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Es gibt Konzepte oder Verhaltensweisen, die jeder von uns täglich am eigenen
Leib erfährt und die für jeden Menschen fundamental wichtig sind, ohne daß diese
den meisten Menschen bewußt werden.
Eine dieser Ideen ist der abnehmende Hunger bei zunehmendem Essen. Das ist kein
Witz! Dieses Konzept gibt es wirklich in der volkswirtschaftlichen Literatur. Es
heißt nur anders.
Das Prinzip können Sie im Selbstversuch bei einem schönen großen Eintopf testen.
Sie sollten nur darauf achten, daß Sie wirklich hungrig sind. Was fällt Ihnen
beim Essen auf? Z.B. daß Sie beim ersten Löffel Eintopf eine größere
Befriedigung Ihres Hungergefühls empfinden als beim letzten Löffel. Das ist so
banal, daß Sie jetzt wahrscheinlich denken werden, daß dieser Artikel den Gipfel
der Dummheit erreicht hätte. Haben Sie bitte etwas Geduld. Es wird noch besser.
Sie wissen jetzt, was Sie schon immer wußten: der erste Löffel Eintopf trägt
mehr zur Befriedigung des Hungergefühls bei als der letzte. Und was ist mit den
ganzen anderen Löffeln Eintopf, die Sie zwischen dem ersten und dem letzten
gegessen haben? Eigentlich das gleiche, nur in abgestufter Form. Denn schon der
zweite Löffel Eintopf befriedigt nicht mehr so viel Hunger wie der erste Löffel.
Und der dritte nicht mehr so viel wie der zweite.
Wie, das ist logisch?
Diese Idee, daß jeder zusätzliche Löffel Eintopf den Hunger weniger befriedigt
als der vorhergehende, hat einen wissenschaftlichen Namen: Grenznutzentheorie.
Die Vorstellung des abnehmenden Grenznutzens ist, was man in der Ökonomie als
Gesetz oder Gesetzmäßigkeit versteht: ein Prinzip. Ähnlich der Beschleunigung
beim freien Fall, die ein Grundprinzip, zumindest der terrestrischen Physik ist,
gilt die Grenznutzentheorie als Grundprinzip der Wirtschaftstheorie.
Mathematisch formalisiert kann man den Grenznutzen als umgedrehte Parabel
darstellen und man kann damit allerlei Berechnungen anstellen, die zwar zu
keinem Erkenntnisgewinn, aber immerhin zu einem VWL-Lehrstuhl führen könnten.
Erstmals formuliert wurde diese Idee vom Grenznutzen seltsamerweise fast
zeitgleich in den siebziger Jahren den 19. Jahrhunderts von Leon Walras, Stanley
Jevons und Carl Menger. Ich möchte hier schon mal darauf hinweisen, daß die
entsprechenden Schriften dieser Herren nach dem Erscheinen von Karl Marx’
“Kommunistischem Manifest” und dem Band I. seines “Kapitals” erstmals publiziert
wurden.
Und wenn Sie gar keinen Eintopf mögen?
Der Wert einer Mahlzeit hängt für jeden Einzelnen davon ab, ob und in welchem
Ausmaß diese als nützlich empfunden wird. Und das gilt nicht nur für Mahlzeiten.
Es gilt für alle Dinge, daß sie für den Einzelnen nur dann einen Wert haben,
wenn dieser ihm einen Wert zumißt. Wenn jemand eine Sache nicht mag, dann hat
sie für ihn keinen Wert. Carl Menger, einer der drei Grenznutzenentdecker nennt
dies die “subjektive Wertlehre”. Ein Klavier nützt einem Maler weniger als eine
Leinwand und ein Steak ist für einen Vegetarier auch kein Grund zur Freude.
Ach, Sie meinen es sei offensichtlich, daß der Wert einer Sache immer subjektiv ist?
Als Karl Marx sein “Kommunistisches Manifest” und später das “Kapital” schrieb,
gab es weder eine Grenznutzentheorie, noch eine subjektive Wertlehre. Marx
stützte sich bei der Formulierung seiner ökonomischen Theorie immer noch auf die
Arbeiten von Adam Smith. Und diese wiederum basierten auf der Idee, daß eine
Sache ihren Wert durch die Arbeit erhielt, die in sie hineingesteckt wurde.
Etwas hochtrabend ausgedrückt nennt sich diese Vorstellung “Arbeitswertlehre”
oder bei Marx “objektive Wertlehre”.
Was macht eigentlich der Eintopf? Sie haben sich also mit vier Tellern Eintopf
den Bauch vollgeschlagen - wobei Sie den vierten Teller gerade mal noch so
geschafft haben. Das war, würde der Ökonom sagen, der Punkt an dem der
Grenznutzen null war. Der letzte Löffel Eintopf war kein Vergnügen. Er hat
keinen zusätzlichen Nutzen mehr gestiftet. Er hat überhaupt keinen Nutzen mehr
gestiftet. Der Eintopf kann Ihnen jetzt mal gestohlen bleiben, denn Sie wissen,
wenn Sie jetzt noch mehr davon essen, dann würde Ihnen schlecht werden. Der
Grenznutzen würde negativ werden.
Nehmen wir an, Sie haben mehr als vier Teller Eintopf gekocht und es wäre noch
ein Rest von einem Teller im Topf übrig geblieben. Nach marxistischer Theorie
hätte dieser restliche Teller immer noch genau den gleichen Wert wie der erste
Teller, denn die Menge an aufgewandter Arbeit war ja für jeden Teller die gleiche.
Nach Karl Marx könnten Sie jetzt direkt nach dem Essen, obwohl Sie satt sind und
der Eintopf Ihnen Unterkante Oberlippe steht, weiterkochen und Sie würden mit
jedem neuen Eintopf, den Sie kochen, den gleichen zusätzlichen Wert schaffen.
Hauptsache es steckt Ihre Arbeit drin. Ob Sie morgen oder in den nächsten Tagen
überhaupt noch Eintopf sehen können, oder vielleicht lieber einen Hamburger
essen möchten, das interessiert die Marx’sche Theorie nicht, denn nicht Ihr
Hunger ist das Maß für den Wert des Eintopfs, sondern die Menge der Arbeit, die
Sie hineinstecken. Auf die Spitze getrieben, ist es nach der Marx’schen Theorie
vollkommen egal, ob Sie überhaupt etwas Eßbares kochen. Der Wert einer Sache
ergibt sich immer aus der Arbeit, die dafür aufgewandt wurde.
Um es ganz vereinfacht zu sagen: der Unterschied zwischen Kapitalismus und
Sozialismus besteht darin, daß im Kapitalismus der Verbraucher oder Konsument
das Maß aller Dinge ist, während im Sozialismus die Arbeit und damit die
Produktion zur bestimmenden Größe wird.
http://www.achgut.com/dadgdx/index....ael_kastner_marx_und_die_theorie_vom_eintopf/
Fand ich einfach lustig und genial zugleich Was sagt unsere linke Fraktion dazu?