Mutter dreht nach künstlichem Koma durch

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Hi,

Meine Mutter (57) hatte vor knapp 3 Wochen einen schweren Herzinfarkt. Sie wurde im Krankenwagen wiederbelebt, wie lange sie da schon ohne Sauerstoff war, ist nicht ganz klar, es war aber wohl nicht sehr lange. Sie wurde dann im Krankenhaus operiert und danach in ein künstliches Koma versetzt. Das sollte ursprünglich nur ein paar Tage dauern, daraus wurden dann aber fast 2 Wochen, da sie sich bei Aufwachversuchen immer zu stark gegen die Beatmung gewehrt hat. Im Endeffekt wurde dann ein Luftröhrenschnitt gemacht, damit man sie wenigstens aufwecken konnte. Das ging auch extrem schnell für die Lange Dauer des Komas, ihr Körper scheint die Medikamente also gut abzubauen.

Jetzt ist sie seit etwas über einer Woche wach. Sie scheint zu wissen, wo sie ist, wer sie ist, was passiert ist und scheint auch sonst keine gravierenden Hirnschäden zu haben, die Motorik funktioniert halbwegs (schreiben fällt ihr z.B. noch recht schwer, Sachen greifen usw. geht aber, das Gedächtnis scheint ok zu sein), ihre Persönlichkeit scheint grundsätzlich auch wie früher zu sein... Sie kann allerdings durch die fortgesetzte Beatmung noch nicht sprechen.

Nun tritt aber das im Titel genannte Problem auf: Sie dreht komplett durch. Das ist nach schweren Operationen und längerer Zeit im künstlichen Koma zwar anscheinend nicht selten, bei ihr ist aber die Heftigkeit laut Krankenhauspersonal schon extrem ungewöhnlich. Hinzu kommt, dass es bei ihr eher immer schlimmer wird, je länger sie nun aus dem Koma wieder erwacht ist. Die Zeit wo solche Symptome bei den meisten Patienten wieder abklingen hat sie nun schon überschritten und es wird noch von Tag zu Tag immer schlimmer.

Dazu wie sich das äußert:
Am Anfang war sie nach dem Aufwachen nur ein wenig zappelig und wollte die "Handschellen" an den Händen und Füßen loswerden, was ja relativ verständlich ist. Danach hat sie irgendwann - trotz Beatmung - angefangen dauerhaft zu meckern, auch wenn kein Ton rauskommt. Dann kam hinzu, dass sie jegliche Kooperation bei Behandlungen eingestellt hat, sie tut alles, um Behandlungen jeder Art zu verhindern, sodass derzeit nur Behandlungen möglich sind, die keine Kooperation verlangen. Danach ging sie dazu über, bei jeder Gelegenheit das Krankenhauspersonal anzugreifen. Sobald die Fixierungen entfernt werden, wird geschlagen, getreten und gebissen. Das geht dann soweit, dass 3-4 Leute vom Pflegepersonal sie medikamentös ruhigstellen und wieder fixieren müssen... Dann zeigte sie sich plötzlich für etwas mehr als 24 Stunden sehr kooperativ. Die Ärzte dachten daraufhin wohl, dass die Symptome nach dem Koma wie üblich abklingen und haben die Fixierung gelockert, sodass sie zwar nicht aus dem Bett klettern könnte, aber immerhin die Hände ein wenig benutzen kann. Keine 2 Stunden später hat sie sich einen Zugang aus der Halsschlagader gezogen und mit Gewalt das Beatmungsgerät aus der Luftröhre gerissen, dann hat sie Versucht aus dem Bett zu steigen und ist an den verbliebenen fixierungen hängen geblieben. Das musste dann in einer Notoperation wieder in Ordnung gebracht werden, seitdem ist sie wieder vollständig fixiert. Daraufhin hat sie sich dann Nachts mal eben fast selbst die Unterlippe abgebissen...
Wenn man sie besucht, wird sie nach wenigen Minuten so wild, dass man wieder gehen muss, damit sie sich wenigstens ein bisschen beruhigt.

Statt jetzt also von Spezialisten langsam vom Beatmungsgerät und der künstlichen Ernährung entwöhnt zu werden, wird sie nun dauernd von Neurologen, Psychologen und Psychiatern bearbeitet, die aber auch unschlüssig sind, da alle neurologischen Tests keine signifikanten Schäden zeigen und ihr laut den Psychologen sehr genau bewusst ist, wo sie ist, warum sie da ist und was die Behandlungen sollen. Und grundsätzlich will sie den Ärzten zufolge auch gesund werden und nach hause und nicht einfach sterben, den Eindruck habe ich auch immer, wenn ich sie besuche...
Meine Freundin arbeitet seit einigen Jahren beim Sozialdienst eines anderen Krankenhauses und da haben sie so einen Fall wohl auch noch nie gehabt.

Hat jemand schonmal sowas ähnliches erlebt oder ne Idee, was ich in der Situation machen könnte?
Ich bin mit meinen Nerven mittlerweile am Ende, mein Tag sieht derzeit so aus, dass ich morgens 1,5 Stunden bis zu ihr fahre und dann von den Ärzten höre dass ihr verhalten wieder schlimmer geworden ist. Dann besuche ich sie für 10-15 Minuten, bis ich gehen muss weil es nicht anders geht. Dann fahre ich 1,5 Stunden nach Hause und kann mich eigentlich schon drauf einstellen, dass irgendwann das Telefon klingelt und ich informiert werde, was jetzt schon wieder vorgefallen ist...
Keine Ahnung, wie das noch weitergehen soll.
 

Gelöschtes Mitglied 683020

Guest
Hat jemand schonmal sowas ähnliches erlebt
Gottseidank nicht in der Heftigkeit.

oder ne Idee, was ich in der Situation machen könnte?

Da du kein Arzt bist: wahrscheinlich nichts und das für dich selbst die nächsten, hoffentlich überschaubare Zeit, auch akzeptieren und dich daran erinnern müssen, so hart das auch ist. Primär deiner Kontrolle unterliegen juristische oder andere persönliche Dinge, die du in Abwesenheit für deine Mutter regeln kannst, hierfür würde ich mal die Ärtze fragen, ob irgendwas geklärt gehört.
Ansonsten solltest du in erster Linie auf dich selbst aufpassen, in jeder Form, in der es dir möglich ist. Es ist deiner Mutter und sonstigen Angehörigen überhaupt nicht geholfen, wenn du bretthart die nächsten 14 Tage im Marathon läufst und dann im Bett neben ihr endest. Je nach Persönlichkeit und Möglichkeit kannst du evtl. checken, ob du mit deinem Arbeitgeber freie Tage vereinbaren kannst, um den Druck auf dich von Extern zu verringern. Fraglich ist, was die Anrufe der Ärtze bei dir bringen, du kannst schlecht etwas steuern, es wird dich wirklich in jeder freien Minute verfolgen und nur den (sehr nachvollziehbaren, aber rationell irrelevanten) Dran verstärken dauernd zwischen A und B zu pendeln. Auch hier würde ich u.U. darum bitten dich einfach zu briefen, wenn du vor Ort und nicht wenn du zu Hause bist, außer es ist ein tatsächlich medzinischer Notfall.
Ablenkung suchen, selbst wenn es sich verkehrt anfühlt, ist ein paar Stunden am Tag teilweise enorm hilfreich, sei es durch Lesen, Sport oder einfach mit Freunden/Familie reden. Es ist nichts verkehrt auch etwas anderes zu tun.

Hoffe deine Mutter erholt sich zeitnah wieder, bzw. setzt eine Milderung ein. Dir natürlich viel Kraft.
 
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Ich bin tatsächlich vom Amtsgericht schon als Betreuer eingesetzt worden und muss somit jegliche Behandlungen genehmigen, darüber aufgeklärt werden etc. Das Krankenhaus ruft dann an und macht die Aufklärung telefonisch, am nächsten Tag muss ich dann aber zwangsläufig hin und nachträglich unterschreiben. Reine Infoanrufe gibt es eigentlich nicht, allerdings haben sie mich Dienstag mal angerufen, damit ich ihr ihre Brille mitbringe, weil die Ärzte die Vermutung hatten, dass sich ihr Verhalten evtl bessern würde, wenn sie alles besser sehen kann. Die hat sie aber Mittwoch direkt zerstört. Ansonsten gehts da eigentlich immer darum, dass sich das Krankenhaus die Genehmigung für irgendwas holt, was kurzfristig nötig geworden ist.
 
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Klingt im Endeffekt nach einem schweren Delir, was generell im Krankenhaus und speziell nach solch schwerwiegenden Eingriffen häufig ist. Auf Intensivstationen sind teilweise mehr als die Hälfte der Patienten mehr oder minder delirant.
Auch der fluktuierende Verlauf passt dazu, die Symptomatik ist oft tageszeitlichen Schwankungen unterlegen, üblicherweise wird es nachts und wenn die Patienten alleine sind schlimmer. Zwischenzeitlich gibt es auch klare Momente. In machen Fällen können delirante Zustände über Wochen und Monate bestehen.
Normalerweise behandelt man sowas mit Neuroleptika, das wird sie vermutlich auch bekommen (Haldol?).

Ansonsten gilt da vor allem abwarten. Wünsche dir, dass sie wieder auf die Beine kommt.
 
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mal ne dumme frage wenn es ihr ansonsten gut geht, und sie motorisch fit ist, kann sie nicht einfach mal aufschreiben was genau ihr problem ist?
Oder hat sie das schon, und sie hat einen Hass auf alle Mitarbeiter der Klinik (die ihr das angetan haben) oder sowas in der art?
 
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Solche extremen stresssituationen können auch eine Bipolare Störung oder eine einzelne Manische Phase auslösen. Das sollte dann allerdings von neuroleptika weg gehen oder zumindest abklingen. Wenn du wüsstest was deine Mutter genau kriegt könnte man zumindest mal einschätzen wovon die ärzte ausgehen.
 
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@HorstSchlemmer: Du könntest zumindest mal prüfen lassen, ob eine Verlegung in ein Krankenhaus in Deiner Nähe grundsätzlich möglich wäre. Der Fall sieht nun nicht so aus, als bestünde noch akute Lebensgefahr und jedes Krankenhaus mit kompetenter Intensiv- und/oder Überwachungsunit sollte das handlen können. Das hätte einen garantierten Effekt: Du als einer ihrer Anker in einem normalen Leben in das sie hoffentlich bald zurückfindet, brennst nicht innerhalb kürzester Zeit aus. Täglich 3h Fahrtweg für einen kurzen Besuch hält niemand dauerhaft durch, soviel kann ich Dir garantieren. Und ihr ist nicht damit geholfen, wenn Du in 3 Monaten ein psychisches Wrack bist.

Als weiteren Effekt könnte es haben, dass ein Szenariowechsel ihren zwischenzeitlichen "Hass" auf das dortige Krankenhaus samt Personal erstmal resetted. Der ist zwar bisher irrational und kann auch am neuen Behandlungsort jederzeit wieder auftreten, ich habs aber auch schon erlebt, dass ein Tapetenwechsel vom Patienten als total entlastend empfunden wird und allein auf Grund der reduzierten Anspannung (= man ist endlich weg aus XYZ!) bestimmte kritische Phasen - besonders Aggression - seltener auftreten. Auch wenn das neue Setting im Grunde ähnlich dem Alten ist, aber man sieht neue Gesichter, knüpft neue Beziehungen etc. pp..

Im selben Zuge wäre nochmal zu prüfen, ob eine Beatmung und künstliche Ernährung tatsächlich zwingend erforderlich sind. Denn tbh Neurologen, Psychologen und Psychiater die sie bearbeiten sind erstmal kein Grund, jemanden nicht von der Beatmung zu entwöhnen. Wenn sie zwischendurch klare Momente hat, sind diese eventuell geeignet, ihr dort notwendige Medikation und Flüssigkeit auf freiwilliger Basis zu geben. Ohne Druck und Zwang. Kann man probieren solange die Zugänge noch liegen, eine Sonde oder ein i.v.-Zugang bedeutet ja nicht, dass man eine normale Aufnahme nicht probieren kann. Eine künstliche Ernährung wird im KH gern gemacht weils auf der Checkliste steht (und seien wir ehrlich, sehr fix abzuarbeiten ist), aber Hand aufs Herz, der menschliche Körper hält problemlos einige Tage ohne Nahrungmittelzufuhr durch. Auch wenn sie 'ne ganze Woche dann nix essen würde, bringt sie das nicht um solange man mehrfach täglich in guten Phasen die Medis mit 'nem Becher Wasser rein bekommt. Viele Patienten fangen nach Ende einer Beatmung auch von ganz allein wieder an zu essen, weil Geschmack und Geruchssinn wiederkommen und damit der Appetit.

Es gibt auch spezialisierte Beatmungszentren die im Grunde rund um die Uhr nichts anderes tun als beatmete Patienten zu betreuen und ggf. zu entwöhnen. Ich kenne jemanden der dort arbeitet, soll ich Deinen Fall mal an sie weiterleiten und fragen ob ihr dazu was einfällt?
 
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Klassiker; das forum denkt es könne bessere Ferndiagnosen machen als professionelle vor Ort ;)

Wie auch immer - ich wünsch dir echt, dass es besser wird denn das klingt wirklich ziemlich abgefuckt alles :(

Und auch wenn der erste Satz wahr sein mag - natürlich kann eine Idee/Impuls trotzdem helfen.
 
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Mal ein gutes Update:
Bis vor ca. 10 Tagen war keine Besserung in Sicht, das ganze wurde immer absurder. Und dann war quasi über Nacht auf einmal alles in Ordnung. Ich hatte sie am Nachmittag vorher noch besucht, da war alles unverändert. Und dann rief das Krankenhaus mich am nächsten Morgen an und sagte, dass es da quasi eine Spontanheilung gegeben hat und sie auf einmal schon mehrere Stunden normal ansprechbar und kooperativ ist. Das hielt dann auch den ganzen Tag an und seitdem bessert sich ihr Zustand extrem schnell. Sie kann mittlerweile wieder selbst Essen und ist seit gestern schon wieder komplett vom Beatmungsgerät weg und wird jetzt so langsam darauf vorbereitet, wieder zu laufen.
Neurologisch scheint es auch keine größeren Probleme zu geben, von leichten Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis abgesehen (man muss ihr manche Sachen mehrfach erzählen). Sprechen, Lesen, schreiben usw. macht keine Probleme mehr.
Kurios ist, dass sie sich an überhaupt nichts mehr erinnern kann. Sie war zwar ca. 4-5 Wochen wach, kann sich aber nur an die letzten 5-7 Tage erinnern. Selbst an die ersten Tagen nachdem sie wieder normal wurde hat sie absolut keinerlei Erinnerung. Das Datum gehört auch zu den Sachen, die man ihr immer wieder sagen muss, sie geht grundsätzlich davon aus, dass wir gerade Ende Mai/Anfang Juni haben. Auch psychisch scheint sie das ganze gut überstanden zu haben, ihr größtes Problem an der Situation ist im Moment offensichtlich das Krankenhausessen...

Wenn das jetzt weiterhin so schnell geht, kann sie innerhalb der nächsten 1-2 Wochen schon in Reha gehen, irgendwelche bleibenden Schäden sind anscheinend nicht zu erwarten.
 
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Gute Sache. Hoffentlich geht alles weiter so.
Schon erstaunlich, dieses menschliche Gehirn.
 
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Das ist ein erfreuliches happy end! Ist vermutlich ein Segen, dass sie sich nicht dran erinnern kann.
 
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Sehr fein.
Jap. Muss man sich auch nicht dran erinnern, ist vermutlich echt besser so.
 
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