Ein Gedicht

Green Monkey

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Er steht fast wie ein Denkmal da,
die Haut vom Wetter hart gekost,
den Arm erhoben, weiß das Haar,
der schorfe Mund ist bartumtost.

Recht stolz hält er das braune Glas,
geleert schon bis zur Etikettenkrone,
er weiß mehr als so mancher las,
ein Platon in verkehrsbefreiter Zone.

Seine Worte tönen kraftvoll wild,
mit einem Hauch von Branntweingeist,
nur Husten bricht sein Silbenbild
und wird so stark, bis alles schweigt.

Dann sinkt er nieder auf den Stein,
die Flasche fällt, er atmet schwer,
die Wahrheit künden wird verzehrend sein,
und doch wer tät es, wenn nicht er?

Und achtlos schreiten Menschenzoos
an ihm vorüber, stets starr und matt,
und vekennen dabei teilnahmslos,
- denn er ist der Philosoph der Stadt.


Überschrift hab ich mal ausgelassen, weiß nicht genau obs ohne besser kommt. Ansonsten wär die Überschrift "Der Stadtphilosoph".
€: Ein paar Fehler beseitigt.
 
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hmm...vom ansatz her finde ich es gelungen, allerdings gibt es einige stolpersteine.

sind die arhythmien beabsichtigt? bei solch formal eher klassischen gedichten sollten rhythmische abweichungen immer aus einem grund erfolgen, finde ich. auch den ersten vers der letzten strophe finde ich etwas unglücklich. ein zoo ist ein ort, der lebewesen enthält, die ausgestellt werden. ein solcher ort bewegt sich nicht, wenngleich schon klar wird, was du ausdrücken willst. auch der letzte vers verbindet sich nur widerwillig mit dem gedicht, er wirkt irgendwie drangeklebt.

du hast definitiv ein sehr gutes sprachgefühl, und auch deine wortwahl halte ich meist für gelungen, obwohl du es mit dem pathos hier vielleicht ein wenig übertreibst.
abschließend möchte ich noch den kleinen hans raushängen lassen: vorüber schreibt man mit zwei r und nicht mit drei! ;)
 

Green Monkey

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sind die arhythmien beabsichtigt? bei solch formal eher klassischen gedichten sollten rhythmische abweichungen immer aus einem grund erfolgen, finde ich.
Sie sind es nicht. Allerdings habs ichs jetzt noch mal gelesen und überprüft und ich selbst konnte keine größeren Schnitzer feststellen, allerdings bin ich nicht der größte Metriker. Magst du vielleicht die Stellen mal ansagen?

auch den ersten vers der letzten strophe finde ich etwas unglücklich. ein zoo ist ein ort, der lebewesen enthält, die ausgestellt werden. ein solcher ort bewegt sich nicht, wenngleich schon klar wird, was du ausdrücken willst.
Ich dachte bei Zoo zuerst mal an Tiere in Gefangenschaft. Insofern finde ich das sprachliche Bild funktionert. Generell finde ich solche Sachen in der Lyrik erlaubt, ich persönlich finde es manchmal wichtiger wie ein Wort klingt, bzw. ob es ein gutes Bild ist, als dass es möglichst logisch und den Sachverhalt erklärend sein woll. Vielen Dank auch an Hutzebraedl für den Wanderzoo, der mir so nicht im Sinn war. Ich überlege ob ich Menschenzoo in Menschenwanderzoo oder Wandermenschenzoo umändere.

auch der letzte vers verbindet sich nur widerwillig mit dem gedicht, er wirkt irgendwie drangeklebt.
Ist so beabsichtigt, ich glaube ich mache den Gedankenstrich, der ursprünglich davor war auch wieder hin. Irgendwie habe ich leichte Satzbrüche ganz gerne.

[...] obwohl du es mit dem pathos hier vielleicht ein wenig übertreibst.
Das höre ich nicht zum ersten Mal, doch ich fürchte fast man wird damit leben müssen. Das ist eine Eigenart bei mir, die durch die Wortwahl verstärkt wird und die irgendwie dazu gehört. Aber wenn man ma gezielt drauf achtet, fällt das schon auf. Die Frage ist, wann man die Grenze überschreitet und eher lächerlich wirkt.
Findest du, dass es hier nicht recht passt? Im Prinzip geht das Gedicht ja über einen Penner in einer Fußgängerzone, der rumlabert und schreit und keine Beachtung findet. Nun wird es aber so dargestellt, dass nicht er der Versager ist, sondern die anderen Menschen, die es aber nicht wissen.
 
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Im Prinzip geht das Gedicht ja über einen Penner in einer Fußgängerzone, der rumlabert und schreit und keine Beachtung findet. Nun wird es aber so dargestellt, dass nicht er der Versager ist, sondern die anderen Menschen, die es aber nicht wissen.
Deswegen find ich das mit dem Zoo auch recht gut. Der Spieß wird umgedreht und der begaffte Penner wird zum Gaffer. Aber ich hab in Sachen Gedichte auch keine Kompetenz, also hör lieber nicht auf mich. :elefant:
 
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finde ich sehr gelungen. die wortwahl gefällt mir. auch die menschenzoos finde ich unproblematisch, auch wenn ich mir zoos im sinne von einem sammelsurium verschiedener sachen (meist einer art) vorgestellt habe. wird im allg. sprachgebrauch meines erachtens nach unter anderem auch in diesem sinne verwendet.

metrisch wirkt es auf mich an manchen stellen vielleicht nicht ganz rund. bin aber auch kein experte. z.b.

"Dann sinkt er nieder auf den Stein," ( 8 silben)
"die Wahrheit künden wird verzehrend sein," (10 silben)

aber das ist meckern auf hohem niveau. der letzte satz klingt in der tat etwas sperrig. kann aber imo auch gut and der "der"-häufung liegen.

insgesamt gefällt es mir aber wirklich sehr. weiter so.
 

Green Monkey

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metrisch wirkt es auf mich an manchen stellen vielleicht nicht ganz rund. bin aber auch kein experte. z.b.

"Dann sinkt er nieder auf den Stein," ( 8 silben)
"die Wahrheit künden wird verzehrend sein," (10 silben)

Ah, das war mal ein sehr guter Hinweis. Relativ oft habe ich 5 statt 4 Hebungen, das führt dann wohl zu den holprigen Stellen. Da werd ich dann mal drauf achten in Zukunft, danke!

Zoo in deiner Bedeutung kannte ich so auch nicht, aber letztlich ist es natürlich sowieso Interpretationssache bei Metaphern.
 
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