Roger Eatwell - "Der Dritte Weg"

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Ich würde gerne wissen ob man die soziale Marktwirtschaft als einen "Dritten Weg" bezeichnen kann nach der Faschismus Lehre von Roger Eatwell?

Für alle die es nicht kennen:

4 Punkte des Faschismus

1. Nationalismus
2. Holismus
3. Radikalisierung
4. Der Dritte Weg

Der Dritte Weg soll eine Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus darstellen, also zu Privatisierung oder Vergesellschaftung der Wirtschaft.
Kann man in diesem Rahmen die soziale Marktwirtschaft als einen solchen "dritten Weg" bezeichnen?
 

Clawg

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Nein, weil es nur ein temporärer Übergangszustand ist.
 
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Ok, jetzt haben wir genug polemischen Dreck geschrieben und können auf das eigentliche Thema kommen.
 

Clawg

Guest
Vielleicht solltest du genauer definieren, was du mit "Dritter Weg" meinst.
 
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Korrigiert mich, wenn ich mich irre, aber wird das GEsellschaftssystem in Schweden und co. nicht als Dritter Weg bezeichnet?
 
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Original geschrieben von Clawg
Vielleicht solltest du genauer definieren, was du mit "Dritter Weg" meinst.

Ich zitiere mein Lehrbuch (Geschichte des modernen Japan):

Das Kapitel handelt von der Mimik eines Faschismus in Japan während der Showa-Ära (1926-1945).

[...] Der Dritte Weg schließlich sollte eine Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus darstellen, also zu Privatisierung oder Vergesellschaftung der Wirtschaft, die dazu auf Globalisierung bzw. Internationalismus abzielten.
Dies ging nur über eine nationale Staatswirtschaft. Die Generalmobilmachung war fraglos ein Schritt in diese Richtung. [Anmerkung meinerseits: Mit Generalmobilmachung ist hier die spezielle Investition von Kapital in die Rüstungsindustrie gemeint während des 2. chinesisch-japanischen Krieges] Doch ließ sie sich nur "in Kriegszeiten" durchsetzen, zudem widersprach sie mit ihrer Forcierung der Rüstungsindustrie gerade den physiokratischen Vorstellungen vieler japanischer Faschisten. [...]
 
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Soziale Marktwirtschaft ist an sich nur eine "Variante" der freien Marktwirtschaft, die auf den Kapitalistischen Grundgedanken [Selbstnutz/Eigennutz] beruht.

Wir Leben in einem kapitalistischen Land auf einer kapitalistischen Welt, auch wenn wir durch gesetztliche Regulierungen weit vom Manchasterkapitalismus entfernt sind.

Wenn mit "Dritter Weg" eine Alternative gemeint ist die sich nicht im Spannungsfeld der beiden o.g. Theorien befinden, dann ist soziale Marktwirtschaft sicherlich keine, anders sieht es aus, wenn man jeglichen Kompromiss zwischen den beiden Ideen als Alternative versteht.
 
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Original geschrieben von Cicatriz
Soziale Marktwirtschaft ist an sich nur eine "Variante" der freien Marktwirtschaft, die auf den Kapitalistischen Grundgedanken [Selbstnutz/Eigennutz] beruht.

Genau das waren meine Zweifel an dieser Idee.

Andererseits ist eine Variante auch eine Alternative, weswegen man sagen könnte, dass der "dritte Weg" hier zutrifft. Ich fand die Begründung des Lehrbuchs hier etwas schwammig und habe gehofft, dass vielleicht jemand Roger Eatwell kennt und vlt. die Begrifflichkeit näher erläutern kann ob dies auf eine soziale Marktwirtschaft zutreffen kann.

Evtl. ist es ja auch so, dass diese 4 Regeln des Faschismus speziell auf die Zeit von 1932-1945 bezogen und nicht auf heute übertragbar ist?
 

Clawg

Guest
Der kapitalistische Grundgedanke, mit Kapitalismus als sozialpolitisches Gesellschaftsmodell, ist nicht Eigennutz, sondern das individuelle Recht, im Gegensatz zu gemischten (bzw. reinen) Systemen, in denen Gruppen Rechte zugeordnet werden, die über den Rechten des Einzelnen stehen.

Im Gegensatz zum Kapitalismus ist die soziale Marktwirtschaft auf keinen festen Grundsätzen aufgebaut, es sind sehr viele verschiedene Systeme mit unterschiedlich hohen Abgaben, individuellen Freiheiten usw. in einem solchen Rahmen denkbar. Die soziale Marktwirtschaft steht und fällt also mit der Macht der einzelnen Gruppierungen und ist sehr instabil gegenüber Veränderungen. Rein staatlich gelenkte Wirtschaftssysteme sind stabiler, weshalb, sofern nicht konstant dem Einhalt geboten wird, ein gemischtes System in ein staatengelenktes System abfällt. Der Grund hierfür liegt darin, dass ein gemischtes System darauf aufbaut, Kompromisse zu schliessen. Die größte Gefahr für ein solches System ist deshalb Extremismus, d.h. eine kompromisslose Gruppe oder Bewegung. In einem solchen Fall bleibt nur die Möglichkeit, die Kompromissbereitschaft aufzugeben und Prinzipien festzulegen oder der Bewegung immer weiter nachzugeben.

Deswegen sage ich, dass es nur ein temporärer (kann sich durchaus über mehrere Generationen erstrecken) Übergangszustand ist.
 
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Die Triebfeder des Kapitalismus als Wirtschaftssystem ist Eigennutz, bzw. der Bereicherungsgedanke.
 
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Faschistische Diktaturen oder autoritäre Regime griffen oft auf den Begriff des "dritten Weges" zurück, der eine Überwindung das Spannungsverhältnisses von Kommunismus und Kapitalismus darstellen sollte. In der Praxis war dies allerdings nur eine Verschleierung ihrer (wirtschaftlichen)Herrschaftsform die oft auch (in Italien) als kooperatistisch bezeichnet wurde, meistens aber in dem Führerprinzip im Betrieb oder eine privatwirtschaftliche Trustbildung endete.

In der Faschismusforschung ist es generell eine große Frage, ob es nach 1945 einen Faschismus mit den gleichen Merkmalen (wobei schon die Frage nach einem Merkmalkatalog extreme Streitigkeiten ausgelöst hat) gegeben hat wie vorher, die meisten verneinen das (Eatwell, sieht aber auch nach 45 ähnliche Antwortmuster auf Probleme und würde den Faschismus noch nicht zum alten Eisen legen).

Deshalb ist die soziale Marktwirtschaft oder der New Deal sicherlich kein dritter Weg, obwohl er natürlich auf eine ähnliche Problemlage reagiert hat. Heute von einem dritten Weg zu sprechen ist sinnlos, weil es die reale Opposition von Kapitalismus und Kommunismus nicht mehr gibt.

Man sollte wohl beim dem Gebrauch des Begriffs generell zwischen einer Selbstbezeichunng (Außen und Innenwirkung) der "Anwender" und einer analytischen Differenzierung in Wirtschafts/Herrschaftsformen unterscheiden.

Mir scheint, dass laut deinem Lehrbuch einfach eine "aufholende Modernisierung" unter dem nationalstaatlichen und expansionistischen Paradigma gemeint ist, zumal die echten Faschisten in Japan von der Macht ausgeschaltet wurden.

Kapitalismus hat nichts mit "individuellen Rechten" zu tun, das wäre der Liberalismus und eine bürgerliche Staatsauffassung, die auf der politischen Ebene natürlich enge Verwandtschaft mit dem Kapitalismus im wirtschaftlichen hat.
Zumal der Kapitalismus in Reinform nichtmal ein Übergangsphänomen oder ein Endzustand ist, sondern ein nichtexistenter Sollzustand.
 
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Original geschrieben von Cicatriz
Wenn mit "Dritter Weg" eine Alternative gemeint ist die sich nicht im Spannungsfeld der beiden o.g. Theorien befinden, dann ist soziale Marktwirtschaft sicherlich keine, anders sieht es aus, wenn man jeglichen Kompromiss zwischen den beiden Ideen als Alternative versteht.

die autoritär/faschistischen Verwendungen des Begriffes "dritter Weg" (es gibt sicherlich noch andere, wenn man mal in die damalige dritte Welt oder in neutrale Staaten wie Schweden schaut) würde sicherlich behaupten, dass sie damit etwas eigenes und neues erschaffen. Deshalb wäre es eine Alternative, aber wie gesagt der "dritte Weg" ist ein historischer Begriff und kein analytischer, auch Eatwell verwendet ihn eher auf Grund der Selbstbezeichnung der Regime um deren Problemwahrnehmung/Lösungsansatz zu skizzieren.

Man sollte diesen Begriff nicht einfach als Idealtyp auffassen und dann schauen ob irgendwelche Wirtschaftsformen (z.b.: soziale Marktwirtschaft) darunter fallen.
 

Clawg

Guest
Original geschrieben von OgerGolg
Kapitalismus hat nichts mit "individuellen Rechten" zu tun, das wäre der Liberalismus und eine bürgerliche Staatsauffassung, die auf der politischen Ebene natürlich enge Verwandtschaft mit dem Kapitalismus im wirtschaftlichen hat.
Zumal der Kapitalismus in Reinform nichtmal ein Übergangsphänomen oder ein Endzustand ist, sondern ein nichtexistenter Sollzustand.

Das hängt wohl von der jeweiligen Definition ab, die man verwendet. Da gibt es ja unterschiedliche Auffassungen. Will man Kapitalismus mit politischen Systemen vergleichen, sollte man auch die politische Definition von Kapitalismus verwenden: Kapitalismus ist ein Sozialsystem (d.h. ein System das die Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft regelt), das auf der Anerkennung der individuellen Rechte (Eigentumsrecht) basiert und in welchem es nur Privatbesitz gibt.
 
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