Eine Frage an Deutschlehrer/Professoren/Studenten/Pros

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Liebe inbwler,

ich habe mal eine kleine eigentlich scheinbar triviale Frage, die mir aber grade Probleme bereitet:

Wenn ich schreibe:

Die Jahresfahrleistung wäre ca. 6000 km.

Ist das korrekt? Oder muss ich sachreiben:

Die Jahresfahrleistung wären ca. 6000 km.

Im ersten Fall richtet sich die Flektion des Verbs nach dem Nomen, im zweiten Fall nach dem Attribut des Nomens. Ich halte die erste Variante für richtig, bin mir aber unsicher, ob eventuell beide gingen, da die zweite auch anständig klingt in meinen Ohren.
 

Teegetraenk

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Es ist Singular also ist die erste Version korrekt. Mein Gott, was "Marmor, Stein und Eisen bricht" alles auslösen kann. 8[
 
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Würdest du mir diese Assoziation erläutern?

Obwohl ich die 1. auch für richtig halte, würde ich gerne noch wissen, ob die 2. Variante vollkommen ausgeschlossen ist oder u.U. auch grammatikalisch richtig verwendbar. Ist die Art der Flektion der Verben im Deutschen ausschließlich bestimmt durch die Art des Nomens, auf das sie sich beziehen, oder manchmal auch durch andere Kriterien

Aber danke schonmal für deine Antwort.
 
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Teegetraenk

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Ja nur die erste Version ist richtig, das Subjekt gibt dem Prädikat den Numerus vor. Der bekannte Song heißt also richtig "Marmor, Stein und Eisen brechen nicht".

Ein Baum fällt
Die Bäume fallen.

Das Haus brennt.
Die Häuser brennen.

Die Jahresfahrleistung wäre [beträgt] ca. 6000 km.
Die Jahresfahrleistungen wären [betragen] ca. 6000 km.

:8[:
 
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Verzeih', wenn ich hier nochmal nachhake.

Dies ist ein von meinem Beispiel leicht verschiedenes. Hier ist die Frage, ob sich das Prädikat auf die einzelnen Nomen richtet oder auf das Konglomerat der Nomen - bei mir war die Frage, ob sich das Prädikat nach dem Nomen oder nach der adjektivischen Beifügung richtet. Denn es sind drei Nomen, auf die sich in deinem Beispiel das Prädikat richtet; also müsste man hier doch theoretisch auch "bricht" wählen können.

Je nachdem, ob man mehr die einzelnen Subjekte hervorheben möchte oder die Gesamtheit der Subjekte.

Dennoch scheint mir nach wie vor die ersten Variante richtig.
 
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Teegetraenk

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Im Deutschen gehts nicht um Betonung, höchstens um Kongruenz und im Liedbeispiel wird keine Kongruenz ausgelöst, sprich das Prädikat bezieht sich auf alle drei Nominative.

Was du meinst ist wohl:

Das Verlassen des Hauses und die Abkehr von der Heimat stimmen mich traurig.

Dass ich Heim und Haus zurücklassen muss, stimmt mich traurig.
 
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Seingalt

Guest
Phoenix,

Du hast recht.

Die deutsche Grammatik gibt uns manchmal Wahlfreiheit. In so einem Fall dürfen, ja sollten wir sogar die Betonung, also den Sinn entscheiden lassen.
Im Allgemeinen ist die Beugung des Verbs durch das Subjekt vorgegeben. Nicht immer heißt das aber schon, dass der Numerus des Subjekts eindeutig bestimmt ist.

Ein gutes Beispiel dafür ist das mehrteilige Subjekt (z.B. Marmor, Stein und Eisen). Hier dürfen wir das Verb im Singular setzen, wenn wir das Subjekt als Einheit auffassen, ganz wie Du gesagt hast.

Dein Beispiel ist ein Gleichsetzungssatz, bei dem das Subjekt einem anderen Nomen, dem Prädikativ, gleichgesetzt wird.
Hier ist die Beugung des Verbs sogar ausnahmsweise nicht durch das Subjekt bestimmt, sondern darf auch vom Prädikativ übernommen werden.
Du darfst es Dir also aussuchen, jenachdem ob Du hier die Einheit der Jahresfahrleistung oder die Vielheit der 6000km betonen möchtest.

Diese Wahlfreiheit ist grammatikalisch schon deshalb zweckmäßig, weil das Deutsche uns so große Freiheit bei der Satzstellung lässt, dass wir Subjekt und Prädikativ gar nicht immer streng unterscheiden können.
Vergleiche etwa folgende Sätze:
6000km sind die Jahresfahrleistung
Die Jahresfahrleistung sind 6000km.
In beiden Sätzen kann "6000km" das Subjekt sein, es muss aber nicht.
 
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Teegetraenk

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Achso, na dann ist die Geschichte auch nur eingebildet.
"Marmor, Stein und Eisen bricht"
Eine kleine Anekdote vorweg: Drafi Deutschers "Marmor, Stein und Eisen bricht" wurde 1965 in Bayern nicht im Radio gespielt. Der Grund: Grammatikalisch muss es richtig heißen "Marmor, Stein und Eisen brechen". Beim fehlerhaften Beugen von Verben kannten die damaligen Musikredakteure keinen Spaß.
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hitlisten_des_nordens/hitlisten303_item-22344_liste-93.html

Und ich hab mir jetzt echt nochmal die Mühe gemacht und den WIkipedia Artikel gelesen, kann da aber nichts finden
http://de.wikipedia.org/wiki/Subjek...ch_h.C3.B6chste_Erg.C3.A4nzung_des_Verbs_sind

Ich hätte deshalb gern ein gängiges Beispiel Seingalt.
Weiterhin quote ich mich, um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen, eben selbst.
Ein Baum fällt
Die Bäume fallen.

Das Haus brennt.
Die Häuser brennen.

Die Jahresfahrleistung wäre [beträgt] ca. 6000 km.
Die Jahresfahrleistungen wären [betragen] ca. 6000 km.
 

Seingalt

Guest
Journalisten überschätzen gern mal ihre sprachlichen Kenntnisse, siehe Bastian Sick.

Ich zitiere aus dem Duden - Richtiges und gutes Deutsch, Seite 525 bzw. 529:
Kongruenz
1.3 Mehrere Subjektteile
1.3.3 Zeit und Geld fehlt / fehlen:
Bei formelhaften Subjekten, die oft aus Teilen ohne Artikel u.Ä. bestehen, steht ein Verb im Singular, wenn das Subjekt als Einheit aufgefasst wird. Der Plural ist zu setzen, wenn die Vorstellung einer Mehrheit ausgedrückt werden soll:

Grund und Boden darf nicht zum Objekt wilder Spekulationen werden. Groß und Klein (=jedermann) davon. Zeit und Geld fehlt uns. Krankheit und Müdigkeit macht auch Bauern fein (Kafka). Barsänger und Sportsmann [gleichzeitig, das] verträgt sich nicht.

1.4 Gleichsetzungssatz und verwandte Konstruktionen
1.4.3 Tausend Kilogramm ist / sind ein großes Gewicht:
Ist eines der Gleichsetzungsglieder eine pluralische Maß- oder Mengenangabe, dann sind Singular und Plural des Verbs möglich, je nachdem, ob die Einheit von Zahl und Gezähltem oder die Vielheit betont werden soll:

Tausend Mark ist (neben: sind) viel Geld.
Im Übrigen verweise auch ich nochmal auf das, was ich im letzten Absatz geschrieben habe: Dank der Freiheit der Wortstellung, die wir im Deutschen haben, kannst Du ohne Weiteres "ca. 6000km" als Subjekt des Satzes auffassen. Verändere zur Verdeutlichung die Wortstellung:
Ca. 6000km wären die Jahresfahrleistung.
Hier suggeriert die Wortstellung ein anderes Subjekt. Tatsächlich bestimmt die Wortstellung aber keineswegs, was das Subjekt ist.
 
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Teegetraenk

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1.3.3 ist ja hier nicht einschlägig, da keine formelhaften Subjekte vorliegen.

1.4.3: das stimmt.

Aber im Satz oben sind die 6.000km ja nicht das Subjekt?!
 
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Green Monkey

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Zu Marmor, Stein und Eisen bricht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Singularis_materialis

Zum Ausgangssatz:
Da sowohl "die Jahresfahrleistung" als auch "ca. 6000 km" im Nominativ stehen, kann man je eines als Subjekt auffassen und dann die jeweils andere Phrase als Prädikativ/ Gleichsetzungsglied/wieauchimmermanesnennenmag, das ebenfalls im Nominativ steht.
Dies löst dann die ganze Verwirrung aus. Dazu kommt, dass wir wohl die Satzstellung Subjekt-Prädikat-Objekt als "natürlicher" vorziehen, deshalb ist der Satz "Die Jahresfahrleistung wären ca. 6000 km." erstmal gegen die Intuition, sollte aber grammatikalisch korrekt sein.
Die Jahresfahrleistung [Prädikativ] wären [Prädikat] ca. 6000 km [Subjekt].
 

Teegetraenk

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Ok, wieder was gelernt. Für meine Ohren klingt es extrem seltsam und ich würde es niemals so schreiben.
 
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Vielleicht hilft es, sich vor Augen zu halten, dass diese ungewohnte Sprachform wohl letztlich darauf zurückgeht, dass die Singular-Variante kürzer ist. In Sprichwörter, Dichtung oder eben auch im Gesang braucht man oftmals ein kurzes Verb, um ein Versmaß einhalten zu können.

Da geht es dann (heute wie damals) wohl weniger um sprachliche Genauigkeit, als um Schönheit des Gesamtwerkes.
 
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