Das hängt halt davon ab, was wir jetzt genau unter Demokratie verstehen und wie so eine "wohlwohlende Autokratie", eben konkret aufgebaut ist.
Trotz der Korruption ist die Entwicklung Chinas die vielleicht größte Erfolgsgeschichte in der Wirtschaftspolitik.
Auch in Afrika zeigen Länder wie Ruanda, dass Wachstum und Demokratie einander nicht zwingend bedingen.
Weitere Beispiele: Russland unter Stalin, ja selbst Hitlerdeutschland.
Es gibt also genügend Einzelfälle, die einen nachdenklich stimmen könnten!
Aber: Der Artikel erwähnt ja auch, dass Demokratien im statistischen Vergleich immer noch besser abschneiden. China mag groß sein, als Land mit Herrschaftssystem ist es eben trotzdem nur ein Einzelfall.
Bleiben wir doch einmal bei den erwähnten Fällen: Die meisten dieser Fälle zeichnen sich für mich durch zwei Dinge aus, welche diese Entwicklung möglich gemacht haben. Da wäre zum einen die Bevölkerung.
Die chinesische Bevölkerung war bereit für den wirtschaftlichen Erfolg zu arbeiten. Ich würde der chinesischen Mentalität jetzt mal unterstellen, dass man dort mehr an die eigene Familie denkt, weshalb die Leute dort bereit waren als ungelernte Arbeiter in den Fabriken zu arbeiten, um amerikanische Turnschuhe herzustellen. Das Geld floss dann oftmals in die Ausbildung der Kinder und nicht in kurzfristige Bedürfnisse.
In Deutschland gab es ein vergleichsweise gutes Universitätssystem und ein in den Naturwissenschaften gut bewandertes Bürgertum. Die Industrie boomte in Deutschland ja bereits vor der Reichsgründung 1871. Also in einem System, das durch Kleinstaaterei und Schutzzölle geprägt war. Die bürgerliche Revolution in Deutschland scheiterte aber politisch. Reichsgründung und die Entstehung eines deutschen Nationalstaats waren eben nicht demokratisch oder republikanisch. Trotzdem konnte sich das deutsche Bürgertum wirtschaftlich entfalten. Es ist jetzt eigentlich auch nicht weiter verwunderlich, dass das für Wachstum wichtiger ist.
Im stalinistischen Russland gab es keine wirtschaftliche Freiheit. Hier kommen wir dann zu dem zweiten Punkt: Vorher war alles noch viel schlimmer. Der Stalinismus hatte neben dem Gulag-System, das er ja vom Zarenreich übernommen und ausgebaut hatte, einen entscheidenden Vorteil gegenüber diesem: Die Abschaffung feudaler Strukturen, die in Russland wohl ihre dümmste und widerlichste Form angenommen hatten und die Förderung von Bildung breiter Bevölkerungsschichten.
Irgendwann konnte dann das starre System der SU nicht mehr mit dem Westen mithalten, aber unter Stalin war man in der Schwerindustrialisierung Russlands äußerst erfolgreich.
Das lag a) daran, dass das alte System noch schlechter war, in diesem war die Industrialisierung von weiten Teiles des Adels ja überhaupt nicht gewollt und b) daran, dass solche totalitären oder autoritären Regime sich eben in einem Punkt von demokratischen unterscheiden: Entscheidungen werden schnell von einer Person oder einem Führungszirkel getroffen. Das gilt natürlich jetzt nur für die oberste politische Ebene. Das spart zunächst einmal Kosten. Hat aber eben (siehe Korruption) auch seine Nachteile. Die Frage, ob diese Entscheidungen dem Wohl der Nation dienen, wird nämlich erst garnicht debattiert.
An China kann man das doch recht gut veranschaulichen: Mao war menschlicher Abschaum und verstand von Wirtschaft überhaupt nichts, mit den bekannten Ergebnissen. Deng Xiaoping verstand Wirtschaftswachstum als ein Mittel, um die Herrschaft der Partei zu erhalten. Mao wollte auch Wirtschaftswachstum, traf aber bescheuerte Entscheidungen und war bereit Entwicklungen wie die Kulturrevolution in Gang zu setzen, die dem Wachstumsziel zuwiderlaufen, wenn ihm das politisch opportun erschien.
Es gibt eben Wachstumsfaktoren, die mit dem politischen System nichts zu tun haben, wie etwa die "Mentalität" oder den Arbeitseifer der Bevölkerung.
Die zentrale Frage nach Schumpeter, Luhmann oder wem auch immer, für politische Herrschaftssysteme scheint aber zu sein, wie die herrschenden Eliten ausgewählt werden. Und da ist bei autoritären Systemen eben keinesfalls gesagt, dass eine wohlwollende Diktatur entsteht. Da halte ich das demokratische System immer noch für effizienter, weil es das schlimmste verhindert. Das gilt natürlich nur für Demokratien mit politischer Öffentlichkeit und nicht für so witzige Geschichten wie Kenia oder Indien. Auch Demokratien haben ihre Negativbeispiele.
Das witzige an den Aussagen von Bell ist aber: Wie er ein autoritäres System dazu auffordert, doch bitte die eigene Macht zu beschränken
. Was kommt als nächstes? Wahlen?