor Pflegekräften und Schülern, um Missverständnisse aufzuklären, Angst vor großzügiger und angemessener Anwendung zu nehmen und im Endeffekt dann Menschen wie deiner Oma einen angenehmeren Tod zu ermöglichen. Es wird aber langsam besser, vor allem in der jüngeren Generation von Ärzten und Pflegekräften und durch den Ausbau von Palliativ-Diensten.

Das mit deiner Mutter ist eine andere Geschichte. So wie du es beschreibst, ist es keine palliative Sedierung, wie ich sie meine, kenne und anwende. Erstmal ist eine wirklich terminale palliative Sedierung normalerweise so gedacht, dass das Bewusstsein soweit gedämpft wird, dass die plagenden Symptome, die auf sonst keine andere Therapie mehr ansprechen, nicht mehr wahrgenommen werden. Das geht bis zum totalen ausschalten des Bewusstseins.
Ich kann das Vorgehen natürlich mit so wenigen Informationen von außen schwer beurteilen, wie z.B. die Zielsetzung der Therapie war. Eine alleinige Sedierung mit Opiaten ist auf jeden Fall kein aktueller Standard, soviel kann ich sagen. Wenn deine Mutter auch noch unter so viel plagenden Symptomen gelitten hat, dann war die Medikation auf jeden Fall nicht ausreichend und hätte mMn erhöht werden müssen, zumindest sieht es von hier aus so aus.
Das mit dem verdursten ist so eine Sache - woran machst du denn fest, dass sie verdurstet ist?
Generell ist es so, dass am Ende des Lebens Essen und Trinken von alleine eingestellt werden. Hunger und Durstgefühl sind normalerweise nicht mehr vorhanden, wenn doch Durst geäußert und empfunden wird, dann reicht im Normalfall das anfeuchten der Mundschleimhaut. Wie feucht diese ist hat nämlich einen sehr viel größeren Einfluss auf das Durstgefühl als der generelle Wasserhaushalt des Körpers.
Infusionen in den letzten Tagen des Lebens machen normalerweise keinen Sinn, im Gegenteil, sie richtigen häufig Schaden an. Wenn die Niere ihre Arbeit einstellt - und das tut sie irgendwann zwangsläufig, wenn der Körper vergeht - dann kann das Wasser nicht mehr ausgeschieden werden und bleibt im Körper, das heißt im Zweifelsfall sammelt es sich im Gewebe oder sogar in der Lunge an und grade letzteres ist natürlich mehr als nur ungünstig. Außerdem wissen wir, dass der Körper irgendwann im Sterbeprozess Endorphine freisetzt, was jedoch ausbleibt, wenn weiter Wasser und/oder Nahrung 'künstlich' zugeführt wird.

Ich bin auch absolut nicht gegen Tötung auf Verlangen (also aktive Sterbehilfe) oder Beihilfe zum Suizid, es gibt sicherlich Fälle, in denen sowas angebracht ist. Ich wollte damit nur sagen, dass wir schon Werkzeuge haben, die angewendet werden und meiner Erfahrung nach effektiv sind, wenn sie richtig angewendet werden und auch nicht sonderlich weit von Sterbehilfe entfernt sind.

Wenn du noch Fragen oder Bedenken hast, die du vielleicht nicht öffentlich äußern möchtest, dann kannst du mir auch gerne eine Nachricht schreiben, wenn dir danach ist.
Ich denke ich habe es mit meiner Ma nur verkürzt und daher sicherlich etwas falsch wieder gegeben.
Bei meiner Oma wurde (so wurde es mir erzählt, ich war dann nicht mehr bei Ihr) zu wenig Schmerzmittel gegeben.
Bei meiner Ma konnte Sie immer drücken und sich selber eine Schmerzlinderung verschaffen. Das ging am Ende dann aber so weit, dass sie fast keine Phasen mehr hatte, wo sie "klar" war.
Ich weiß es nicht genau, vermute aber, dass sie die letzten 3 Tage dann durchgehend sediert war. Durch Krebs war der Darm zu, d.h. Nahrung konnte eh nicht mehr verarbeitet werden, zuletzt dann Flüssigkeit auch nicht mehr. In der durchgehenden Sedierung hat sie dann also auch nicht mehr trinken können (vorher auch nur wenig, da gab es dann O-Saft mit etwas Eis als es ihr noch etwas "besser" ging).
Ich sage das immer so salopp, dass sie verdurstet ist, da:
1. Sie 3 Tage oder noch mehr nichts getrunken hat
2. Sie total eingefallen war

Für mich persönlich wäre spätestens vor diesen 3 Tagen die Grenze - da wo ich es selber noch kann die "Sicherung" aus dem Schmerzmittel-Gerät herausnehmen lassen und dann selber statt 1 mal direkt 10 mal drücken.

Nur um das richtig auszudrücken: der Umgang mit meiner Mutter im Hospiz war schon 100 Mal besser als der mit meiner Oma im Krankenhaus. Die Menschen im Hospiz haben auch eine wirklich gute Arbeit gemacht um es meiner Mutter so angenehm wie möglich zu machen.

Aber die letzten 3 Tage haben niemandem etwas gebracht. Nicht meiner Mutter die durchgehend sediert war, nicht meinem Vater der dann natürlich jeden Tag bei Ihr war, nicht uns Söhnen die wir auch jeden Tag dann zu ihr gefahren sind (nach der Arbeit bzw. so wie es halt ging)
Verabschiedet hatte ich mich vorher schon von ihr, ich denke die anderen auch - wir haben ihren 60. ja noch groß (also immerhin mit Nachbarn, Familie, Freunde, ca. 30 Personen geschätzt) im Hospiz gefeiert...

Den Tod meiner Mutter habe ich dann knapp verpasst am Ende. Ich war arbeiten, musste ca. 50 Minuten fahren. Mein Pa ruft mich an, dass ich kommen soll. Ich fahre sofort los, komme die Treppe ins Hospiz hoch und sehe einen neuen Eintrag in dem "Verabschiedungsbuch" "Heute am xx.xx.xxxx ist Frau XYZ in Frieden verstorben". Den genauen Wortlaut habe ich nicht mehr vor Augen, nur diesen imaginären Schlag in die Magengegend als ich hoch kam und das gelesen habe. Am Ende fehlten 10 Minuten.
 
Oben