Leben und Sterben einer Drohne

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Die Königin hatte befohlen zu sammeln. Der Overlord berührte den Geist der Drohne. Sie empfing das Bild der Königin und sah ihren Körperbau, der in seiner Form zwar sehr fremdartig und ganz anders als der aller Krieger war, der Drohne aber immer das Gefühl von Liebe und Schutz vermittelte. Die Königin verlangte nach Energie für die Schwarmstöcke und versprach dafür Nahrung. Zusammen mit ihren Geschwistern glitt die Drohne aus den Waben des Schwarmstocks, in denen sie geruht hatten, und strebte auf zahllosen dünnen Beinen den Mineralien entgegen. In der Schwerelosigkeit glitt die Drohne ohne große Anstrengung über den glitschigen Boden zum ersten Kristall und schlug ihre Zangen hinein. Der Anfang war schwer und das Herauslösen der Kristalle kostete viel Kraft, doch die Drohnen des Schwarms waren unermüdlich dabei, die Königin zufrie-den zu stellen.
Sie brachte den ersten Kristall zum Schwarmstock zurück, dessen wartenden Tentakel in ihn Empfang nahmen und ins Innere zogen. Der Overlord vermittelte ihr Zufriedenheit und Ansporn. Als sie zum Mineralienfeld zurückkehrte, vollzog sich der regelmäßige Wechsel, der den Rhythmus ihres Lebens bestimmte: Das riesige, rote Licht verschwand hinter den Mineralien aus ihrer Sicht und das kleine, gelbe Licht erschien hinter dem Schwarmstock. Die Drohne fühlte sich wohl dabei, wie das gelbe Licht ihren Rücken berührte. Aber sie hasste das rote Licht, weil die Königin es hasste. Würde die Königin es befehlen, würde sie zwar dorthin gehen, aber aus den Erinnerungen der Krieger kannte sie auch das Gefühl der Hitze, die dort herrschte, und der stetigen Gefahr. Auf der Plattform hingegen fühlte sie sich wohl, denn hier war die Königin, und auch sie fühlte sich hier wohl. Viele der ältesten Krieger fürchteten ebenfalls das rote Licht, denn bevor die Königin sie von dort geholt hatte, hatte ein anderer ihnen dort nur Schmerz und Hass, aber niemals Zufriedenheit vermittelt.
Der Schwarmstock rief die Drohne. Aus einer der Öffnungen fiel ein eingesponnenes Paket. Der Overlord zeigte der Drohne, dass sie es zu einer anderer Drohne bringen sollte. Sie packte es mit den Zangen und glitt über den weichen Kriecher hinweg zu ihrer geschlechtlosen Schwester. Diese lag flach auf dem Kriecher, der begonnen hatte, sich über ihre Flügel auszubreiten. Die andere Drohne begann von dem Paket zu fressen. Grüne Gaswolken entwichen aus dem Gespinst und blaue Kristallfragmente trieben davon. Das alles sah die Drohne nicht mehr, denn sie hatte sich sofort wieder umgewandt und war zu den Mineralien zurückgekehrt. So sah sie auch nicht, dass der Kriecher ihre sich jetzt stark verformende Schwester völlig bedeckte und mit ihr verwuchs. Sie empfing nur das Gefühl der Zufriedenheit vom Overlord und die Ekstase ihrer Schwester, als sich ihre Adern und Nerven mit dem Kriecher verbanden und sie zu einem neuen Organ der Kolonie heranwuchs.
Als das gelbe Licht hoch über ihr stand und sein Widerschein in den Mineralien die Facettenaugen der Drohne blendete, änderte sich etwas. Ein neues Gefühl. Es kam nicht vom Overlord. Es kam von der Königin. Sie war hier. Sie rief die Drohne und ihre Schwestern zu sich. Sie stand im Schatten des Schwarmstocks und wartete auf sie. Innerhalb weniger Augenblicke umschwärmten die Drohnen die beiden fremdartigen Beine ihrer Königin, die sich hinab beugte und sie sanft mit ihren fremdartigen Klauen an den Köpfen berührte. Die Königin brachte ihnen die Belohnung für ihre Arbeit: Ein riesiger Krieger trug Nahrung heran.
Die Drohne kannte diese Art von Nahrung, die der Krieger an seinen hakenförmigen Krallen aufgespießt trug, als er sich zwischen die Drohnen schlängelte und seine Gabe ablegte. Diese Nahrung war nur an der Außenseite hart und ungenießbar, aber im Inneren weich und nahrhaft. Die Königin befahl zu fressen und die Drohnen öffneten die blaue, harte Schale der Nahrung, um an das rote Innere zu kommen. Dabei ging die Königin zwischen ihnen umher und streichelte ihre Köpfe und Rücken. Die Drohnen zeigten sich untereinander und ihrer Königin, wie zufrieden sie waren. Die Königin belohnte sie mit mehr Zufriedenheit. Durch die starke, andauernde Präsenz der Königin ignorierten die Drohnen, wie viele Krieger im Zustand höchster Aufregung an ihnen vorbeiliefen und -flogen und wie viele andere Drohnen gerade an anderen Orten mit dem Kriecher verwuchsen. Die Königin befahl schließlich, wieder zu sammeln, dann entfernte sie sich. Ihre Anwesenheit hatten die Drohnen sofort wieder vergessen, denn der Overlord zeigte ihnen, dass die Königin nach Energie verlangte und sie dafür belohnen würde.
Die Zeit verging. Die erratischen Gefühle und Bilder, die aus anderen Teilen der Kolonie kamen, drangen kaum zu den Drohnen durch. Einmal spürte die Drohne starken Schmerz, den ein Krieger im Moment erlitt, große Wildheit und Aggression, so dass sie einen Moment lang nicht sammelte, sondern orientierungslos umherirrte. Ein Gedanke des Overlords beruhigte sie wieder.
Plötzlich aber war der Schmerz wieder da. Er flutete über den Geist der Drohne hinweg und blendete sie schlimmer, als es das gelbe Licht je tat. Er kam direkt vom Overlord. Dann spürte sie ihn nicht mehr in ihrer Nähe. Verwirrt versuchte die Drohne, mit ihm Verbindung aufzunehmen. Nur schwach konnte sie ihre Schwestern in ihrer Nähe spüren, aber sie merkte, dass auch sie verwirrt und ängstlich waren. Als sie weiter im Kreis irrte und den Overlord suchte, begann sie die Gefühle der Kolonie zu spüren: Überall waren Schmerz, Wut, Aggression und Angst. In den Kriegern, ebenso wie in den Organen und den Drohnen und…auch in der Königin!
Die Königin war in der Nähe, aber sie spürte Schmerz. Sie rief die Krieger, aber keiner kam. So gut sie konnte, teilte die Drohne ihren Schwestern mit, was sie spürte. Nur wenige reagierten, viele waren zu verwirrt. Dann setzten sich ihre Beine in Bewegung und in einer kleinen Traube glitten die Drohnen über die Boden. Um und über die Drohne herum blitzten weiße Lichter. Etwas zerstörte den Kriecher direkt neben der Drohne, so dass das schleimige Fleisch weg spritzte und Fetzen davon trieben. Der Kriecher sandte das Gefühl von Schmerz an die Drohne, aber der Schwarmstock befahl ihr nicht, die Wunde zu heilen. Sie spürte auch den Schwarmstock nicht mehr. Sie spürte jetzt nur die Wut und den Schmerz der Königin, die sie und ihre Schwestern vorwärtstrieben. Diese waren jetzt die stärksten Gefühle in der ganzen Kolonie und im Bewusstsein aller Drohnen und Krieger.
Schließlich sah sie die Königin. Die Königin hatte ihnen wieder Nahrung gebracht, sehr viel davon lag zusammen mit vielen Kriegern bewegungslos um sie herum. Mit ihren Vorderklauen packte die Königin ein weiteres Stück, das direkt vor ihr war, und öffnete die harte Schale. Das rote Innere kam heraus. Jetzt spürte die Königin sie. Sie freute sich und zeigte der Gruppe von Drohnen ein Stück Nahrung in der Nähe, dass für sie bestimmt war. Gleichzeitig rief sie wieder nach den Kriegern. Die Drohnen liefen auf die Nahrung zu. Sie war anders als die Nahrung, die die Königin ihnen vorher gebracht hatte. Diese hier bewegte sich und wurde nicht von einem Krieger getragen. An der Nahrung blitzte helles Licht und die Drohne spürte wieder Schmerz. Er kam aber nicht von der Königin, sondern war ihr eigener.
Sie wollte weiter zur Nahrung laufen, aber ihre Beine bewegten sich nicht mehr. Ihre Schwestern überholten sie jetzt und begruben die Nahrung unter sich. Wieder blitzte es hell an der Nahrung, dann hatten ihre Schwestern die Schale geöffnet und verzehrten das Innere. Die Drohne wollte ebenfalls dorthin und fressen, aber sie konnte nicht. Sie rief ängstlich nach der Königin, aber sie spürte sie nicht mehr, nur noch ihren eigenen Schmerz.
Als sie die Gedanken der Königin wieder spüren konnte, war diese ganz nah bei ihr. Ihre Vorderklauen berührten sie an Kopf und Rücken und ihre Gedanken linderten den starken Schmerz. Die Königin zeigte ihr, dass in der Kolonie wieder Ordnung herrschte. Krieger und Organe hatten noch Schmerzen, aber die Königin versicherte, dass der Grund für die Schmerzen weg war und die Wunden schnell heilten. Die Königin zeigte, dass sie zufrieden mit der Kolonie war. Die Königin zeigte allen Drohnen und Kriegern nicht nur ihre Zufriedenheit, sondern auch ein neues Gefühl. Die Drohne hatte dieses Gefühl noch nie gespürt, aber sie verstand, dass der Grund für dieses Gefühl sie und ihre Schmerzen waren.
Die Drohne schickte der Königin Bilder vom Schwarmstock und von Mineralien und dass sich ihre Beine nicht bewegten. Die Königin überflutete die Drohne mit großer Zufriedenheit: Sie hatte heute genug Energie für die Kolonie gesammelt. In die Zufriedenheit der Königin mischte sich jetzt auch das Versprechen von Schutz, so wie die Königin es stets an die Drohnen gesandt hatte. Dann berührte die Königin den Kopf der Drohne mit ihrem winzigen Maul und überflutete ihren Geist mit Liebe, die alle anderen Gefühle ertränkte.
Die Königin befahl zu fressen. Doch die Drohne spürte nicht mehr, wie die Zangen ihrer Schwestern sie töteten und ihren schwer verletzten, jetzt nutzlos gewordenen Leib zerlegten, denn sie war umgeben von der ewigen Liebe der Königin, von der ewigen Liebe, die das Herz des Schwarms für jeden seiner Diener in sich trug.
 

Jesus0815

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Ich bin froh das ich keine Drohne bin. Gefällt mir! :)
 
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Wall of Text ^^ .. aber guter text
 
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Gleichmal eins vorweg: Ich bin überzeugter Zergspieler. Daher bin ich befangen... Der Text erzählt in stimmungsvollen Bildern vom Leben und Sterben einer Drohne. Mir hat besonders gefallen, wie die Beziehung zwischen Drohne und Königin / Overlord präsentiert wurde. Kreative Idee, tolle Umsetzung. Es hat großen Spaß gemacht, den Text zu lesen, da man sich schon nach wenigen Zeilen mit der kleinen Drohne identifiziert (vllt. bin ich auch einfach nur verrückt :P). In einfachen, aber präzisen Sätzen wird die Handlung präsentiert. Rechtschreibung/Grammatik sind bis auf ein paar Flüchtigkeitsfehler, und andere Kleinigkeiten (Zeichensetzung) sehr gut. Man hätte den Text evtl. noch etwas übersichtlicher formatieren können.
 

[fN]Leichnam

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Originelle Idee und großenteils anständig umgesetzt. Gefällt.
 
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