Begegnungen

[fN]Leichnam

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Begegnungen

Heute sitze ich wieder in meinem Zimmerchen und werfe Blicke auf das Bett, in dem ich seit über zehn Jahren mit kleinen und kurzen Ausnahmen schlafe. In letzter Zeit nicht so lang auf der linken Seite, denn es drückt mir so aufs Herz.

Und wie ich so ans Bettchen denke, springt mir frisch und ungebraucht der Knabe entgegen, der im Jahre 95 seine erste Nacht im fremden, neuen Haus verbrachte. Ich kann nicht anders und schließe ihn unversehends in die Arme – den Kleinen.
Er ist sehr schüchtern, doch verstehe ich ihn gut und lasse ihn also sogleich frei. Der Kerl trägt einen grünen Schlafanzug und ist höchstens zehn, elf Jahre alt. Er läuft Kreise durchs Zimmer, bleibt hier und da stehen, um Veränderungen auszukundschaften oder kurz zu weinen.

Mich scheint er nicht zu kennen. Er schaut mich kaum an und tut er es doch, so ist ein Teil Unverständnis und Missbilligung in seinem Blick. Was soll ich ihm sagen? Dass es ihn nicht mehr gibt, dass er ist, was ich einst war?

Damit würde er sich wohl nicht begnügen wollen. Deshalb lasse ich ihn in Ruhe und entzünde mir eine Zigarette. Kaum ist das getan, fängt der Kleine zu husten an und ich drücke sie schnell aus. Ich fühle mich nicht gut dabei. Ich warte auf den Greis, der gleich zu uns stoßen wird, um uns zu sagen, dass er nun mit uns sterben möchte und das alles sehr schön und voller Liebe und voll Sinn gewesen ist.
 

[fN]Leichnam

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hm ka. viel lesen und viel schreiben ist eigentlich alles, was ich dir sagen kann. ob so ein schreibkurs auch sinn machen kann, weiß ich nicht. hab das noch nie probiert und werde es wohl auch nie.

fakt ist, dass schreiben in der tat ein handwerk ist. und je mehr zeit du investierst, umso besser wirst du werden.
 

Dekonstruktion

Guest
Sofern hier konstruktive Kritik erwünscht ist:
Im ersten Absatz verwendest du das Diminiutiv "Zimmerchen", zudem arbeitest du, wenn auch eher implizit, mit Herz/Schmerz als Spannungsfeld.
Dies hat unweigerlich zur Folge, dass der Text bereits in seinen ersten Krabbelversuchen sehr viel Pathos ausschüttet. Zu viel davon, wenn du mich fragst.
Der darauf folgende Resttext geht mit seiner Pathetisierung glücklicherweise etwas sorgfältiger um.
Durch die zu frequente Nutzung von Pathos evozierenden Formeln bewegt der Text sich leider unweigerlich auf der Schwelle hin zum Kitschigen, auch wenn er in deinem Fall dort nicht verharrt.
Stattdessen würde ich vorschlagen, dass du gerade in der Exposition versuchst mit subtileren Mitteln schrittweise die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Bei einer zu emotionalen Einführung entfaltet der Text nur schwerlich die gewünschte Sogwirkung.
Seine Stärken spielt der Text hingegen dann aus, wenn er um eine distanziertere, objektivere Darstellung bemüht ist.
 
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Original geschrieben von Dekonstruktion
Sofern hier konstruktive Kritik erwünscht ist:
Im ersten Absatz verwendest du das Diminiutiv "Zimmerchen", zudem arbeitest du, wenn auch eher implizit, mit Herz/Schmerz als Spannungsfeld.
Dies hat unweigerlich zur Folge, dass der Text bereits in seinen ersten Krabbelversuchen sehr viel Pathos ausschüttet. Zu viel davon, wenn du mich fragst.
Der darauf folgende Resttext geht mit seiner Pathetisierung glücklicherweise etwas sorgfältiger um.
Durch die zu frequente Nutzung von Pathos evozierenden Formeln bewegt der Text sich leider unweigerlich auf der Schwelle hin zum Kitschigen, auch wenn er in deinem Fall dort nicht verharrt.
Stattdessen würde ich vorschlagen, dass du gerade in der Exposition versuchst mit subtileren Mitteln schrittweise die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Bei einer zu emotionalen Einführung entfaltet der Text nur schwerlich die gewünschte Sogwirkung.
Seine Stärkenspielt der Text hingegen dann aus, wenn er um eine distanziertere, objektivere Darstellung bemüht ist.

diese analyse des textes ist besser als der text selbst, den ich nach dem ersten satz schon nicht weiterlesen wollte und dann nur aufgrund der analyse noch zuende gelesen habe. :top2:
 

[fN]Leichnam

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vielen dank für die kritik. ich bin halt en kitschschreiber. :8[:

:elefant:
 

Dekonstruktion

Guest
Wenn du sie ein wenig genauer gelesen hättest, wäre dir bewusst, dass ich dich nicht als Kitschnudel denunziert habe, sondern auf die Gefahr hinwies, dass der Text in eine ebensolche Hemnisphäre abdriften könnte.
 

[fN]Leichnam

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ich bin nicht irgendwie eingeschnappt oder so. das hast du missverstanden. deine kritik habe ich im übrigen durchaus gelesen und finde sie sehr gut.

was ich sagen wollte, ist dass es in meinen texten sehr oft und sogar primär um die gefühle der menschen geht. einfach weil es mich interessiert. das lässt sich schwerlich objektiv darstellen und dem einen gefällt es eben (wie jumbala) und dem anderen ist es halt irgendwie zu dick aufgetragen bzw. hat er andere anforderungen an gute literatur. das ist doch ganz normal und gut so.
 
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