Befreiung von Auschwitz vor 70 Jahren

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Weil aktuell der Befreiung von Auschwitz vor 70 Jahren gedacht wird (http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/mdr/2014/sendung-vom-25012015-130.html), mal ein Thema dazu.

Durch die Dauerpräsenz und die ständige Wiederholung in Schule, Fernsehen, Kino etc. habe ich das Thema "2. Weltkrieg" irgendwann in seinem Ausmaß und seiner Bedeutung "unterschätzt". Ich weiß nicht, wie ich das besser beschreiben soll. Man sieht tausende Bilder und Fakten und vollzieht das soweit es geht in seiner Chronologie nach, aber weil es kein Ende dieser Bilder gibt, wird es beliebig.

Vor einigen Jahren stand ich dann für eine Besichtigung in Auschwitz und in Auschwitz-Birkenau und erst bei dem Anblick wurde mir ansatzweise begreiflich, was dort Unbegreifliches geschehen ist. Wie gesagt, die Bilder im Fernsehen und die Zahlen in Büchern sind die eine Sache. Selbst diese beiden Orte zu sehen die andere.

Danach war für mich der Begriff Konzentrations"lager" schon verkehrt, weil man nicht einmal Ware so unwürdig "lagern" würde. Der Begriff reicht nicht aus, um widerzuspiegeln, dass es einziger Sinn und Zweck war, menschliches Leben tagtäglich massenindustriell auszulöschen.

Ich habe mich auch schon vor dieser Besichtigung gefragt, wie Menschen zu solchen Menschen werden konnten, dass sie andere Menschen in solch einem Ausmaß industriell vernichten. Aber mehr in einem formellen Sinne. Nach der Besichtigung habe ich mich gefragt, was in den "Tätern", also denen, die wirklich vollkommen bewusst und gezielt die Vernichtung umgesetzt haben, vorgegangen sein muss bzw. wie sie zu solchen Menschen geworden sind. Bis heute habe ich darauf keine Antwort gefunden.

Ich selbst meine, dass kaum jemand eine ausdifferenzierte Antwort darauf liefern kann. Denn dazu müsste man unfassbar abgründig denken und (nach-)empfinden können, wie es wohl nur sehr wenige Menschen können.

Ich bin über jeden Erklärungsversuch dankbar.
 
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Das ist halt wie bei jeder Form von Extremismus, da steigert man sich eben immer mehr rein. Wenn du erstmal ordentlich die Propaganda gefressen hast und in deinem Kopf ganz klar ist, dass das halt alles lebensunwüridge Untermenschen sind, dann ist das am Ende wohl auch nicht schwerer als der Typ im US-Gefängnis der nen Knopf drückt/Schalter umlegt, damit halt der elektrische Stuhl angeht.
An die entscheidende Positionen werden dann ja auch nur die entsprechend überzeugten gekommen sein, denn aus der Sicht des Regimes war das ja eine wertvolle Aufgabe.
 
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Das Problem ist doch das dieses ganze "gefeiere" in ihrer Art wo es stattfindet wie es pupliziert wird die Leute die was daraus lernen könnten doch garnicht erreicht wird.
Frag doch mal Ali den alten Antisemiten von der Rütli Schule was er so vom Holocaust hält. Im besten fall hat er mal was von Auschwitz gehört aber was da passiert ist never.
 
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Da kannst du ebenso Netanjahu fragen, der hat auch nichts gelernt.

Zum Thema an sich denke ich nicht, dass die bw.de Stammklientel da groß drüber diskutieren wollen wird, "ist halt passiert und geht uns nichts mehr an". Vielleicht zieht sich BennyLon ja das ein oder andere KZ Massengrab s/w liveleak Video rein und stellt hier wieder einen "wie sind Menschen dazu fähig? ich kann das nicht fassen" Post rein :8[:
 
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Menschen tun soetwas nunmal mit Menschen.
Ein paar waren wirklich Geisteskrank. Die hatten die Macht. Alle anderen haben dann "nur Befehle befolgt". Viele hatten Angst um sich und die Familie und haben dann weggeschaut. Hätten nicht soviele weggeschaut wäre es niemals so schlimm kommen können.
Und ansonsten (wie Btah teilweise schon angesprochen) ist die Indoktrinierung damals sehr stark gewesen. Wenn man Menschen nicht mehr als Menschen sieht sondern nur noch als Schmarotzer, Erreger, Krankheit die man bekämpfen, abtöten, auslöschen muss - dann kommt soetwas dabei raus.

Man sollte wirklich nicht meinen, soetwas könnte heute nicht mehr passieren. Viel mehr müssen wir aufpassen damit soetwas nicht noch einmal passiert.

Ich war bisher in "nur" einem KZ - Flossenbürg. Wollte mit meinr Frau nach Tschechien und vor der Grenze haben wir dann ein Schild gesehen. Sind dann spontan dahin.
Die Unterbringung und Ausbeutung war grausam - aber so doof wie das klingt, man "kannte" schon das alles aus dem Fernsehen...
Was mich wirklich geflasht hat und was sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat war ein Buch was dort am Ende lag. Ein dickes, großen Buch, auf jeder Seite einach nur viele viele Namen und Sterbedaten (bei ca. 1/3 - 1/2 denke ich). Und ich hätte bestimmt lange Blättern können ohne ganz durch das Buch durch zu kommen. Dabei waren in dem Buch "nur" 35.000 Namen (glaube ich - weiß die genaue Anzahl nichtmehr. Vielleicht auch 85.000 und 35.000 Tote?). Ich habe mir also vorgestellt wie das ganze in größeren KZs aussehen würde. Und das hinter jedem dieser Namen ein Leben stand. Eine Geschichte. Eltern, eine Kindheit, Freunde, Verwandte... Dieses dicke, nüchterne Buch war für mich an diesem Tag das bedrückenste.
 
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Es gibt keine wirkliche "Antwort". Man kann nur versuchen, die Ursachen durch Forschung möglichst widerspruchsfrei offenzulegen. Es gibt sehr viele Elemente, die eine Rolle gespielt haben.

Zum Einlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Holocaustforschung

@TE: Die psychologisch-persönliche Ebene der Tat ist wohl auch die, die am unbegreiflichsten ist. Die Bilder sieht man irgendwie, und obwohl sie so surreal sind, weiß man innerlich, dass sie echte Begebenheiten zeigen. Auch die Zahlen liest man, obwohl man sie sich nicht so wirklich vorstellen kann. Aber die Vorstellung, dass z.B. ein einzelner Mann in einem Lager hunderte Menschen erschossen hat, oder dass irgendjemand den Gashahn auf- und zugedreht hat, das ist das, wo es zumindest mir auch immer wieder schlecht wird.

Deswegen ist das, was in den nächsten Jahren mit allen Mitteln versucht werden muss, ist, soviele Zeitzeugenberichte wie nur irgendwie möglich von den letzten Überlebenden zu sammeln. Denn schon in allerspätestens 15 - 20 Jahren werden die alle tot sein.

Zitat aus dem WIki-Artikel:
„Je mehr die Forschung von thematischen Querschnitten, regional angelegten Arbeiten und von Mikrostudien geprägt wird, desto mehr wird deutlich, dass es sich bei der Ermordung der europäischen Juden um ein gigantisches Massaker an Millionen von Menschen handelt, verübt von mehr als hunderttausend Tätern und Helfern unter den Augen einer unabsehbar großen Zahl von Zeitgenossen, die in passiver Haltung Zeugen des Verbrechens wurden.“

Es ist einfach in den Dimensionen viel zu krass. Wenn Boko Haram ein Dorf mit 3000 Ungläubigen plattmachen, ist das schon irre genug. Aber das, was die Nazis gemacht haben, war industrieller Massenmord. Das hatte schlicht eine "Qualität", die trotz aller wissenschaftlichen Ausleuchtung diesen Rest des Unfassbaren behält.

Deswegen finde ich es auch absolut notwendig, weiterhin darüber zu reden. Jedes Jahr, immer wieder. Es gibt kein "das war halt früher, das betrifft mich nicht". Und wie es jeden einzelnen Menschen betrifft. So ein Verbrechen darf sich nie wiederholen. Und es hat ja eben gezeigt, was möglich ist. Nur weil es vorbei ist, heißt das ja nicht, dass nicht eines Tages ähnliches oder gar schlimmeres passieren kann.
 
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Besuch in Auschwitz ist schon harter tobak, hab ich auch schon hinter mir, ein zweites mal geht man da aber vermutlich nicht freiwillig hin obwohl ich auch noch zahlreiche KZs in deutschland besucht habe, an Auschwitz kam aber einfach nichts ran vom abfuck faktor.

Was erklärungsansetzte angeht so ist das in der geschichte der menschheit nunmal leider kein einzelfall, wenn man selber davon überzeugt ist, dass man da unwertes leben vor sich hat wird es halt ausgelöscht, der industrielle maßstab ist hier mehr oder weniger das einzige alleinstellungsmerkmal, ob das nun europäische kolonisten sind, die indianer ausrotten, massenhaft neger versklaven, kreuzritter die ganze städte ausrotten oder kaiserlich katholische truppen komplett magedburgisieren... Rationalisierungen finden sich immer für die leute die sowas durchführen.
Für den American Sniper (jetzt im kino) der 160+ leute getötet hat (laut eigenen aussagen auch zahlreiche zivlisten) waren's halt unzivilisierte wilde, anders kommt man mit sowas glaube ich auch nicht klar.
 

Benrath

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Weil aktuell der Befreiung von Auschwitz vor 70 Jahren gedacht wird (http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/mdr/2014/sendung-vom-25012015-130.html), mal ein Thema dazu.

Durch die Dauerpräsenz und die ständige Wiederholung in Schule, Fernsehen, Kino etc. habe ich das Thema "2. Weltkrieg" irgendwann in seinem Ausmaß und seiner Bedeutung "unterschätzt". Ich weiß nicht, wie ich das besser beschreiben soll. Man sieht tausende Bilder und Fakten und vollzieht das soweit es geht in seiner Chronologie nach, aber weil es kein Ende dieser Bilder gibt, wird es beliebig.

Vor einigen Jahren stand ich dann für eine Besichtigung in Auschwitz und in Auschwitz-Birkenau und erst bei dem Anblick wurde mir ansatzweise begreiflich, was dort Unbegreifliches geschehen ist. Wie gesagt, die Bilder im Fernsehen und die Zahlen in Büchern sind die eine Sache. Selbst diese beiden Orte zu sehen die andere.

Danach war für mich der Begriff Konzentrations"lager" schon verkehrt, weil man nicht einmal Ware so unwürdig "lagern" würde. Der Begriff reicht nicht aus, um widerzuspiegeln, dass es einziger Sinn und Zweck war, menschliches Leben tagtäglich massenindustriell auszulöschen.

Ich habe mich auch schon vor dieser Besichtigung gefragt, wie Menschen zu solchen Menschen werden konnten, dass sie andere Menschen in solch einem Ausmaß industriell vernichten. Aber mehr in einem formellen Sinne. Nach der Besichtigung habe ich mich gefragt, was in den "Tätern", also denen, die wirklich vollkommen bewusst und gezielt die Vernichtung umgesetzt haben, vorgegangen sein muss bzw. wie sie zu solchen Menschen geworden sind. Bis heute habe ich darauf keine Antwort gefunden.

Ich selbst meine, dass kaum jemand eine ausdifferenzierte Antwort darauf liefern kann. Denn dazu müsste man unfassbar abgründig denken und (nach-)empfinden können, wie es wohl nur sehr wenige Menschen können.

Ich bin über jeden Erklärungsversuch dankbar.

guck halt Hannah Ahrendt Film z.B.. Ich find die banale Erklärung wesentlich überzeugender als daraus so eine einzigartige Sache machen zu wollen. Auserdem macht es einem bewusster, dass sich sowas wiederholen kann und vielleicht wärst du dann ja dabei?
 

Reary McFooface

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Was mich wirklich geflasht hat und was sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat war ein Buch was dort am Ende lag. Ein dickes, großen Buch, auf jeder Seite einach nur viele viele Namen und Sterbedaten

Ich hatte ein ähnliches Erlebnis. Ich hab Auschwitz und Buchenwald gesehen, und der Ordner, der im Deutsche Bahn Museum in Nürnberg in der NS-Abteilung auf einem Tisch in der Ecke zu finden ist, in dem in langweiligem Beamtendeutsch in Berichten festgehalten ist, wieviele Juden dieses Mal wieder versucht haben, aus den Zügen abzuhauen, und wieviele dann bei Fluchtversuchen erschossen werden mussten, hat mich härter getroffen.

Dem OP kann ich nur empfehlen sich mal Die Welle rein zu ziehen, das veranschaulicht ganz gut wie die Gruppendynamik hinter der Sache funktioniert haben dürfte.
 
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Ich muss dir zustimmen. Erst als ich ein KZ besucht habe, ist mir erst klar geworden wie unendlich grausam das war. Man hört und liest es zwar immer wieder, aber es ist so unrealistisch pervers das man es insgeheim nicht wirklich wahrhaben bzw vorstellen will.

Zu deiner Frage, was in den Menschen vor ging die die Massenvernichtung durchgeführt haben:
Wenn ich mich richtig erinner wurden Juden und die anderen Verfolgten in den ersten Jahren nicht industriell getötet, sondern durch Massenerschiessungen etc. Die Soldaten bzw Gestapo/SS/wasauchimmer Leute die die durchgeführt haben sind massenweise psychisch kaputt gegangen. Selbstmord und Drogenabhängigkeit waren die häufigsten Folgen. Klar gab es auch die Tiere unter den Leuten, die die Propaganda total geschluckt hatten und das ohne Reue gemacht haben. Aber hauptsächlich sind die Leute daran kaputt gegangen. Unter anderem deswegen wurde dann auch auf die industrie-massenvernichtung umgeschwenkt. Bei den Hinrichtungen konnte man auch verweigern - was aber natürlich Konsequenzen für dich bedeutet hatte. Je nachdem wer da über dir war, war zwischen Tot und "nur" Degradierung alles dabei.

Das war zwar keine Info zu Leuten in den Vernichtungslagern, aber ich denk du hast vllt ne Vorstellung bekommen, dass das auch Menschen sind und die "normalen" wahrscheinlich alle kaputt gegangen sind. Das hält kein Mensch aus der nicht total dahinter steht.
 
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Wir haben mal ein KZ mit der Schule besucht. Das war schon krass. Da waren wir aber noch klein und haben nicht groß nachgedacht.

In Kaiserslautern gibt es auf den Bordstein spezielle Steine vor Häusern wo dann halt z.B stand "Hier wohnte XYZ, ermordet im KZ X 1943". Da hat sich bei mir der Magen umgedreht. Diese KZ Bilder und Statistiken sind ja weit weg, aber wenn man sich dann überlegt in diesen Häusern kamen Nachts SS Leute und haben Juden geholt..
 
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Es ist einfach in den Dimensionen viel zu krass. Wenn Boko Haram ein Dorf mit 3000 Ungläubigen plattmachen, ist das schon irre genug. Aber das, was die Nazis gemacht haben, war industrieller Massenmord. Das hatte schlicht eine "Qualität", die trotz aller wissenschaftlichen Ausleuchtung diesen Rest des Unfassbaren behält.
Wobei das imho kein Unterschied der Idee ist. Ich kann mir schon vorstellen, dass die durchaus was ähnliches abziehen würden, wenn sie könnten, aber sie sind halt nicht diejenigen die an der Macht sind, sondern sind irgendwas ala Terrororganisation/Seperatisten o.ä. (als was man die genau definiert, ist am Ende dabei ja egal) und eben auch nicht in einer Industrienation. Wenn die aber die entsprechenden Möglichkeiten hätten, würden die mit sowas ggf auch anfangen, nur durchaus auch vielleicht eher von irgendeiner Fraktion aus dem Ausland auch wieder aufgehalten.
 

[fN]Leichnam

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guck halt Hannah Ahrendt Film z.B.. Ich find die banale Erklärung wesentlich überzeugender als daraus so eine einzigartige Sache machen zu wollen. Auserdem macht es einem bewusster, dass sich sowas wiederholen kann und vielleicht wärst du dann ja dabei?

dies.

Habe bisher nur ein KZ besucht: Buchenwald. Btw hat der Zentralrat der Juden jetzt vorgeschlagen, so einen KZ-Besuch für Schüler zum Pflichtprogramm zu machen. Was haltet ihr davon?
 
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Dass (nicht nur) der Mob des Themas WWII und Hitler langsam überdrüssig ist, das ist schon irgendwie verständlich. Hatte am Neujahrstag einfach nach ewig langer Zeit tatsächlich den Fernseher angemacht und auf Phoenix geschaltet: Bamm, irgendeine Sendung über Hitler. Man soll es nicht vergessen, sowas darf sich in keinerlei Weise irgendwie wiederholen, obwohl es widerwärtig ist, dass in vielen Ländern Menschen laufend in vielen Formen ausgebeutet werden und das der Öffentlichkeit in den Industriestaaten häufig nur eine Randnotiz wert oder punktuell kurze Zeit etwas mehr ist. Aber egal, darum geht's nicht. Das soll natürlich _kein_ Vergleich zum Holocaust werden, aber nur abbilden, dass es woanders trotz keines Regimes wie zu Hitlers Zeiten unbedingt "besser" ist.

Zum Thema Auschwitz/KZ/Gedenken:

Das kann einem eigentlich gar nicht aus den Ohren herausquillen. Nicht jedes Land arbeitet seine dunkle Geschichte wirklich auf in der Öffentlichkeit (als Beispiel bezüglich des sexuellen Missbrauchs koreanischer Frauen im 2. WK in Japan), da geht Deutschland trotz mehr oder weniger informativer Dauerberieselung zum Thema Hitler und Nationalsozialismus das Thema immerhin offen an.

Ich würde also KZs und Hitler-Regime irgendwie trennen. Man sollte nicht wegen des Dritten Reiches trauern, sondern eben wegen des Holocausts usw.
Auf der anderen Seite dürfen die Menschen von außerhalb heute dafür nicht mehr verantwortlich gemacht werden, z. B. wenn manche immer noch Vorurteile gegenüber "dem Deutschen" haben, nur weil dessen Opa mal in der HJ war oder in einem Lager an der Ermordung der Juden mitgewirkt hatte.

Zu Leichnams Frage:

Pflichtbesuche durch Schulen sind eigentlich keine schlechte Idee.
Denke auch, dass beim Anblick der Ruinen der Unterricht leichter fallen kann und die Bedeutung des Themas eher was bringt, als nur Texte in der Schule zu lesen, wo die Hälfte der Schüler eher mit ihren Smartphones daddelt, statt mitzulesen.

Schwierig ist es bei Touristen. Viele gucken sich gerade die Mahnmale zum Thema NS und Holocaust an, wenn man hier in Berlin beschließt, sich das anzugucken. Aber geht es da nur, das als eine "Sehenswürdigkeit" von vielen abzufrühstücken? Was denkt ein nicht in Deutschland lebender Mensch, dem in seinem Land der deutschen Geschichte naturgemäß weniger Platz in Schule und Medien eingeräumt werden als den Bürgern hier?
 
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Menschen tun soetwas nunmal mit Menschen.

So schauts leider aus.

Zuerst wird ein Gegner ausgemacht, dann entmenschlicht und schließlich umgebracht. Gabs immer wieder in der Geschichte und ich habe wenig Hoffnung dass es in Zukunft anders wird. Wenn man mal die Geschichte durchgeht gruselt es einen wie oft und regelmäßig und quasi überall sowas vorgekommt. Angefangen mit Talheim und in den letzten Jahrzehnten fallen einen sofort Ruanda und Jugoslawien ein. Toll jetzt bin ich schon am frühen morgen depressiv. :|

Aber speziell beim Holocaust gibt es wenigstens eine Erinnerungskultur, ein Versuch der juristischen Aufarbeitung und von Deutschland ein Schuldeingeständnis ohne Ausreden. Ist vielleicht nen Anfang.
 

Teegetraenk

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Mich hatte damals in Buchenwald das Gästebuch am Ausgang der Ausstellungsräume geschockt, war voller Hakenkreuze und Nazisprüche.
 

Gelöschtes Mitglied 683020

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Habe bisher nur ein KZ besucht: Buchenwald. Btw hat der Zentralrat der Juden jetzt vorgeschlagen, so einen KZ-Besuch für Schüler zum Pflichtprogramm zu machen. Was haltet ihr davon?

Deswegen finde ich es auch absolut notwendig, weiterhin darüber zu reden. Jedes Jahr, immer wieder. Es gibt kein "das war halt früher, das betrifft mich nicht". Und wie es jeden einzelnen Menschen betrifft. So ein Verbrechen darf sich nie wiederholen. Und es hat ja eben gezeigt, was möglich ist. Nur weil es vorbei ist, heißt das ja nicht, dass nicht eines Tages ähnliches oder gar schlimmeres passieren kann.

Mal deins plakativ rausgegriffen und Leichnams Post: Finde die Pflichtbesuche entsprechender Einrichtungen 100 mal hilfreicher als es jedes Jahr als Schüler zu hören. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich es ab der sechsten Klasse nicht mindestens einmal pro Jahr in aller Ausführlichgkeit gehört hätte. Nicht falsch verstehen, die Aufarbeitung ist wichtig, allerdings hat es mich persönlich weitaus mehr geprägt entsprechende Dokumente im Nürnberger Zentrum und in Buchenwald zu sehen. Die ganzen Bilder, Bücher alleine und das ewige Vorbeten in der Schule stumpfen dagegen schon fast zu krass ab.

Auch wenn es sich sehr nach einem Dr. Magister Magica Phil anhört, ein Kompromiss wäre imo zweckdienlicher. Gerade bei dem Überschuss an Gewalt, die man immer wieder vorgelegt bekommt, wird die Geschichte sonst irgendwie zu abstrakt. Die Bilder hat jeder gesehen, aber damit was anfangen steht auf einem anderen Blatt.

Was mich "damals" geflashed hat waren eher folgende Dinge:

Zeitzeugenbericht, von einem Überlebenden in der ~12ten Klasse ankam, eher "locker" redete, seine Geschichte (Theresienstadt) erzählte und direkt am Anfang die Todesfuge zitierte. Die Kombination war mega schräg, aber einprägsam.

Ich glaube in Nürnberg ein Vortrag im Dokuzentrum über die NS-Verbrechen, inklusive schriftlicher Dokumente im Beamtendeutsch mit Abschluss des Doku-Films, der für die Prozesse von den Amis angefertigt wurde mit Kommentar eines GIs, der damals irgendwie daram mitarbeitete. Angeblich wurde das primär festgehalten, weil es sonst "keiner glauben würde". Hatte er recht. Widerspricht zwar meinem Bilder-Argument, aber war eingänglicher, als jedes hingerotzte Foto in der Schule.
 

Gelöscht

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wir haben hier in der nähe auch ein kz-gedenkort. wir habens mal mit der schulklasse besucht, aber da ist man wahrscheinlich vom alter her noch nicht in der lage, das voll zu erfassen. vor 3 jahren war ich mit einem guten freund wieder dort, wir sind fast 3 stunden durch die einzelnen räume gewandert, haben die tafeln durchgelesen. der ort selbst ist recht verfallen und hat den morbiden charme einer industrieruine. überwuchertes gemäuert, faules und mosiges holz. schwer, die emotionen in worte zu fassen.

noch krasser finde ich ja interviews mit überlebenden von auschwitz. die dort mit dem zug hinkamen und dann sofort von vater, mutter, ehefrau, ehemann, kindern oder allgemein freunden und verwandten getrennt wurden und die sie dann auch niemals wieder gesehen haben, und die plagende gewissheit, völlig und ganz und gar ausgeliefert zu sein. wie da manche unter diesen gesichtspunkten noch sowas wie eine "geistige gesundheit" bewahren konnten, ist mir völlig schleierhaft.
 

Moranthir

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guck halt Hannah Ahrendt Film z.B.. Ich find die banale Erklärung wesentlich überzeugender als daraus so eine einzigartige Sache machen zu wollen. Auserdem macht es einem bewusster, dass sich sowas wiederholen kann und vielleicht wärst du dann ja dabei?
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Ich sehe das auch eher als Mischung aus menschenverachtender Ideologie, pleasure of skill (Eichmann wollte z.B. unter anderem zeigen, dass er ein richtig guter Logistiker ist) und der diffusion of responsibility ("wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer"). Außerdem glaube ich auch, dass viele weiter entfernte Helfer das Ganze nicht wahrhaben wollten.

Ich habe nie ein KZ besucht und muss sagen, dass mir das Museum am Holocaustmahnmal in Berlin (samt idiotischer Touris) reichte. Bin dafür zu zart besaitet.

@Sodom&Gomorrha
Ja, Japaner haben eine weitaus schlechtere Geschichtsaufarbeitung.
http://www.nytimes.com/2013/05/14/w...mfort-women-played-a-necessary-role.html?_r=0
Women Forced Into WWII Brothels Served Necessary Role, Osaka Mayor Says

Zu deiner Frage, was in den Menschen vor ging die die Massenvernichtung durchgeführt haben:
Wenn ich mich richtig erinner wurden Juden und die anderen Verfolgten in den ersten Jahren nicht industriell getötet, sondern durch Massenerschiessungen etc. Die Soldaten bzw Gestapo/SS/wasauchimmer Leute die die durchgeführt haben sind massenweise psychisch kaputt gegangen. Selbstmord und Drogenabhängigkeit waren die häufigsten Folgen. Klar gab es auch die Tiere unter den Leuten, die die Propaganda total geschluckt hatten und das ohne Reue gemacht haben. Aber hauptsächlich sind die Leute daran kaputt gegangen. Unter anderem deswegen wurde dann auch auf die industrie-massenvernichtung umgeschwenkt. Bei den Hinrichtungen konnte man auch verweigern - was aber natürlich Konsequenzen für dich bedeutet hatte. Je nachdem wer da über dir war, war zwischen Tot und "nur" Degradierung alles dabei.
Ja, ich meine, dass Heinrich Himmler sich die Massenerschießungen, die er 1941 (in der Ukraine oder so) bezeugen wollte nicht mitansehen konnte. Es gab tatsächlich so viel Ärger mit Offizieren, die über (eigene und fremde) psychische Probleme klagten, dass IG Farben richtig ins Spiel kam. Ich glaube aber, dass das Zeug schon deutlich früher an Behinderten getestet wurde, die dann offiziell an irgendeiner Krankheit gestorben sind.
 

Tisch

Frechdachs
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Bei den Hinrichtungen konnte man auch verweigern - was aber natürlich Konsequenzen für dich bedeutet hatte. Je nachdem wer da über dir war, war zwischen Tot und "nur" Degradierung alles dabei.

Soweit ich mich erinnere, gab es keine (schwerwiegenden) negativen Konsequenzen für die Soldaten, die die Durchführung von Hinrichtungen verweigerten. Von Ausnahmen natürlich abgesehen.

Edit: Schwerwiegend hinzugefügt.
 
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Ich habe mich auch schon vor dieser Besichtigung gefragt, wie Menschen zu solchen Menschen werden konnten, dass sie andere Menschen in solch einem Ausmaß [industriell] vernichten.

interessantes thema und ich hatte mal ein spannendes buch dazu gelesen, dessen titel ich jetzt nicht mehr weiß. es ging um die psychologie des boesen (im geschichtlichen kontext) und wie es sich (in einzelnen faellen) dazu entwickeln konnte. es gibt ja unendlich viele beispiele dafuer wie menschen, die sich zuvorst relativ 'normal' verhalten haben, scheinbar urploetzlich zu monstern wurden.
der voelkermord in ruanda ist auch so ein phaenomen und weist parallelen mit der systematischen ermordung von juden auf: quasi von einem tag auf den anderen haben hutus angefangen massenweise tutsi abzuschlachten. ihre eigenen nachbarn mit denen sie zuvor noch friedlich gemeinsam kaffee auf der veranda tranken. basically war die krasse ueberreaktion der hutu hier einfach dem umstand der manipulation durch staatliche einrichtungen geschuldet: iwann waren sie felsenfest davon ueberzeugt, dass die misere ihres eigenen lebens allein auf der existenz der (in der minderheit lebenden) tutsi beruht (sie seien ungerechtfertigt 'schoener', haben bessere soziale und wirtsch. positionen usw.) und das man sich dessen nur mit der kompletten ausloeschung dieser 'parasiten' - die wegnehmen was den hutu zustehe - entledigen könne.

ein anderes beispiel für das unsinnige 'boese' (in nicht diesem verheerendem ausmaße, dennoch anschaulich) ist ja das stanford-prison experiment. den meisten wohl besser bekannt als der deutsche film 'das experiment'. das experiment wurde weit vor dem ende der eigentlich angesetzen zeit abgebrochen, weil es moralisch nicht mehr tragbar war und die waerter in unverhaeltnismaeßigem maße anfingen ihre position gegenueber den haeftlingen zu missbrauchen, mit teils saddistischen ausmaßen. alle teilnehmer waren relativ normale menschen aus der mittelschicht, die bei persoenlichkeitstest herkoemmliche ergebnisse erzielten.

es wurden viele erklaerungsansaetze geliefert und ich hab auch nicht alles zu ende gelesen, aber quintessenz war: psychologische massenmanipulation (durch staatsapparate z.b.), sowie die dem menschen immanente (vermutung) faehigkeit absolut boesartig sein zu koennen sofern entsprechende voraussetzungen vorliegen (keine konsequenzen fuers bosartige handeln, machtposition, 'legales toeten' u.ä)
letzlich weiß man ja nicht wie es da um eines selbst bestellt ist, wenn man mal in so eine situation geraet. natuerlich sagt man sich aus dem abstand der retrospektive heruas objektiv 'haette ich nie gemacht, bin doch nicht behindert', aber wissen tut man es nie. finde den gedanken ziemlich heftig ...
 
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Shihatsu

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ab jetzt free bans für sarkasmus, ironie oder idiotie - und jeder der einen beitrag vermisst sollte sich angesprochen fühlen.
 

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@ Schops:

Durch nichts. So etwas lässt sich nicht verhindern.

Wenn die Geschichte uns etwas lehrt, dann dass die Menschheit nichts aus Fehlern lernt. Ich glaube, dass die Menschen jederzeit wieder etwas vergleichbares tun würden, wenn die äußeren Umstände es zulassen. Der "richtige" Agitator zur "richtigen" Zeit am "richtigen" Ort, das waren die Zutaten für den Aufstieg Hitlers. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie lange Hitler akribisch an der Machtergreifung gearbeitet hat, und wie "überrascht" am Ende alle waren, denke ich, dass man so etwas nicht kommen sieht. Das Standardwerk von Fest ist hierzu ein Meisterwerk.

Dass Menschenmassen primitiv sind, sieht man doch jeden Tag, egal ob Pegida oder ausverkauftes Dortmund-Spiel. Fussballspiele erfüllen mich immer wieder mit einem schaurigen Gefühl der Angst, wenn ich die Leute kreischen und gröhlen sehe, jegliche Vernunft vergessend. Und wie berechenbar man Menschenmasse kontrollieren kann, lässt sich mMn ganz gut hier nachlesen:

http://www.amazon.de/Masse-Macht-Elias-Canetti/dp/3596265444
 
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@ Schops:

Durch nichts. So etwas lässt sich nicht verhindern.

Wenn die Geschichte uns etwas lehrt, dann dass die Menschheit nichts aus Fehlern lernt. Ich glaube, dass die Menschen jederzeit wieder etwas vergleichbares tun würden, wenn die äußeren Umstände es zulassen. Der "richtige" Agitator zur "richtigen" Zeit am "richtigen" Ort, das waren die Zutaten für den Aufstieg Hitlers. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie lange Hitler akribisch an der Machtergreifung gearbeitet hat, und wie "überrascht" am Ende alle waren, denke ich, dass man so etwas nicht kommen sieht. Das Standardwerk von Fest ist hierzu ein Meisterwerk.

Dass Menschenmassen primitiv sind, sieht man doch jeden Tag, egal ob Pegida oder ausverkauftes Dortmund-Spiel. Fussballspiele erfüllen mich immer wieder mit einem schaurigen Gefühl der Angst, wenn ich die Leute kreischen und gröhlen sehe, jegliche Vernunft vergessend. Und wie berechenbar man Menschenmasse kontrollieren kann, lässt sich mMn ganz gut hier nachlesen:

http://www.amazon.de/Masse-Macht-Elias-Canetti/dp/3596265444

naja, was heißt aus fehlern lernen, da sich geschichte grundsätzlich nicht wirklich wiederholt, sind die fehler ja immer gesondert zu betrachten (ausnahmen möglich ;) ), vor allem hinsichtlich der notwendigkeit, sie zu begehen.
aber ja, grundsätzlich haben schreckliche ereignisse wie der holocaust ein paar jahrzehnte den effekt, dass ähnliches nicht mehr auftritt, aber der effekt verblasst einfach mit der schieren jahreszahl, die das ereignis zurückliegt, da ändern auch die gedenkfeiern nichts mehr, das ist dann einfach zu weit weg als dass es zb heutige junge erwachsene noch groß abschrecken könnte
 

Reary McFooface

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Btw hat der Zentralrat der Juden jetzt vorgeschlagen, so einen KZ-Besuch für Schüler zum Pflichtprogramm zu machen. Was haltet ihr davon?

Anschauungsunterricht ist immer besser, weils einfach hängen bleibt. Finds auf jeden Fall besser, als die Geschichte ständig wieder durch zu nudeln, aber gewisse Teile komplett zu tabuisieren. Die Schüler vielfach mit der relativ oberflächlichen Behandlung des Themas zu nerven, schadet mehr, als komplett darauf zu verzichten. Bevor man nicht den psychologischen Aspekt behandelt, und bevor den Schülern nicht klar ist, dass sie in der gleichen Situation genauso gehandelt hätten, ist halt so ein Besuch nicht mal ansatzweise so wirkungsvoll, wie er es sein könnte. Ist halt schwierig das näher zu bringen, wenn die Menge der Lehrer paar Lichtjahre von den Schülern distanziert ist. Vielleicht wirds besser, wenns nicht mehr die Nachkriegsgeneration ist, die das den Kindern beibringen muss.

Kann zu dem Thema auch immer wieder The Act of Killing empfehlen. Die Doku zeigt recht gut, was in dem einzelnen Täter vor geht, auch wenns um Indonesien 65-66 geht, und nicht um unseren Massenmord. Vieles von dem, was in der Doku gezeigt wird, deckt sich mit dem, was ich von Verwandten über unsere Gesellschaft damals gehört habe.
 
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dies.

Habe bisher nur ein KZ besucht: Buchenwald. Btw hat der Zentralrat der Juden jetzt vorgeschlagen, so einen KZ-Besuch für Schüler zum Pflichtprogramm zu machen. Was haltet ihr davon?

Ich durfte auch mal in Tschechien ein KZ besuchen. Ehrlich, ich weiß nicht einmal mehr dessen Namen. Google Recherche sagt Theresienstadt, es ist aber nichts in Erinnerung geblieben. Ich halte nichts von Pflichtprogrammen für Schüler. Ich kenne Schulgruppen, die sind mit Fun(!)tours nach Auschwitz gefahren. Den Abend vorher gab es viel Schnaps, alle hingen tagsüber durch, abends dann frühzeitig mit dem Bus (Schlaf!) zurück und dann wurde weiter gefeiert. Erinnerungsmomenten sind so auch eher nicht enstanden, geschweige denn irgendeine Art von Bewusstsein.

Auch die ganzen Dokus, Geschichtsunterricht etc. pp. führt in der undifferenzierten Masse an Informationen bestenfalls zum Abschalten, schlechtestenfalls zum "Aufgeilen" an den Tötungszahlen und Methode. Ist jetzt zwar übertrieben, aber man Stelle es sich wie beim Quartettspielen vor. "KZ X ist viel schlimmer als Y, weil da 10 Leute mehr getötet wurden."

Wirklich geflasht haben mich interessanter zwei völlig andere Sachen:
1. Der Film Schindlers Liste und die damit zusammenhängenden Schicksale bzw. Dokus derer. aber vor allem

2. das meine Oma jahrelang den vom Vater verstecken Juden heimlich essen auf den Dachboden gebracht hat, mit ständigen Angst entdeckt zu werden.

Kurz: Ich halte nichts von so einer Art Pflichtprogramm. Interessanter und auch bewegender ist imho das Auseinandersetzen mit Einzelschicksalen, da nur so das wahre Leid zum Vorschein kommt. Nur durch Identifikation mit dne Opfern und deren Situation kann ein Bewusstsein für die Unmenschlichkeiten erzeugt werden. Der Rest verschwindet in der Anonymität der Zahl. Eine andere Methode wäre das Beobachten banaler Details (Buchführung) um die "Banalität des Bösen" zu zeigen. Betroffenheitsbesuche im KZ o.ä. helfen da eher nicht.

Dann zu dem Thema auch immer wieder The Act of Killing empfehlen. Die Doku zeigt recht gut, was in dem einzelnen Täter vor geht, auch wenns um Indonesien 65-66 geht, und nicht um unseren Massenmord. Vieles von dem, was in der Doku gezeigt wird, deckt sich mit dem, was ich von Verwandten über unsere Gesellschaft damals gehört habe.

Empfehle ich auch! Zeigt auch herrvorragend die "Entfremdung" des Täters von den Opfern und die komplette Dynamik des Massenmords. Zusammen mit anderen "Kulturquellen" (z.B. die Welle) kann man viel eher zeigen, was warum und wieso passiert ist, was die Anzeichen für eine Entwicklung sind und vor allem, wie man sich "wehren" kann.
 
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Jo Pflichtbesuche wären garnicht mal so schlecht aber unter Bestimmten umständen das dabei auch was hängen bleibt.
Also weniger als Klassenfahrt sondern eher so als Sonderkur vom Staat bezahlt und Klassen in getrennten Gruppen das eben nicht sone Feierklassenfahrt entsteht und mit Betreuern die das ganze dann Professionell machen.
 
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Teilweise (wenn ich zurück denke an eine KZ Exkursion) war das schon "die harte Keule". Und irgendwo bin ich mir auch nicht ganz sicher was genau es "bringt" wenn man so ein KZ besichtigt hat.

Finde es auch schade, dass des öfteren wenn es in der Schule um das Thema NS Zeit ging hauptsächlich "der böse Hitler der das alles fast alleine gemacht" behandelt wurde. Banken, IG Farben usw.. stehen im Lehrplan anscheinend nicht so drinnen.

Ansonsten: Was da passiert ist.. ist kaum begreifbar. Aber kaum begreifbar ist auch, dass ähnliches (klar in kleinerem Maßstab) auch jetzt noch passiert.


8[
 
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Ich durfte auch mal in Tschechien ein KZ besuchen. Ehrlich, ich weiß nicht einmal mehr dessen Namen. Google Recherche sagt Theresienstadt, es ist aber nichts in Erinnerung geblieben. Ich halte nichts von Pflichtprogrammen für Schüler. Ich kenne Schulgruppen, die sind mit Fun(!)tours nach Auschwitz gefahren. Den Abend vorher gab es viel Schnaps, alle hingen tagsüber durch, abends dann frühzeitig mit dem Bus (Schlaf!) zurück und dann wurde weiter gefeiert. Erinnerungsmomenten sind so auch eher nicht enstanden, geschweige denn irgendeine Art von Bewusstsein.
Gemessen an anderen Exkursionen in der Schule stell ich mir, je nach Klasse, so eine Besichtigung mit der Gruppe von >20 Leuten auch nicht zwingend sinnvoll vor. Ist natürlich immer von den Schülern und dem Lehrer abhängig, aber letztendlich wird dadurch eine "jede Klasse sollte da hin"-Forderung dadurch imho wenig sinnvoll.
 
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Teilweise (wenn ich zurück denke an eine KZ Exkursion) war das schon "die harte Keule". Und irgendwo bin ich mir auch nicht ganz sicher was genau es "bringt" wenn man so ein KZ besichtigt hat.

Finde es auch schade, dass des öfteren wenn es in der Schule um das Thema NS Zeit ging hauptsächlich "der böse Hitler der das alles fast alleine gemacht" behandelt wurde. Banken, IG Farben usw.. stehen im Lehrplan anscheinend nicht so drinnen.
Im Lehrplan steht durchaus drin, dass die Kinder den ganzen Umfang der NS-Verbrechen kennenlernen sollen. Hängt extrem am Geschichtslehrer, ob das Ganze auch gelingt.

Der Besuch von Gedenkstätten kann nur "funktionieren", wenn die Kinder entsprechend vorbereitet wurden. Und das heißt jetzt nicht, dass der Lehrer stundenlang von den schlimmen Nazis schwadroniert und den Kindern einbläut, im KZ ja schön brav zu sein und die Klappe zu halten.

Im Idealfall machts bei einigen "klick" und sie kapieren, dass diese Orte real existieren und nicht nur virtuell in Form von Artikeln im Buch oder von Filmen. Das moralinsaure "Ihr müsst euch schuldig fühlen!" hat ohnehin nix im Unterricht verloren. Es geht darum, dass die Kinder nachvollziehen können, dass Menschen zu Dingen fähig sind, die jeden moralischen Rahmen sprengen. Wobei es natürlich auch bei Jugendlichen Exemplare gibt, die krasse Vorurteile mit sich herumtragen, und teilweise auch offen antisemitische Parolen nachplappern. Da kann man im Unterricht zwar gegensteuern, wenn das Umfeld / die Familie der Kinder jedoch "zu stark" ist, sind da auch den besten Pädagogen die Hände gebunden.

Was auf jeden Fall total viel bringt, ist, der Geschichte Gesichter und Stimmen zu geben. Da bieten sich Berichte von (oder mit) Überlebenden an. Wenn ein Mensch erzählt, ist das 100x nachvollziehbarer, als wenn in nem Buch abstrakte Tabellen über Opferzahlen gelesen werden.

Edit: Ich selbst war 2x mit der Schule (Dachau, Buchenwald) und 1x mit nem Uni-Seminar (Flossenbürg) in ner Gedenkstätte. Dachau war in der 8. Klasse, kann mich nur noch erinnern, dass die Stimmung insgesamt sehr ruhig war. Unser Lehrer war einigermaßen zufrieden mit unserem Verhalten. Ist recht mutig ausgerechnet mit ner 8. ins KZ zu fahren. Da sind Jugendliche erfahrungsgemäß am bescheuertsten im Kopf.
Buchenwald war surreal, da das Wetter so richtig scheiße war. (Nebel, Regen) Da hat sich der Exerzierplatz ins Gedächtnis gebrannt. Einfach nur ne leere Fläche und die Phantasie. Das war schon bewegend. Flossenbürg ist insofern interessant, als dass ein Großteil des ehem. KZ-Geländes heute mit Wohnhäusern bebaut ist. Die haben das meiste vom KZ abgetragen und nur ne "kleine" Gedenkstätte stehenlassen. Finde ich persönlich eher panne, aber so sind sie halt im Wald. :/

Allgemein kann ich nicht behaupten, dass die KZ-Besuche mit mir groß etwas angestellt hätten. Wie soll das auch gehen? Sie haben sicher dazu beigetragen, dass ich mich nun als Erwachsener gegen Faschismus und Nationalsozialismus einsetze. So gesehen waren sie also Teil meiner Bildung.

Das Schwierigste ist eben der moralische Balanceakt. Man kann Leute nicht dazu zwingen, Mitleid zu haben / zu zeigen. Man kann sie nur darauf aufmerksam machen, was sich in der Welt früher zugetragen hat. Ich denke, dass fast jeder Mensch dazu in der Lage ist, die Tragweite der NS-Verbrechen nachzuvollziehen. Ob das reicht? Das zeigt die weitere Geschichte. :|
 
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Ich habe erst ein KZ besichtigt, irgendwann in der 8. oder 9. Klasse. Bin der Meinung das war in irgendwo in Ostfriesland oder bei Emden oder so, keine Ahnung. Habe nicht mehr viele Erinnerungen, war als Schüler halt "nur ein Ausflug". Ich glaube auch dass man die Grausamkeiten, die sich dort abgespielt haben, als Jugendlicher/Heranwachsender gar nicht richtig begreift.
In ein "richtiges" KZ könnte ich nicht, bin dazu zu zart besaitet.

Ansonsten ist es natürlich ein wichtiges Thema, wobei ich nichts von Pflichtbesuchen in KZs halte. Weiterhin sollte der Stoff (2. WK und alles drumherum) in den Schulen etwas weniger behandelt werden. Ich hatte von der 5. oder 6. Klasse an jedes Jahr mindestens 3-6 Monate dieses Thema in Geschichte. Irgendwann ist man dessen überdrüssig, es "nervt" nur noch weil es sich immer wiederholt. Dann lieber einmal richtig aufarbeiten und nach ein paar Jahren wiederholen, aber nicht jedes Jahr.

Ansonsten lese ich seit (vor)gestern viele Artikel zum Thema Auschwitz und gucke mir Bilderreihen ist. Unvorstellbar was damals passierte.
 
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Ich habe erst ein KZ besichtigt, irgendwann in der 8. oder 9. Klasse. Bin der Meinung das war in irgendwo in Ostfriesland oder bei Emden oder so, keine Ahnung. Habe nicht mehr viele Erinnerungen, war als Schüler halt "nur ein Ausflug". Ich glaube auch dass man die Grausamkeiten, die sich dort abgespielt haben, als Jugendlicher/Heranwachsender gar nicht richtig begreift.
In ein "richtiges" KZ könnte ich nicht, bin dazu zu zart besaitet.

Ansonsten ist es natürlich ein wichtiges Thema, wobei ich nichts von Pflichtbesuchen in KZs halte. Weiterhin sollte der Stoff (2. WK und alles drumherum) in den Schulen etwas weniger behandelt werden. Ich hatte von der 5. oder 6. Klasse an jedes Jahr mindestens 3-6 Monate dieses Thema in Geschichte. Irgendwann ist man dessen überdrüssig, es "nervt" nur noch weil es sich immer wiederholt. Dann lieber einmal richtig aufarbeiten und nach ein paar Jahren wiederholen, aber nicht jedes Jahr.

Ansonsten lese ich seit (vor)gestern viele Artikel zum Thema Auschwitz und gucke mir Bilderreihen ist. Unvorstellbar was damals passierte.


Wenn ich so mitbekomme was meine Spezialisten aus der 9. teilweise in den Pausen usw vom Stapel lassen sollte man das Thema noch viel stärker behandeln. Die checken es einfach nicht. Es ist unsere Geschichte - und es wird für immer unsere Geschichte bleiben - das jemals zu vergessen bzw. "abzuschwächen" wäre fast schon lächerlich.
 

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"unsere" geschichte. mir geht dieser nationalmumpitz auf die eier. oder ums mit pispers zu sagen, ich bin schon genug damit beschäftigt "ich" zu sein, zum deutsch-sein komm ich ganz selten.
 

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Ja, weil "mehr von dem" bei Jugendlichen bestimmt funktioniert. Ich kann dir nur sagen wie ich es empfunden habe: es hat genervt.

Und wenn etwas nervt trägt es bestimmt nicht dazu bei, sich mit dem Thema intensiver zu befassen.
 

Benrath

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Naja ausnahmsweise ist morph zuzustimmen. Lieber 2-3 mal über die Zeit vernüftig als jedes mal scheisse.
 
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"Unsere" muss ja nicht "deutsch" heißen, auch wenn der Holocaust nun mal für immer und ewig mit der dt. Geschichte verbunden sein wird. Das ist so und damit müssen alle, die danach geboren sind, Handel betreiben. Dass viele sagen "Geh weg, mich nervt das." verstehe ich schon. Nachvollziehen kann ichs aber nicht. Geschichte selbst kann nicht nerven. Nur die Leute, die sie vermitteln.

Und ja, da gibts definitiv ne unfähige Kaste bei den Lehrern. Das sind dann entweder welche, die zu blöd/uninformiert/stumpf sind, um den richtigen Ton zu treffen, oder aber solche, die mit dem erhobenen Moralzeigefinger dozieren. Gerade Teenager haben meist keinen Bock auf Erwachsene, die ihnen sagen, was moralisch gut / schlecht ist. Aber das heißt nicht, dass sie amoralisch denken, im Gegenteil. Die haben nen ziemlich genauen Kompass, nur ist der nicht auf lange zurückliegende Verbrechen der Menschheit geeicht.

Ich bin auch in Dtl. aufgewachsen und wurde in der Schule jahrelang mit der NS-Zeit konfrontiert. Hat mich nie genervt, im Gegenteil. Bin als historisch Interessierter aber natürlich nicht repräsentativ. Zudem hatte ich fantastische Geschichtslehrer in der Schule.
 
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http://www.ardmediathek.de/tv/Repor...rste/Video?documentId=26107162&bcastId=799280
achtung: nichts für schwache mägen.

ich war noch in keinem KZ ("leider" aus sicht der gemachten erfahrung und des vermittelten Gefühls heraus, weil einem bilder und filme das einem nicht ähnlich rüberbringen können). habe aber auch von vielen gehört, dass es sich heute kaum noch lohnt, da die zeit wohl einiges vom gesamteindruck gelöscht hat.

für mich ist momentan am erschreckendsten, mit jedem artikel den ich lese und mit jedem film den ich dazu sehe, die überblickende erkenntnis wie kurz diese vergangenheit eigentlich erst her ist. ich meine, wenn ich resümiere wie schnell die letzten ca. 30 jahre auf der erde für mich rumgingen und dass diese zeitspanne ja nur knapp die hälfte des zeitraums ist, vor der dieser weltkrieg stattgefunden hat. man sieht die dokus, s/w-bilder und verwackelten, pixeligen, ohne-ton aufnahmen und denkt halt dass diese zeit so unrealistisch fern ist, dann sind es aber gerade mal knapp 70 jahre und es ist schwer vorstellbar, was da auf der welt los war und wie nah solche geschehnisse wie holocaust, diktatur, weltkrieg, usw eigentlich doch noch sind.
 
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[fN]Leichnam

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Soweit ich mich erinnere war das Thema WKII und Holocaust bei uns gar nicht so totgeschwätzt worden. Glaube wir hatten bis zur 8. oder 9. Klasse das höchstens mal angeschnitten und dann kam es einmal oder zweimal intensiv dran. Dazu Schindlers Liste im Unterricht geguckt und halt die Buchenwaldfahrt.
Das war glaube ich in der 9. Klasse. Also es sind schon Bilder, die sich einprägen, wenn man bereit ist, seine Fantasie anzuschalten. Das Lagertor, dieser eine Operationstisch da, die Haken zum Erhängen, die Genickschussanlage. Das waren schon starke Eindrücke, die ich auch heute noch recht klar vor Augen habe.
Allerdings bin ich auch eher dagegen das zum Pflichtprogramm zu machen. Zum einen, weil es ohnenhin von den allermeisten Klassen in der oder der Form durchgeführt wird und zum anderen, weil es meiner Meinung nach das gute Recht eines Schülers oder einer Schülerin ist, zu sagen, ich will das nicht sehen.
 
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