Deutsche Grammatik: Plusquamperfekt vs Indirekte Rede

Deleted_38330

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Nur eine kurze Verständnisfrage: Welcher der beiden Sätze ist richtig?

- Alle seien 2004 sehr stolz gewesen, als Gottschalk das Schloss gekauft habe, sagte der Leiter der Touristikinformation, Martin Tillmann.

- Alle seien 2004 sehr stolz gewesen, als Gottschalk das Schloss gekauft hatte, sagte der Leiter der Touristikinformation, Martin Tillmann.


In nachfolgendem Artikel steht der erste Satz, aber ist der zweite nicht eigentlich der korrekte? Oder wird die Vorvergangenheit in der Indirekten Rede auch durch den Konjunktiv ersetzt? Aber dann wird nicht ersichtlich, dass Gottschalk das Schloss bereits gekauft hatte, bevor die Bewohner stolz waren.

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/gesellsc...alk-will-sein-schloss-verkaufen-11960360.html
 

suN

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Imo der erste Satz, bin aber mit Regeln leider nicht so konform und könnte nicht begründen warum.
 
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Wayne Grammatik aber rein von Gefühl her würde ich im 2ten Satz das als durch ein da ersetzen.
 

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Würde sagen der 2. ist richtig.

edit: nun sind wir eine 3 zu 1 Mehrheit, d.h. per Definition ist der 2. nun richtig. Ich hatte also recht XD
 

Benrath

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Es hängt eher davon ab was der urspründliche Satz in direkter Rede war, daher würde ich ad hoc sagen beides kann richtig sein. Aber auch nicht genug Lust es zurück in direkte Rede zu stellen.

Wenn man so überlegt was der ursprüngliche Satz war, müsste es imho eher heisen

Alle waren 2004 sehr stolz gewesen, als Gottschalk das Schloss gekauft hatte.

von :"Wir (alle) waren 2004 sehr stolz, als Gottschalk das schloss kaufte."
 
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Deleted_38330

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So, und ab jetzt bitte nur noch gelernte Germanesen antworten und bitte gleich eure Qualifikationen mit angeben :deliver:
 
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Ich bin schon ziemlich lange Deutscher, Ich sage Satz Nummer Zwei.
Du haettest besser mal eine Umfrage erstellt!
 
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Es wird immer der Konjunktiv I verwendet, ganz unabhängig von der eigentlichen Zeitenfolge. Plusquamperfekt ist daher in Bezug auf den derzeit gültigen Standard immer falsch. Da viele Menschen aber Schwierigkeiten mit dem Konjunktiv haben, verwenden sie im mdl. Sprachgebrauch gerne auch indikativische Formen.

In der Sprachwissenschaft läuft derzeit eine Debatte bzgl. des sogenannten Perfekt II, bzw. Plusquamperfekt II. (z.B. "er hatte ein Haus gebaut gehabt") Diese Formen sind derzeit nicht standardfähig, wenngleich sie aber nachweislich schon seit Jahrhunderten durchs Deutsche geistern. Mit Hilfe dieser Konstruktionen ließe sich die in obigem Satz nahegelegte Kausalfolge präziser abbilden.

"Alle seien 2004 sehr stolz gewesen, als Gottschalk das Schloss gekauft gehabt habe, sagte der Leiter der Touristikinformation, Martin Tillmann."
Sieht hier jetzt natürlich reichlich merkwürdig aus, aber wenn die derzeitige Entwicklung so weiterläuft wie bisher, dürften diese Konstruktionen in absehbarer Zeit im Duden landen. (In der Forschung sind sie bereits anerkannt.)

Noch ein veranschaulichendes Beispiel aus der Vergangenheit:
"Es scheint, dieser Poet habe des Herrn Addisons Arbeit noch gar nicht gesehen gehabt oder vielleicht gar nichts davon gewußt, als er sein Trauerspiel unternommen.“
(Johann Christoph Gottsched, 1700–1766)

Das Perfekt II dient hier dem Ausdruck einer abgeschlossenen Handlung in der Vorvergangenheit. (Es ist derzeit noch strittig, ob man das Ganze im aspektuellen oder modalen Kontext zu verstehen hat.)

Edit: Qualifikation: Germanist kurz vorm Examen mit dem Plan, eine Promotion dranzuhängen. :ugly:
 
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Deleted_38330

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Ich bin schon ziemlich lange Deutscher, Ich sage Satz Nummer Zwei.
Du haettest besser mal eine Umfrage erstellt!

Ich will nicht wissen war der Durchschnittsdeutsche im Gefühl hat sondern eine Begründung :uglyup:

Es wird immer der Konjunktiv I verwendet, ganz unabhängig von der eigentlichen Zeitenfolge. Plusquamperfekt ist daher in Bezug auf den derzeit gültigen Standard immer falsch.

In der Sprachwissenschaft läuft derzeit eine Debatte bzgl. des sogenannten Perfekt II, bzw. Plusquamperfekt II. (z.B. "er hatte ein Haus gebaut gehabt") Diese Formen sind derzeit nicht standardfähig, wenngleich sie aber nachweislich schon seit Jahrhunderten durchs Deutsche geistern. Mit Hilfe dieser Konstruktionen ließe sich die in obigem Satz nahegelegte Kausalfolge präziser abbilden.

"Alle seien 2004 sehr stolz gewesen, als Gottschalk das Schloss gekauft gehabt habe, sagte der Leiter der Touristikinformation, Martin Tillmann."
Sieht hier jetzt natürlich reichlich merkwürdig aus, aber wenn die derzeitige Entwicklung so weiterläuft wie bisher, dürften diese Konstruktionen in absehbarer Zeit im Duden landen. (In der Forschung sind sie bereits anerkannt.)

Noch ein veranschaulichendes Beispiel aus der Vergangenheit:
"Es scheint, dieser Poet habe des Herrn Addisons Arbeit noch gar nicht gesehen gehabt oder vielleicht gar nichts davon gewußt, als er sein Trauerspiel unternommen.“
(Johann Christoph Gottsched, 1700–1766)

Das Perfekt II dient hier dem Ausdruck einer abgeschlossenen Handlung in der Vorvergangenheit. (Es ist derzeit noch strittig, ob man das Ganze im aspektuellen oder modalen Kontext zu verstehen hat.)

Edit: Qualifikation: Germanist kurz vorm Examen mit dem Plan, eine Promotion dranzuhängen. :ugly:

Sehr gut, danke! Das lese ich mir nun noch um die 20 Mal durch, dann hab ich es auch verstanden.
 
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suN

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Ich weiß dank Nanos Begründung garnicht erst, welcher jetzt richtig ist. :deliver:
 

Deleted_38330

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Steht doch in seinem ersten Satz. Und was er danach schreibt sagt so viel wie "vielleicht kommt bald Plusquamperfekt II, mit dem man die ganze Sache deutlicher darstellen kann". Des Weiteren bin ich jetzt cool und nenne das Ganze statt Plusquamperfekt II einfach Konjunktiv III :cool:

edit: oder gibts Konjunktiv III schon? 8[
 
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Benrath

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Ach mal wieder die englischen Regeln aufs deutsche übertragen, vergessen, dass es immer Konjunktiv ist. Immerhin was gelernt.
 
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Ich hätte ebenfalls gedacht, dass es der zweite ist und verstehe auch nach einmaligem lesen von nanos post nicht warum satz 1 richtig ist :deliver:
Edit: ok jetzt habe ich es gerafft, die zweite form ist sprachlich aber trotzdem reichlich angenehmer wie ich finde, vor allem, da man in dem fall ja auch sicher weiß, dass er das schloss wirklich gekauft hat.
 
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suN

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Ich hätte ebenfalls gedacht, dass es der zweite ist und verstehe auch nach einmaligem lesen von nanos post nicht warum satz 1 richtig ist :deliver:
Edit: ok jetzt habe ich es gerafft, die zweite form ist sprachlich aber trotzdem reichlich angenehmer wie ich finde, vor allem, da man in dem fall ja auch sicher weiß, dass er das schloss wirklich gekauft hat.

Der 1. Satz behauptet doch garnicht, dass er das Schloss nicht gekauft hat?
Er muss es ja gekauft haben, sonst hätte niemand stolz sein können (was sie ja waren).
 
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ich kann nonos version auch nochmal bestätigen, mit einer relativ simplen begründung: indirekte rede steht immer im präsens.
 
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Nur noch mal zum besseren Verständnis:
Indirekte Rede: Immer Konjunktiv I im Schriftlichen, Konj. I ist die "Präsensversion" des Konjunktivs, man kann auch einfach "Konjunktiv Präsens" sagen, wenn man das möchte. (ist aber etwas schwammig, daher ist Konj. I gebräuchlicher.)

Präsens allein sagt leider noch nichts über den Modus (Konjunktiv vs. Indikativ vs. Imperativ) aus.

@Sabel:
Code:
		indikativ		konjunktiv
präsens		er steht		er stehe
präteritum	er stand		er stünde
perfekt		er hat gestanden	er habe gestanden
pq-perfekt	er hatte gestanden	er hätte gestanden
perf. II	er hat gestanden gehabt	er habe gestanden gehabt
pq-perf. II	er hatte gest. gehabt	er hätte gest. gehabt
Die letzten beiden Zeilen sind wie gesagt noch nicht im Regelsystem verankert, viele gebrauchen sie aber bereits unbewusst. (btw im gesamten deutschen Sprachraum)

Konjunktiv III gibts jetzt in dem Sinne nicht, man muss nämlich bedenken, dass im Deutschen nur im Präsens und Präteritum vollständig flektiert wird, die anderen Zeiten sind aus Partizipien und Hilfsverben zusammengebaut. (ein Hoch auf dinge wie "es hätte gekauft worden sein sollen", deutsche sprache = hurensohn)

@cola: lass dich vom konjunktiv nicht verunsichern, er HAT das schloss gekauft, der typ sagte, dass er es gekauft HABE. (bedeutungsgleich, auch wenns evtl. sich etwas komisch "anfühlt".)

@freesta: Wenn der "Mittelteil" von der Redaktion kommen würde, hätte das irgendwie deutlich gekennzeichnet werden müssen. So ist es eindeutig Teil der indirekten Rede.
 
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Deleted_38330

Guest
Jo also da erscheint mir Perfekt II im Konjunktiv logischer als einfaches Präsenz wenn es in der direkten Rede - also im Indikativ - Plusquamperfekt sein müsste. Heiliger Josef. Schreibst du sowas eigentlich aus dem Gedächtnis oder musst du auch wo abspicken :rofl2:
 
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Is Grundwissen. (alles bis auf das mit Perf. II und Pqf. II)
 
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Das musste ich aber auch nicht nachschauen, war neulich auf nem Vortrag zu dem Thema. :deliver:

Edith sagt:
Gerade hab ich mir noch mal kurz die beiden Sätze angesehen, ich denke, dass das Problem v.a. durch die Abfolge der Gliedsätze (penis penis) entsteht.

"Als Gottschalk 2004 das Schloss gekauft habe, seien alle sehr stolz gewesen, sagte der Huso."
Ich finde, dass das viel "natürlicher" klingt.
 
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Ich denke dass beide Sätze richtig sind, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. In Satz 1 sind alle stolz als er es kauft und in Satz 2 sind alle stolz nachdem er es gekauft hat.
 
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Wenn beide Aussagen "Schloss kaufen" und "alle stolz" Teil der indirekten Rede sind, müssen sie im Konjunktiv stehen.
Das Deutsche besitzt in diesem speziellen Fall in gewisser Hinsicht eine "Lücke", zumindest wenn man sich an den Standard halten möchte. Ich fände es noch logischer, wenn man die "neuen" Formen zur Verdeutlichung nähme:

"Sie seien alle sehr stolz gewesen, als Gottschalk das Schloss gekauft gehabt habe, sagte er." (s.o.)

Insgesamt zeugt der Satz aber auch einfach nur von schlechtem Stil, man könnte den Sachverhalt viel einfacher formulieren, z.B.:
"Der Kauf des Schlosses durch Gottschalk habe sie damals alle stolz gemacht, sagte der Leiter."
 
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Zum Glück muss nicht ein Satz alleine den Sachverhalt vollständig beschreiben wesegen es auch völlig egal ist ob der Satz nicht alle Informationen enthält solange diese aus dem Kontext hervorgehen.
 
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Code:
		indikativ		konjunktiv
präsens		er steht		er stehe
präteritum	er stand		er stünde
perfekt		er hat gestanden	er habe gestanden
pq-perfekt	er hatte gestanden	er hätte gestanden
perf. II	er hat gestanden gehabt	er habe gestanden gehabt
pq-perf. II	er hatte gest. gehabt	er hätte gest. gehabt

Die letzten beiden Zeilen sind wie gesagt noch nicht im Regelsystem verankert, viele gebrauchen sie aber bereits unbewusst. (btw im gesamten deutschen Sprachraum)

aus reiner neugier... gibt es irgendwelche untersuchungen für semantische unterschiede zwischen perf. und perf. II, pq-perf. und pq-perf. II?
 
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Der Satz gibt aber zu wenig Information her. Man erfährt durch ihn nicht, ob sie stolz waren während oder nachdem er das Schloss gekauft hat.
Während? Wie soll das bitte gehen? Das wäre schon etwas weit hergeholt. (bzw. könnte man ja einfach das "während" in den satz einbauen, um diese aussage zu treffen.)

@hArTirni: ich schau heut mittag mal, was sich finden lässt.
 
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lol was deutsch doch für eine unschöne sprache ist.
 
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Wie versprochen hier noch ein paar Anmerkungen zur Semantik:

Betrachtet man das standardisierte Tempussystem, gibt es drei Vergangenheitsstufen:
1. Präteritum für absolute Vergangenheit, v.a. schriftlich vorherrschend. ("Erzählzeit")
2. Perfekt für Vergangenes, v.a. im mdl. Gebrauch vorherrschend.
3. Plusquamperfekt für Vorvergangenheit

Das Pf. II ("hat gesungen gehabt") betont die Abgeschlossenheit einer Handlung.
Das Pqpf. II ("hatte gesungen gehabt") macht dies ebenso, jedoch im Kontext des Vorvergangenen. Alternativ lassen sich mit dieser Form auch Ereignisse einer "Vor-Vorvergangenheit" beschreiben.

Beim Konjunktiv siehts ähnlich aus, der Konj. I ("habe gesungen gehabt") wird wie erwähnt v.a. in der ind. Rede verwendet. Der Konj. II ("hätte gesungen gehabt") lässt sich auch in der ind. Rede verwenden, hier würde dann die Irrealität des Gesagten betont werden. ("sie sagte doch, dass sie den Schlüssel vergessen gehabt hätte.")

Interessant ist die Sache auch aus sprachhistorischer Perspektive, einige Germanisten sehen das Perfekt II als Konsequenz des sog. "Präteritumsschwundes", der sich in vielen Varietäten des Deutschen beobachten lässt. Diese These ist aber in Bezug darauf, dass die Formen ja im ganzen dt. Sprachgebiet auftraten und -treten nur schwer absolut zu halten.
 

Deleted_38330

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Ich finde das Präteritum im Indikativ sowieso unnütz ::]: Ähnlich wie Present Perfect im Englischen.
 
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