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Hab nochmal ein paar Sachen ergänzt bzw. korrigiert.
Zwischenfrage bezüglich Stamina:
mit schweren Rüstungen wie lange konnte man da kämpfen? 10 Minuten? 30 Minuten? Wieviele gegner konnte man k.o. hauen bevor man selbst sich erholen musste? Gibt es da irgendwo Quellen dazu?
Nein, Quellen gibt es dazu nicht.
Hier und da meinen Schlachtkommentatoren, dass die schwere Rüstung für eine Seite sich nachteilig ausgewirkt hätte. Darauf ist aber nicht viel zu geben.
Wenn man es genau wissen will, ist man auf heutiges Erfahrungswissen mit der Ausrüstung von damals angewiesen. Brauchbare wissenschaftliche Studien gibt es dazu nicht. Es gibt sowas hier:
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/early/2011/07/15/rspb.2011.0816
Die entscheidenden Fragen lässt es aber unberührt und Forscher neigen dann auch gerne dazu, ihre eigene Arbeit für zu wichtig zu nehmen.
Die Entscheidung, welche Rüstung ein Ritter trägt, trifft er nicht aus dem Bauch heraus. Da fließt das Know-how von Generationen von Kriegern und Rüstungstechnik ein. Common Sense legt einfach nahe, dass kein professioneller Krieger eine Rüstung tragen würde, in der er nach wenigen Minuten des Kampfes in Schnappatmung verfällt und das Handtuch werfen muss.
Natürlich hat eine schwere Rüstung auch Nachteile und ist insofern ein Trade-off von Beweglichkeit, Ausdauer und Geschwindigkeit gegen Schutz. Und es mag auch Ausnahme geben, wo sich die Nachteile eher auswirken als die Vorteile.
Aber wie ich schon weiter oben gesagt habe: In der Regel trägt ein Krieger die beste Schutzausrüstung, die er kriegen kann. Und mir ist erst recht kein Fall bekannt, wo Gewappnete ihre Rüstung freiwillig abgelegt hätten, um für einen bestimmten Kampf flinker und ausdauernder zu sein.
Man sollte sich auch immer wieder vor Augen führen, dass selbst eine volle Plattenrüstung nicht mehr wiegt als die Ausrüstung eines modernen Soldaten. Es stimmt (siehe die verlinkte Studie), dass das Tragen einer Rüstung trotzdem anstrengender ist, weil sie die Bewegung einschränkt und die Gliedmaßen belastet. Aber wenn ein moderner Soldat Stunden in seiner Ausrüstung kämpfen kann, ist davon auszugehen, dass auch ein Ritter im Wesentlichen seinen Aufgaben in der Schlacht gewachsen war, ohne dass ihn die Rüstung übermäßig beeinträchtigt hätte.
Pausen bei Schlachten:
Es gab ja bei grösseren Schlachten auch immer wieder Pausen. Warum wurden diese gemacht? wie oft? Und wie gab man das signal dazu' Einfach Trompeten und alle hören instant auf zu kämpfen, stell ich mir ein bisschen unrealistisch vor. Vorallem da Schlachten wahrscheinlich extrem laut waren - Schreie, Rüstungen, Stahl und Kriegshörnern.
Zu einem chaotischen Handgemenge kommt es normalerweise nur unter besonderen Umständen. Charakteristisch ist es höchstens für den Kampf zu Pferde.
Der Mensch hat einen Überlebenstrieb und daher einen natürlichen Drang, im Schutz seiner Mitkämpfer zu verbleiben, damit wenigstens sein Rücken und zum Teil seine Flanken gedeckt sind. Der Kampf findet also im Wesentlichen an einer mehr oder weniger ausgefransten Linie statt, an der sich die Schlachtreihen treffen.
Die allermeisten Kämpfer greifen überhaupt nicht aktiv ins Schlachtgeschehen ein.
Und es sind in der Regel die in den hinteren Reihen, die zuerst die Flucht ergreifen. Der Grund ist ganz einfach: Wenn Du in der vordersten Reihe stehst, versperren Dir Deine eigenen Kampfgenossen den Fluchtweg und sobald Du Dich umdrehst hast Du eine Klinge im Rücken.
Stehst Du weiter hinten, bilden dagegen die vorderen Reihen einen Schutz vor dem Feind, so dass eine Flucht viel größere Aussicht auf Erfolg hat. Eine Flucht geht daher fast immer von den hinteren Reihen aus, wenn dort die Zuversicht schwindet, dass der Feind zuerst flieht.
Was bedeutet das nun für die Kampflänge und die Pausen dazwischen?
Wie ein Zweikampf folgt auch die Schlacht einer natürlichen Dynamik von Stoß und Gegenstoß. Fast immer versucht eine Seite passiv ihre Stellung zu verteidigen, während die andere angreift. Das Ziel eines Angriffs ist es, den Feind aus seiner Stellung zu vertreiben, ihn also in die Flucht zu schlagen. Und den Angreifern bleibt nur eine gewisse Zeit, das zu erreichen. Man kann es sich als einen Test auf die Widerstandskraft vorstellen. Wenn klar wird, dass die Verteidiger nicht weichen und der Angriff ins Stocken gerät, beginnt der taktische Rückzug bzw. die Flucht.
Nun hängt es wiederum von der Geschlossenheit und dem Kampfwillen der Verteidiger ab (und ihrer Mobilität), ob sie den geschlagenen Angreifern nachsetzen und die Entscheidung erzwingen können.
Sind die Verteidiger dazu nicht in der Lage, hängt es von der Organisation und Disziplin der angreifenden Truppe ab, ob sie sich sammeln, neu ordnen und erneut angreifen kann, oder ob Reserven vorhanden sind.
Qualitativ minderwertige Truppen sind nach einem erfolglosen Angriff in der Regel verloren und zerstreuen sich in alle Winde oder lassen sich zumindest nicht zu einem erneuten Angriff motivieren. Andernfalls kann sich das ganze auch in die Länge ziehen. Die Pausen entstehen dabei auf ganz natürliche Weise.
Den zeitlichen Ablauf so einer Schlacht hat man sich in etwa so vorzustellen: Die meiste Zeit geht für die Vorbereitung, den Aufmarsch und das Einnehmen der Schlachtordnung drauf. Dann kann es passieren, dass erstmal keine Seite zum Angriff entschlossen ist und man durch Geplänkel und Fernkampf versucht den Feind zu einem Angriff zu verleiten oder zumindest ihn mürbe zu machen, bevor man selbst angreift.
Entschließt sich dann eine Seite zum Angriff, erfolgt dieser gar nicht selten eher unentschlossen oder schlecht organisiert. Das ist einigermaßen typisch fürs Mittelalter. Es gibt viele Fälle, in denen einzelne Truppenteile voreilig zum Angriff übergehen oder der Angriff bereits im Keim erstickt, weil die Stellung des Gegners zu stark ist und der Kampfwille der Angreifer bereits frühzeitig erlischt.
Wird der Angriff entschlossen durchgeführt und erreicht er die Reihen der Verteidiger, kommt es zu einem kurzen harten Gefecht. Dieser Höhepunkt der Schlacht dauert aber nicht lange, selbst bei großen Schlachten reden wir hier von Minuten, nicht etwa Stunden.
Die mittelalterlichen Chroniken berichten zwar häufig von stundenlangen Kampfhandlungen, aber das ist genauso glaubwürdig wie die Truppengrößen von Hunderttausenden oder gar Millionen, die sich in denselben Quellen finden.
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Ich muss eine Ergänzung für den Ritterkampf vornehmen: Kämpft ausschließlich Reiterei gegeneinander, ist es üblich, dass beide Seiten gleichzeitig zum Angriff übergehen. Der Grund ist ganz einfach der, dass Reiterei nicht in der Lage ist ihre Stellung zu verteidigen. Stehend eine berittene Attacke des Gegners empfangen bedeutet fast immer die sichere Niederlage. Darum reitet man aufeinander zu, und zwar in gemächlichem Tempo, das höchstens kurz vor dem Aufprall erhöht wird. Auch solche Treffen sind in der Regel schnell entschieden.
Ritterkodex oder Hinterrücks abstechen?
Gab es sowas wie ein Ritterkodex auf dem Schlachtfeld sowas wie 1on1 oder konnte man da auch easy durchlaufen und gegnerische Ritter von hinten kurz niederstechen? Oder waren dazu die Knappen da, die einem den Rücken gedeckt haben?
Da gehen die Meinungen der Gelehrten auseinander und es lässt sich auch nicht pauschalisieren.
Grundsätzlich gab es unter Rittern eine Standesehre und es war üblich, einem geschlagenen Feind Pardon zu gewähren. Das hatte auch den Vorteil, dass man ihn gefangennehmen und gegen ein Lösegeld wieder freilassen konnte.
Darin findet sich auch ein Grund, weshalb Ritter oft lieber gegen ihresgleichen kämpften: Es war nicht nur ehrenvoller, man durfte im Falle einer Niederlage auch eher auf Schonung und bei einem Sieg auf Profit hoffen.
Selbstverständlich gilt das nicht für alle Zeiten und Orte. Es kam auch vor, dass man den unterlegenen Feind abgeschlachtet hat. Grundsätzlich ist aber die monetäre Motivation des Einzelnen (auch und insbesondere des Ritters) nicht zu vernachlässigen.
Spätestens ab dem 12. Jahrhundert war es mindestens genauso üblich gegen Sold zu kämpfen wie aus Vasallenpflicht. Oft war der Sold die stärkere Motivation. Es gab gerade im Hochmittelalter eine interessante Vermischung von ritterlich-adeligem Selbstverständnis und Soldkriegertum. Der Übergang vom feudalen Kriegertum zum frühneuzeitlichen Söldnerwesen erfolgte weniger abrupt, als manche Darstellungen es vermuten lassen.