Befugnisse des Ordnungsamts

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Hier gibt es ja ein paar Juristen, bräuchte mal etwas Hilfe.

Folgender (fiktiver) Fall:

Eine Person geht über eine rote Ampel oder räumt beim Spazierengehen mit dem Hund dessen Kot nicht weg.

Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts bemerkt dies und fordert die Person auf, ein Bußgeld zu zahlen, was diese ablehnt. Daraufhin fordert der OA-Mitarbeiter die Person auf, ihr seine Personalien anzugeben.

Derjenige lehnt dies wieder ab und geht einfach weg.


Kann das Ordnungsamt denjenigen bis zum Eintreffen der Polizei (uU mit Gewalt) festhalten?

Ein Festhalterecht nach § 127 stpo greift ja nicht, es handelt sich ja nur um eine Ordnungswidrigkeit.

Habe jetzt leider keine Gesetzesgrundlagen gefunden, § 46 OwiG scheint etwas zu regeln

"(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig...".


Weiß jemand ob darunter auch ein Festhalten zu verstehen ist?

Es ärgert mich einfach, dass ich meine Rechte in Bezug auf das Ordnungsamt nicht kenne, obwohl man mit den Leuten als normaler Bürger öfters in Berührung kommt, als mit der Polizei , gegenüber denen ich meine Recht sehr gut kenne.
 
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Ist soweit ich weiß von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Teilweise sind das jedenfalls auch Vollstreckungsbeamte und bewaffnet.
 
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also, ich bin mir nicht 100%ig sicher, da es schon länger her ist dass ich polizeirecht gehört habe. bin daher über jede fachlich fundierte ergänzung glücklich.

zunächst einmal hat kuma schon richtig vorangestellt, dass das polizei/ordnungsrecht ländersache ist. deshalb werden die befugnisse von land zu land unterschiedlich sein. im grundsatz sind sich jedoch alle sehr ähnlich.
im niedersächsischen sicherheits und ordnungsrecht (polizeirecht), kurz NSOG (oder für die die angst vor einer verbindung mit dem NS regime haben Nsd. SOG) bestimmt die generalklausel in § 1 die allgemeinen aufgaben der verwaltungsbehörden. die verwaltungsbehörden sind daher grundsätzlich vorrangig für die gefahrenabwehr zuständig, erst danach kommt die polizeibehörde. so sieht es das gesetz vor, in der praxis ist es eigentlich genau andersrum. die polizei übernimmt eigentlich so gut wie alles, was wir unter gefahrenabwehr verstehen.
aus § 13 ergibt sich nun, dass die verwaltungsbehörden neben der polizei befugt sind, identitätsfeststellungen zu treffen, wenn dies zur abwehr einer gefahr erforderlich ist.
"was ist eine gefahr" fragt man sich da gleich und erhält die antwort aus § 2 Nr 1 a. dort heißt es:
Im Sinne dieses Gesetzes ist
1.
a) Gefahr:
eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird;
dort stößt man sofort auf den nächsten unbestimmten rechtsbegriff, die öffentliche sicherheit und ordnung. soweit ich mich erinnern kann fällt unter die öffentliche sicherheit und ordnung u.a. jeder verstoß gegen eine rechtsnorm, also auch gegen das OWiG.

im ergebnis heißt das, das ordnungsamt als verwaltungsbehöre hat aus dem landespolizeigesetz so wie die polizei (nachrrangig) auch die befugnis der identitätsfeststellung wenn die gefahr für einen verstoß gegen das OWiG vorliegt. sie müssen sich also nicht erst an die polizei wenden, da diese sogar erst nachrangig zuständig wäre.

so würde ich die ganze sache jedenfalls lösen.

€: achso, mit der identitätsfeststellung gehen natürlich auch alle darauf aufbauenden maßnahmen einher, die erforderlich sind, wenn jemand seinen auweis nicht zeigen will. also auch festhalten nach § 13 II 2 und notwendigerweise auch erkennungsdienstliche maßnahmen (fingerabdrücke, lichtbild etc) nach § 15 I Nr 1
 
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Es ärgert mich einfach, dass ich meine Rechte in Bezug auf das Ordnungsamt nicht kenne, obwohl man mit den Leuten als normaler Bürger öfters in Berührung kommt, als mit der Polizei , gegenüber denen ich meine Recht sehr gut kenne.
:ugly2:
Anstatt sich Gedanken darüber zu machen wie man das System ausnutzt wäre es da nicht geschickter sich einfach an die paar einfachen Verhaltensregeln zu halten?
 
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:ugly2:
Anstatt sich Gedanken darüber zu machen wie man das System ausnutzt wäre es da nicht geschickter sich einfach an die paar einfachen Verhaltensregeln zu halten?

Weil du nie bei Rot über die Ampel gehst :ugly: ?
Dass man vorher nach Polizisten schaut ist schon klar aber wenn bei sowas dann ein dummer Ordnungsamter mit 'nem Stock im Arsch ankommt und mich dumm anmacht wäre es echt praktisch zu wissen, ob man ihn einfach ignorieren darf oder nicht.
 
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Schniko hat alles wichtige schon genannt.

Zumindest in Rheinland-Pfalz ergibt sich die Pflicht zur Auskunft direkt aus dem Polizei & Ordnungsbehördengesetz, §9a und ist zulässig soweit sie der Umsetzung einer Ordnungsbehördlichen Aufgabe dient.

Die Aufgabe selbst kann z.B. aus der Polizeilichen Generalklausel in verbindung mit jeder geschriebenen Rechtsnorm als Teil des Schutzgut der öffentlichen Sicherheit in Betracht kommen. Bei rot über die Straße gehen z.B. ist ein Verstoß gegen die StVO, Hundekot nicht aufsammeln evtl. eine Kommunale Satzung oder OwiG
Soweit die Person sich weigert ermächtigt dies aber noch nicht zum Gewaltsamen festhalten. Diese Maßnahmen müssen allesamt nach dem jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes rechtmäßig sein, wobei das regelmäßig bei rechtmäßigkeit der Grundmaßnahme selbst gegeben sein wird.
 
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Ich bin mir gerade nicht völlig sicher, aber die ziterite Norm des NSOG ist doch eine Norm des Gefahrenabwehrrechts, also eines Rechtsgebietes, mit dem Gefahren präventiv abgewehrt werden. Bereits begangenen Verstößen gegen Straf- und Ordnungswidrigkeitsnormen kann dann eigentlich damit gerade nicht mehr begegnet werden. Dafür sind StGB, StPO und OWiG gedacht.

Oder kann dann der zuständige Ordnungsbeamte auch mit der Generalklausel Strafmaßnahmen durchführen, die er angemessen findet?
 
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Ich bin mir gerade nicht völlig sicher, aber die ziterite Norm des NSOG ist doch eine Norm des Gefahrenabwehrrechts, also eines Rechtsgebietes, mit dem Gefahren präventiv abgewehrt werden. Bereits begangenen Verstößen gegen Straf- und Ordnungswidrigkeitsnormen kann dann eigentlich damit gerade nicht mehr begegnet werden. Dafür sind StGB, StPO und OWiG gedacht.

Oder kann dann der zuständige Ordnungsbeamte auch mit der Generalklausel Strafmaßnahmen durchführen, die er angemessen findet?

guter einwand. wenn sich die gefahr also bereits realisiert hat, ist die identitätsfestellung bzgl. der ordnungswidrigkeit nicht mehr eröffnet. wenn der störer die zahlung des bußgeldes jedoch verweigert, besteht eine neue gefahr der zahlungsvereitelung der zahlungspflicht die sich aus dem OWiG ergibt. diese gefahr ist wiederrum geeignet die identitätsfestellung aus § 13 zu ermöglichen. würde ich jedenfalls sagen
 
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Zum einen gibt es dafür lex specialis in Form der entsprechenden Vollstreckungsgesetze.

Zum anderen besteht eine Zahlungspflicht nach dem OWiG erst, wenn das Ordnungswidrigkeitsverfahren abgeschlossen ist (das selbe gilt für das Strafverfahren). Ob und wer eine Ordnungswidrigkeit (oder Straftat) begangen hat, muss ja noch festgestellt werden. Diese Feststellung erfolgt aber nicht mehr im Rahmen der Gefahrenabwehr.

Nimm das Beispiel eines Strafverfahrens, sagen wir Körperverletzung. Darf die Ordnungsbehörde die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Täter zu fassen? Nein, denn es handelt sich nicht mehr um präventive Gefahrenabwehr, sondern um repressive Strafverfolgung. Selbst wenn die Gefahr besteht, dass die Staatsanwaltschaft die Tat nicht aufklären kann, wird die Ordnungsbehörde nicht zuständig. Auch nicht mit der Begründung, dass wahrscheinlich eine Geldstrafe verhängt wird, deren voraussichtlicher Zahlungspflicht sich der Täter zu entziehen versuche.
 

Teegetraenk

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guter einwand. wenn sich die gefahr also bereits realisiert hat, ist die identitätsfestellung bzgl. der ordnungswidrigkeit nicht mehr eröffnet. wenn der störer die zahlung des bußgeldes jedoch verweigert, besteht eine neue gefahr der zahlungsvereitelung der zahlungspflicht die sich aus dem OWiG ergibt. diese gefahr ist wiederrum geeignet die identitätsfestellung aus § 13 zu ermöglichen. würde ich jedenfalls sagen
Vor allem, in wieweit hat sich denn überhaupt eine Gefahr realisiert, wenn man bei rot über die Ampel fuhr und nichts passierte - also nichtmal jemand bremsen muss etc.. Wenn die Gefahr also rein abstrakt vorlag, macht das nochmal einen Unterschied?
 
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Nein, öffentliche Sicherheit umfasst generell das gesamte geltende Recht. Bei der roten Ampel geht es nicht um die möglichen Unfallgefahren, sondern nur um den Verstoß an sich. Die konkrete Gefährlichkeit kann dann in weiteren Punkten berücksichtigt werden.
 
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Zum einen gibt es dafür lex specialis in Form der entsprechenden Vollstreckungsgesetze.
eine EGL zur identitätsfestellung aus einem vollstreckungsgesetz? nenn sie doch mal

Nimm das Beispiel eines Strafverfahrens, sagen wir Körperverletzung. Darf die Ordnungsbehörde die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Täter zu fassen? Nein, denn es handelt sich nicht mehr um präventive Gefahrenabwehr, sondern um repressive Strafverfolgung. Selbst wenn die Gefahr besteht, dass die Staatsanwaltschaft die Tat nicht aufklären kann, wird die Ordnungsbehörde nicht zuständig. Auch nicht mit der Begründung, dass wahrscheinlich eine Geldstrafe verhängt wird, deren voraussichtlicher Zahlungspflicht sich der Täter zu entziehen versuche.

es geht ja nicht um die generelle zuständigkeit der strafverfolgung, sondern um eine befugnis der identitätsfestellung. nach meinem dafürhalten dürfte die ordnungsbehörde natürlich den verdächtigen festhalten und die identität feststellen.

jedenfalls, um klarheit zu schaffen habe ich jetzt mal im kommentar nachgeschaut. vor der begangenen ordnungswidrigkeit sind meine bereits getätigten ausführungen der gefahrenabwehr nach landesgesetz zulässig.
ist die ordnungswidrigkeit bereits begangen, richtet sich die befugnis nach § 46 II OWiG i.V.m. § 163b StPO. Dabei treten anstelle der staatsanwaltschaft/dem polizeidienst die verfolgungsbehörde, die durch landesgsetz bestimmt wird, i.E. also das ordnungsamt.

unzulässige vorläufige festnahmen nach § 46 III OWiG sind alle maßnahmen, die über die zur identifizierung notwendigen maßnahmen gem. § 163b und § 163c StPO hinausgehen.
§ 46 III OWiG stellt klar, dass eine - über § 163b, § 163c StPO hinausgehende - vorläufige Festnahme iSv. § 127 StPO ausgeschlossen ist. Aus dem Normzweck der Vorschrift folgt, dass sie das Festhalten einer Person zur Durchsetzung eines zulässigen Eingriffs in die Rechte des Betroffenen nicht berührt - etwa die Vorführung und körperliche Untersuchungen. Karlsruher Kommentar zum OWiG 3. Auflage 2006 Rn 20

also auf die frage vom TE: identitätsfeststellung fällt nicht unter den begriff der vorläufigen festnahme. das ordnungsamt darf dich festhalten und deine identität feststellen, notwendigerweise auch durch erkennungsdienstliche maßnahmen.
 
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vor der begangenen ordnungswidrigkeit sind meine bereits getätigten ausführungen der gefahrenabwehr nach landesgesetz zulässig.
Dafür sind die Normen ja auch da, wie ich schon erwähnt habe...

ist die ordnungswidrigkeit bereits begangen, richtet sich die befugnis nach § 46 II OWiG i.V.m. § 163b StPO.
Siehst du, genau das habe ich gesagt, danke dass du die genauen Paragraphen zitierst:
Hafish schrieb:
die ziterite Norm des NSOG ist doch eine Norm des Gefahrenabwehrrechts, also eines Rechtsgebietes, mit dem Gefahren präventiv abgewehrt werden. Bereits begangenen Verstößen gegen Straf- und Ordnungswidrigkeitsnormen kann dann eigentlich damit gerade nicht mehr begegnet werden. Dafür sind StGB, StPO und OWiG gedacht.
 
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nein, du hast gesagt "das kann so nicht sein" aber nicht "das ist so und so".
das ist ein großer unterschied. mit ersterem kann der TE nämlich nichts anfangen.
 
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also auf die frage vom TE: identitätsfeststellung fällt nicht unter den begriff der vorläufigen festnahme. das ordnungsamt darf dich festhalten und deine identität feststellen, notwendigerweise auch durch erkennungsdienstliche maßnahmen.

Das ist doch mal ne klare ANsage, danke!

Also, wenn ich eure Diskussion richtig verstehe, dann ist dieses Ergebnis für alle Bundesländer richtig , da bei der "Verfolgung" von schon begangen Ordnungswidrigkeiten, keine Prävention möglich, und somit keine Landesrecht einschlägig ist, sondern StGB, StPO und OWiG greifen?
 
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