Also "Mein System" einem Anfänger zu empfehlen ist schon etwas gewagt, nicht umsonst gibt es davon eine
vereinfachte Ausgabe, zumal viele der Prinzipien wie z. B. das Überdecken von strategisch wichtigen Punkten heute ob der veränderten Spielweise/Eröffnungen oft nur noch bedingt anwendbar sind.
Die Frage, wie man im Mittelspiel agieren soll, ist eigentlich die Kernfrage für (fortgeschrittene) Anfänger, dementsprechend gibt es auch mehrere verschiedene Ansätze:
- Dogmatisch: Stellungsbewertung und Plan. Du bewertest die Stellung anhand verschiedener Kriterien bzw. versuchst ihr Hauptmerkmal zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Dazu eignet sich oft die Bauernstruktur: Ein isolierter Bauer im Zentrum muß blockiert und dann angegriffen werden, Felder, die von Bauern nicht gedeckt werden können sind schwach und können von eigenen Figuren besetzt werden, nach h2-h3 bzw. h7-h6 kann man mit g2-g4-g5 bzw. g7-g5-g4 oft eine Linie zum König öffnen, etc. Dann gibt es noch die verschiedenen Zentrumstypen (geschlossen, halboffen, offen) mit ihren verschiedenen Plänen (vorrücken, sprengen, isolieren, blockieren), offene Linien/Diagonalen kontrollieren und ausnutzen (z. B. mit den Türmen auf die siebte/zweite Reihe eindringen) usw. "Was ist das Schlüsselmerkmal der Stellung? Welche Vorteile bietet sie mir und meinem Gegner? Wie kann ich meine ausnutzen und die von meinem Gegner verhindern?".
- Nach diversen Prinzipien: Beispielsweise das oben genannte Prinzip der schlechtesten Figur, zwei Schwächen oder Prophylaxe. Stell dir vor, dass du eine Schachmaschine baust und jede Figur von dir Leistung von 0-100% erbringen kann. Identifiziere jene Figur mit der schlechtesten Leistung und überlege dann, wo sie auf dem Brett am besten stehen würde und bring sie dann dorthin - fertig ist dein Plan. Dieselbe Analyse führst du natürlich bei deinem Gegner durch und versuchst, deine - stellungsbedingt, nicht materiell - schwächeren Figuren gegen seine starken abzutauschen (z. B. sind in Stellungen mit blockierten Zentrum Springer oft stärker als Läufer, während dies in offenen Positionen wieder ganz anders aussieht). "Welche Figur von mir steht am schlechtesten? Wo würde sie am besten stehen? Wie kann ich sie dorthin bringen? Welche Figuren von meinem Gegner sind gut, welche schlecht?".
Das Prinzip zweier Schwächen setzt voraus, dass man durch geschicktes Lavieren (= das provozieren von Schwächen) erst eine Schwäche schafft (beispielsweise ziehst du deinen Springer ins Zentrum, er macht einen Bauernzug um ihn zu vertreiben, hat nun aber einen rückständigen Bauern oder ein schwaches Feld), diese festlegt bzw. die Kräfte des Gegners daran bindet und dann das nächste Angriffsziel findet. Irgendwann brichst du zwangsweise durch, weil du eine größere Mobilität als dein Gegner hast. "Wie kann ich eine Schwäche provozieren und dann ausnutzen?"
Prophylaxe bezieht sich offensichtlich auf das Erkennen und Verhindern von gegnerischen Plänen. Das ist auf deinem Niveau nicht so einfach, weil deine Gegner eher planlos/nach Gefühl spielen und es schon etwas Erfahrung braucht, die Intention des Gegenübers zu erkennen. "Was will mein Gegner tun? Wie kann ich es verhindern?".
Abgesehen davon geben viele Eröffnungen den Plan oft schon vor. Im Königsinder blockiert Schwarz das Zentrum und geht direkt auf den weißen König, während Weiß sich durch den Damenflügel frisst, in den aggressiveren Varianten der Sizilianischen Verteidigung wird of auf unterschiedlichen Flügel rochiert mit demselben Wettrennen à la "Wer setzt wen zuerst Matt". Im Damengambit kommt oft der Minoritätsangriff von Weiß am Damenflügel vor (a2-a4, b2-b4-b5, Tausch auf c6, Festlegung der Schwäche mit einem Springer auf c5 [Sc3-a4-c5], Aufbau der Turmbatterie auf der c-Linie oder direktes Eindringen via der nun offenen b-Linie) während Schwarz seine Chancen auf e4 oder dem typischen f7-f5-f4 mit Angriff auf dem weißen König sucht.
Auf deinem Niveau würde ich mich allerdings generell erstmal auf Taktik (z. B. auf
http://chess.emrald.net, allerdings nicht auf Zeit spielen), Variantenberechnung und vor allem Aufmerksamkeit ("Ist eine Figur von mir angegriffen? Kann ich eine Figur von meinem Gegner schlagen?") konzentrieren, weil der Großteil deiner Partien bis zu einem Rating von ~18xx durch diese Faktoren entschieden werden wird. Spiel Partien aus Zeitschriften und Büchern nach, bis du ein Gefühl dafür hast, was die häufigsten Stellungstypen/pläne sind und hol dir dann
Positionelles Schach und
Der selbstständige Weg zum Schachprofi, beide von Dworezki und Jussupow und eigentlich die Standardwerke bezüglich Plan/Strategie und Stellungsgefühl.
Im Internet auf schach.de oder icc.com (beide kostenpflichtig) zu spielen wäre natürlich eine sehr gute Idee, alternativ sind FICS und chess.com kostenlos und relativ gut besetzt.