[Bild3] Die alte Frau

FenixAoW

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Die alte Frau

Margarethe Thompson war eine alte Frau. Sie entstammte einem Bauernhof aus Connecticut, Litchfield County, in der Maple Street nicht unweit vom
Lake Floren entfernt. Achtzig Jahre nach ihrer Geburt lebte sie immer noch dort. Sie genoss, bei einem guten Buch auf ihrer Veranda, die wenigen milden
Herbsttage die ihr noch blieben. Ihr war klar, dass ihr Lebenszeitraum dem Sonnenuntergang entgegen schritt, und dennoch lachte sie viel und war eine
liebevolle und fröhliche alte Dame. Jeder der sich länger als fünf Minuten mit ihr unterhielt, schloss sie sofort in sein Herz. In ihrer Kindheit musste sie
schon früh lernen wie hart das Leben sein kann. Ihr Vater, Eddie, hatte sie oft misshandelt. Margarethe und Lisa, ihre Schwester, waren häufig gezwungen
gewesen mitanzuhören wie ihr Vater ihre Mutter, Sandrine, anschrie. Zu Eskalationen kam es viele Male. Ihre Schwester und sie saßen still und unschuldig
in ihren weißen Nachthemden auf dem Treppenabsatz und lauschten dem Geschrei, allzeit bereit mutig und schreiend hinab zu stürmen, sobald Eddie wieder
anfing Sandrine grün und blau zu schlagen. Eines Abends, als Margarethe schon drei Stunden mit Lisa und ihrer Mutter auf ihren Vater warteten und sie alle
beim Esstisch saßen und sich fragten wo er denn stecken mag, klopfte es an der Tür. Sie erinnerte sich noch als wäre es gestern gewesen, wie ein Sheriff im
Türrahmen stand und ihre Mutter weinend zusammenbrach als er ihr die Mitteilung vom Tod ihres Vaters überbrachte. Er war bei einem Arbeitsunfall mit einem
Mähdrescher ums Leben gekommen.

In den frühen vierzigern, hatte Margarethe den Betonmischer Chuck Thompson geheiratet. Chuck war ein Trinker gewesen. Er schlug sie und war
dem Alkohol mehr zugeneigt als ihr. Dennoch hatte sie in all der Zeit in der sie verheiratet gewesen waren nicht ein einziges Mal daran gedacht
ihn zu verlassen. Sie hatte das Durchhaltevermögen ihrer Mutter geerbt. Mit diesem Gedanken tröstete sie sich oft.
Es gab auch gute Zeiten in ihrer gemeinsamen Ehe. Jahrelang führten sie eine harmonische Beziehung, bis Chuck wieder zur Flasche griff und viele
Abende einfach nicht nach Hause kam. „Muss noch schnell den Bestand prüfen fahr'n.“, hatte er immer gesagt als er in seinen alten Rumbler stieg.
Er dachte bis zu seinem Tod, dass Margarethe nicht wusste, dass er sich im städtischen Bordell in Torrington vergnügte. Bis zu fünf mal die Woche.
Doch sie war eine gute Ehefrau und ein edler Mensch. Sie akzeptierte die Schwächen anderer und besann sich auf bessere Zeiten. Vierzig lange
Jahre hielt sie ihm die Treue. Bis zum Ende, wie sie es am Tag ihrer Hochzeit versprochen hatte. Chuck starb an Herzversagen. „Hab'n Herz wie'n
Stier.“, hatte er immer zu seinen Saufkumpanen gesüffelt, wenn er betrunken mit ihnen an der Bar in der Harrison Road saß und einen Single Malt
nach dem anderen in sich reinleerte. „Mei' ganze Family starb wegen dem scheiss Ding aber ich nich'! Meins pocht noch bis zum jüngsten Gericht!
Und wenn ich da schon unter der Erd' lieg!“
Margarethe war vierundsechzig als Chuck starb. Sie hatten drei Söhne und viele Enkelkinder. Trotzdem war sie in letzter Zeit sehr einsam gewesen.
Nach dem Tod von Chuck fühlte sich Margarethe von ihrer Familie im Stich gelassen. Keiner ihrer Söhne war bei ihr geblieben um ihr neue Hoffnung
und Halt im Leben zu geben. Sie musste mit allem selber fertig werden. Sie fragte sich oft, was sie falsch gemacht hatte, dass ihre Familie sie nicht
mehr besuchen kam. Zu Weihnachten kamen nur noch Glückwünsche in Form von Karten, wenn überhaupt. Richard, ihr ältester Sohn, schickte ihr
alle paar Jahre einige Fotos. Das war alles. Wenn sie einsam auf der Veranda saß und ihr Buch las, blickte sie manchmal auf und fragte sich insgeheim
ob es noch von ihr erwünscht war am Leben zu sein.
Zwei ihrer Söhne lebten in Texas und einer in New York. Sie war zu alt um zu reisen und für Flugzeuge hatte sie noch nie etwas übrig gehabt. 'Fliegende
Teufel', nannte Margerethe sie, seit ihr Onkel Henry bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Es stellte sich später heraus, dass er
hochverschuldet war und und Selbstmord begangen hatte. Margarethe wollte davon nie etwas wissen. Sie hielt alles für einen Unfall. Bis heute.
Margarethe wusste insgeheim, dass sie ihre Söhne einen Abschnitt ihres Lebens begleitet hatte, doch genauso wusste sie auch, dass es die traurige
Aufgabe einer Mutter war loslassen zu können wenn es so weit war. Dennoch fühlte sie sich von ihren ehemaligen engsten Vertrauten im Stich gelassen.
Sie hatte ihr ganzes Leben lang Dinge ertragen in der Hoffnung, es eines Tages besser zu haben. Und nun saß sie auf ihrer Veranda, alt und gebrechlich
wie sie war und wartete bis ihr eines Tages der Tod auf die Schulter klopfte. Sie hatte alles gegeben und bekam dennoch nichts von all dem, dass sie sich
erträumt hatte. Sie erinnerte sich an bessere Zeiten zurück. Sie erinnerte sich an die Zeit zurück als sie mit ihrer Schwester nach Brooklyn zum studieren
gezogen war. Traurig akzeptierte sie die Tatsache, dass diese drei Jahre die Einzigen in ihrem Leben waren, die ihr selbst und keinem anderen gewidmet
waren. Es war die schönste Zeit ihres Lebens gewesen. Eine einsame Träne rannte ihr bei dem Gedanken an den Tod ihrer Schwester die Wange hinab.
Vor drei Jahren starb sie nicht unweit von Litchfield in einem Altersheim. Sie litt unter Demenz. Margarethe hatte sie bis zu ihrem Tod gepflegt. Jeden Tag
hatte sie ihre kranke Schwester besucht und ihr Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählt, ohne dass diese sich auch nur ein einziges Mal daran
erinnern konnte. Jeden Tag, zwei lange Jahre lang. Bei Krankheit oder Schmerzen. Margarethe war immer für sie da, denn Lisa war der einzige Mensch
gewesen der sie verstanden hatte und das hatte ihr die Kraft gegeben all das Schlechte durchzustehen, was Margarethe in ihrem Leben widerfahren war.
Es war hart für sie gewesen ihre Schwester, die ihr so viel bedeutete zu besuchen, ohne das diese sich an sie erinnerte. Oft brach sie in Tränen aus nach
einem Besuch. Die Leere in den Augen ihrer einst so fröhlichen Schwester brach ihr täglich das Herz.
„Meine kleine süße Lisy.“, flüsterte sie traurig und eine weitere Träne rannte ihr zerfurchtes Gesicht herab. Bei näherem Betrachten konnte man ihr ansehen,
dass sie in jungen Jahren eine Schönheit gewesen war. Eine Knospe der die Blütezeit lebenslang verwehrt blieb. Sie war deswegen nicht verbittert aber sie
konnte die Leere die sie seit Jahren in sich spürte nicht verdrängen.

Sie neigte ihren Kopf um möglichst viele Sonnenstrahlen einzufangen. In dieser Position verharrte sie weitere zehn Minuten bis sie einen Entschluss fasste um
etwas gegen ihre Einsamkeit zu tun. Sie ging in ihre Küche und setzte drei Briefe an ihre Söhne auf.

'Geliebter Sohn, geliebter Thomas,
Lange ist es her, dass ihr bei mir auf Besuch wart. Ich hoffe es geht dir und dem kleinen
Dickie gut. Er dürfte ja mittlerweile schon ein junger Mann geworden sein. Bitte grüß auch
Annabelle von mir. Mit Bedauern muss ich dir mitteilen, dass ich das Ende kommen spüre.
Ich wünsche mir, dass du mit deiner Familie über Thanksgiving zu mir aufs Land kommst.
In Liebe,
deine Mutter.'


'Geliebter Sohn, geliebter Nicholas,
Deine Mutter schreibt dir in Hoffnung, dass du sie zu Thanksgiving besuchen kommst.
Natürlich sind Katharina und die kleine Nina auch herzlich willkommen.
Ich hoffe, sehr du gibst mir die Möglichkeit euch alle noch einmal gemeinsam sehen zu dürfen.
In Liebe,
deine Mutter.'


Ihre Beziehung zu Nicholas war immer schwierig gewesen. Er hatte ihr vorgeworfen sich nicht genug um Chuck gekümmert zu haben. 'Du hast Dad auf dem Gewissen!
Du hättest ihm nicht erlauben dürfen sich so gehen zu lassen!', hatte er sie angeschrien bevor er wütend aus dem Haus gestürmt war. Das war über zehn Jahre her.
Seither hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Sie hatte oft versucht ihn zu erreichen doch er konnte sehr stur sein. Sie wusste, dass er diese Eigenschaft von Chuck
geerbt hatte.
Margarethe hielt einen kurzen Moment inne bevor sie an ihren ältesten Sohn schrieb.

'Geliebter Sohn, geliebter Richard,
Danke für deine lieben Grüße zu Weihnachten letztes Jahr. Ich hoffe Tina und deinen Söhnen geht es gut.
Leider muss ich dir mitteilen, dass sich meine Zeit dem Ende entgegen neigt.
Ich wäre dir sehr dankbar wenn du und deine Familie es einrichten könntest mich über Thanksgiving zu besuchen.
Das würde mir sehr viel bedeuten.
In Liebe,
deine Mutter.'


Als sie fertig war die Briefe zu verfassen, rieb sie sich das Handgelenk. Es schmerzte. Ihr Rheuma bereitete ihr in letzter Zeit viele Schmerzen. Ihr blieb nichts anderes
übrig als sie zu ertragen, denn Zeit ihres Lebens hatte sie Medikamente abgelehnt. 'Das verdirbt den Charakter', hatte sie immer mit einem müden Lächeln auf den Lippen
gesagt. Selbst wenn sie sich vor Schmerzen krümmte, waren Tabletten nie eine Option für Margarethe. Bei Magenschmerzen aß sie ungewürzten Kartoffelstampf, bei
Prellungen rieb sie die Stellen mit Branntwein ein und bei einer Verkühlung legte sie über Nacht eine aufgeschnittene Zwiebel aufs Nachtkästchen.

Zwei Wochen später, an Thanksgiving, hatte sie immer noch keine Antwort erhalten. Ein schlechtes Zeichen? Würde sie ihr letztes Fest alleine verbringen? Sie hatte alles
vorbereitet. Der Truthahn badete bereits seit dem Vormittag in einer frischen Marinade aus Zimt, Äpfeln, Zwiebeln, Kräutern, Zitronensaft und Öl. Margarethe hatte
stundenlang überlegt ob sie Knoblauch hinzugeben sollte weil Richard es so gern mochte. Doch Nicholas hatte es nie gemocht und sie war sich ziemlich sicher, dass er
nicht kommen würde. Dennoch hatte sie sich dagegen entschieden. Die Füllung aus Schwarzbrot musste auch nur noch in den Ofen zum Truthahn. Sie hatte alles für
ein schönes Fest getan. Nun lag es an ihren Söhnen und deren Familien sie mit ihrer Anwesenheit zu erfreuen und tatsächlich: Nacheinander kamen sie alle in das idyllische
aber doch etwas verweste Bauernhaus geströmt. Sogar Nicholas, auch wenn die Begrüßung etwas steif ausfiel. Margarethe standen die Tränen in den Augen als sie ihre
komplette Familie an dem Tisch sitzen sah, an dem sie auch schon als kleine Kinder gesessen hatten. Richard, Tina, ihre Söhne, John und Chuck, Thomas, Annabelle, die
Ehefrau von Thomas, sein achtzehn Jahre alter Sohn Dickie, der sich ständig in den Arm biss (Er war geistig zurückgeblieben), Nicholas und Katharina, seine Ehefrau und
ihre kleine Tochter Nina.
Margarethe servierte würzige Bratäpfel, salziges Gebäck, frischen Salat und dazu den Truthahn mit der Schwarzbrotfüllung. Alle waren munter und fröhlich. Alle sprachen
ausgelassen über die letzten Jahre und Margarethe war dankbar, dass alle gekommen waren. Niemand wusste was auf sie zukam. Nicholas schien ihr verziehen zu haben.
Er schien der Frau die ihn gestillt und liebevoll großgezogen hatte, verziehen zu haben. Er hatte jahrelang mit ihr keinen Kontakt gehabt für etwas wofür sie nichts konnte.
Doch jetzt hatte er ihr verziehen.
Während sich alle genüsslich an den Speisen satt aßen, ging draußen die Sonne unter und es wurde langsam dunkel. Einige dachten bereits daran vom Tisch aufzustehen
um ihre Quartiere in den oberen Stockwerken zu beziehen. Nicholas hatte mit Katharina und ihrer Tochter für den Fall einer Eskalation in einem nahe liegenden Hotel eingecheckt.
„Wartet! Es gibt doch noch Kekse. Die esst ihr doch so gerne. Wisst ihr noch?“; sagte Margarethe und holte ein frisches Blech voller selbst gebackener Schokoladenkekse
aus dem Backofen. Jeder bekam einen großen Keks und Margarethe setzte sich wieder auf ihren Platz um ihren eigenen Keks zu essen.
„Esst jetzt!“, sagte sie bestimmt als sie feststellte, dass noch niemand außer Dickie den Keks aß.
„Mom, du weißt doch...“, sagte Thomas, der an Diabetes litt.
„Der ist zuckerfrei, mein Schatz. Iss jetzt.“, antwortete sie bestimmt. Margarethe sah ihrer Familie zufrieden dabei zu wie sie alle brav ihre Kekse aßen.
Dickie's Kopf knallte auf den Tisch als wäre er ohnmächtig geworden.
„Was hat er?“, fragte Tina.
„Was ist mit ihm?“, erkundigte sich Thomas.
„Das legt sich gleich.“, beschwichtigte Margarethe gelassen. Katharina war die Nächste die zusammensackte.
„Was hast du...“, sagte Nicholas schwach bevor er die Augen verdrehte und zusammenbrach.
„Schlaft jetzt, meine Kinder.“, sagte Margarethe und nacheinander plumpsten die Köpfe von Nina, Tina und ihren Kindern auf den Tisch. Thomas folgte kurz darauf.
„Mom...“, presste Richard keuchend hervor bevor auch er starb.
Völlig zufrieden mit ihrem Werk biss sie selbst mit einem leichten Lächeln in den Keks. Margarethe genoss die Stille bevor das Gift ihre Adern verätzte. Kurz bevor ihr Herz stehen blieb
sah sie einen Film vor sich ablaufen:
Er zeigte ihre Mutter, Sandrine, dick in einen braunen Cord-Mantel eingehüllt, wie sie vor einem schäbigen Motel mit einem Fremden sprach. Sie gab ihm ein kleines Paket und
stieg dann wieder in ihren roten 1928er Ford Roadster Pickup. Lisa und Margarethe kannten den Wagen sehr gut, denn sie hatten sich oft in der Pritsche vor ihrem Vater
versteckt, wenn dieser wieder wütend nach Hause gekommen war. Die Szene wechselte zu einem Maisfeld. Es war bereits dunkel. Ein Bauer stellte seinen Mähdrescher ab,
nachdem er ein halbes Maisfeld abgemäht hatte, und stieg aus. Es war Margarethe's Vater, Eddie. Langsam machte er ein paar Schritte in das noch bestehende Feld. Offenbar
hatte er etwas Verdächtiges gehört. Er ging etwas tiefer in das Maisfeld hinein und blieb dann still stehen um zu lauschen. Nichts rührte sich. Plötzlich, wie aus dem Nichts,
blendete ihn gleißendes Licht und er konnte hören wie der Mähdrescher gestartet wurde.
„Wer ist da?“, rief er verunsichert.
Die Scheinwerfer blendeten Eddie. Zu spät erkannte er die Gefahr und konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren. Er wurde von dem Schneidwerk des Mähdreschers in Stücke gerissen.
Der Fahrer war der unbekannte Fremde.
 
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Green Monkey

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Die Geschichte gefällt mir bis jetzt am besten!

Auch wenn der Text ein paar Formulierungen besitzt, die für meinen Geschmack ein bisschen zu schablonenartig sind ("..., dass ihr Lebenszeitraum dem Sonnenuntergang entgegen schritt", "Eine Knospe der die Blütezeit lebenslang verwehrt blieb." später noch: der berühmte Film vor dem Tod), so ist letztlich die Grundidee ziemlich interessant und man verweilt nach dem Lesen noch etwas beim Text.

Ein Kritikpunkt wäre in meinen Augen die etwas zu überzogene Hintergrundgeschichte (misshandelnder Vater, Tod des Vaters, Säuferehemann, Demenz-Schwester, Onkel stirbt beim Unfall, Kinder kümmern sich nicht, Vorwürfe des Sohnes), vor allem im Verbund mit den ständigen Betonungen, dass die alte Dame trotz allem nett und fröhlich ist.
Ich glaube zwar, das alles ist so beabsichtigt, damit man eben keinen Verdacht schöpft und das Ende dann sehr überraschend kommt. Bei mir hat es dann aber ein bisschen das Gegenteil bewirkt, weil eben kein Mensch so ist, dass er/sie alles ohne Wimperzucken verdaut (auch nicht Batman), wirkt die Frau unglaubwürdig und deshalb hab ich dann kurz vorher Lunte gerochen (Ich vermute mal, knapp bevor man es dann merken soll).
Auch im Nachhinein würde ich es nicht als psychologisch perfekt durchkomponiert bezeichnen, z.B. fällt diese Frau die Entscheidung ihre Familie zu töten in 10 Minuten, macht sich aber stundenlang Gedanken über den Knoblauch am Truthahn (gut, das könnte noch irgendwie unter den Aspekt "perfekte Planung der Aktion" fallen, aber so viele andere Hinweise gibt es da nicht drauf). Meine paradoxe Vermutung lautet jedenfalls: Dass das Ende vielleicht noch überraschender auf einen zukommen würde, wenn es nicht zu überraschend (im Sinne von "nicht zum Charakter passend/ unglaubwürdig") wäre.

So, das ist aber alles Jammern und Meckern auf sehr hohem Niveau, die Geschichte ist auch so sehr gut, ich glaube man könnte hier und da noch was drehen, aber das ist selbstverständlich Ansichtssache.
 
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Na, auf jeden Fall ist das Ende sehr überraschend, deshalb hinterlässt die Geschichte Eindruck. Sie erinnert mich an so alte Kriminalkurzgeschichten, die ich mal im Bücherschrank von meinen Eltern gefunden habe (irgendwelche Groschenbände von Bastei-Lübbe).

Zwei Dinge sind mir nicht so ganz klar geworden:
1. Die Frage nach dem Motiv. Weil ihre Familie sie alleine gelassen hat? Das wäre schon ziemlich psychopathisch (oder ich habe es überhaupt nicht verstanden).
2. Woher kennt sie die Umstände vom Tod ihres Vaters, auch dass ihre Mutter ihn hat umbringen lassen?

Auf der anderen Seite ist das auch eine interessante Implikation: Es hat nicht nur die Mutter vorgelebt und -gemacht, wie man unliebsame Menschen loswerden kann. Man fragt sich auch, ob Margarethe nicht auch ihren Mann vergiftet hat.
 

FenixAoW

Flashgame0wner 2010
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Danke für eure Kritiken. Lese ich immer gerne.

Ich erkläre meine Geschichten eigentlich nie, da ich finde, dass das dem Leser den Freiraum für seine eigene Fantasie nimmt aber soviel erstmal vorweg: Das war nicht gedacht als Spontanaktion. Wenn ich die Geschichte so lese erweckt es in mir eher den Gedanken, dass sie die Tat lange geplant hatte (z.B.: traurige Briefe ala letzter Gefallen tun um sich abzusichern, dass die Einladung auch jeder wahrnimmt). Den Leser habe ich absichtlich darüber im Dunkeln gelassen, denn man weiß eigentlich nicht wohin diese Geschichte mit dieser armen alten Frau hingehen soll. Bis wenige Zeilen vor dem Ende.

Ich muss auch zugeben, dass ich mich viele Male in eine 30-Seiten Geschichte abdriften sah und dann frustriert einen kompletten Absatz löschen musste. Nach einer erfreulichen Runde Frustwixxen ging es aber dann auch wieder weiter.
 
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die eingefügten Zeilenumbrüche machen die Geschichte sehr schwer zu lesen. Bei meinem Bildschirmformat sieht das so aus, dass immer eine Zeile komplett ausgefüllt ist, und dann eine nach wenigen Worten abbricht, die nächste ist dann wieder komplett ausgefüllt, und die nächste bricht wieder ab...
sehr unangenehm : (
 

FenixAoW

Flashgame0wner 2010
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Hatte ich schon befürchtet. Bei meiner Auflösung ist es halt angenehmer als immer von links nach rechts zu lesen. => PDF
 
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Iatros

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Deine Geschichte hat mir eine Gänsehaut erzeugt und eine Lawine von Assoziationen zu mir bekannten "in anerzogener Demut vergeudeten" Lebensgeschichten losgetreten.
Du verstehst es hervorragend, auf ganz subtile weise Spannung aufzubauen und den Leser mit einzubeziehen in die Entwicklung der Charaktere. Ich fühlte mich beinahe animiert, Einhalt zu gebieten, um die Katastrophe noch aufzuhalten, die passiven Akteure noch wachzurütteln, aber zu spät...

Der Impuls zum Giftkekesebacken entspricht dem lebensvernichtenden Atompilz nach lautloser Detonation im seelischen Vakuum.

Brillant skizzierst du hier die zerstörerische Entladung der schier unerträglichen Erkenntnis, die Chance auf ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben unumkehrbar vertan zu haben. In der 2. Generation nichts dazugelent, nichts hinterfragt, nichts als Leere und Bedeutungslosigkeit aus diesem Leben mitnehmen zu können wäre einfach zu wenig gewesen.

Tragisch? Makaber? Unglaubwürdig?
Jedenfalls regt deine Geschichte zum Nachdenken an.
 
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wow, sehr gute geschichte
du hast auf jeden fall talent, keep it up :)
 
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