Ich beziehe mich im Folgenden mal eher auf Kurzgeschichten.
Viele ziemlich gute Geschichten lassen sich, meiner Ansicht nach, gerne in einem simplen Satz zusammenfassen.
"Ein kleiner Junge bewacht die Trümmer, in denen sein toter Bruder liegt."
"Ein Mann schließt einen Pakt mit dem Teufel."
"Ein Kapitän jagt einen Wal."
Dass der Wal weiß ist und dass Beinchen vom Kapitän abgeknabbert hat, dieser ihn deswegen unbedingt tot sehen will muss man ja ganz am Anfang noch nicht wissen. Sowas kann man entwickeln. Schließlich sollte der Kapitän eine Motivation zu haben den Wal zu fangen und da er als echter Kapitän sowieso ein Holzbein braucht; zack der Wal wars gewesen.
Der kleine Junge hat Angst, dass sich Ratten an die Leiche machen und Faust möchte eben Gretchen mit Unterstützung von Date Doktor Mephisto.
Was ich sagen möchte, die Grundidee mag simpel sein, sie braucht aber anfangs nicht viel mehr als "Potential nach oben" zu besitzen.
Hat man mal eine Idee, dann kann man ruhig auch ein paar strukturelle Probleme angehen: Ort, Zeit, Personen, Erzählperspektive (so dürfte es z.B. nicht ganz unerheblich sein, ob man eine Geschichte über einen Geisterkranken aus der Innensicht oder von außen erzählt),verwendete Sprache (angenommen man schreibt über etwas sehr technisches, z.B. eine Beschreibung eines Schiffsmotors, dann kann man natürlich jedes Zahnrädchen schildern und mit Fachtermini um sich werfen; eine komplett andere Dimension erhält man, wenn man diesen Motor mit einem kraftvollen Tier asoziiert, Geräusche = Schnauben, die Kolbenbewegungen = die atmende Brust etc.) usw...
Naja, irgendwann sollte man dann aber einmal beginnen, denn wirklich wirklich viel kommt beim Schreiben. Und wenn etwas nicht passt wirds eben durchgestrichen. Überhaupt finde ich bei einer Kurzgeschichte kann man relativ viel streichen, vor allem solche Abschnitte, die man "ganz nett" findet, die aber eigentlich der Sache nicht dienen. Und besonders die ersten Zeilen sollten ziemlich perfekt sein. Was nützt es einem, wenn man ein Bombenende hat, aber kein Mensch weiter als bis zum 3. Satz liest? Einen schlechteren Mittelteil verzeiht man eher denke ich. Das Ende muss dann aber auch wieder sitzen.
Jo, so wie Leichnam es vorschlägt kann mans natürlich auch machen, aber ich denke ein paar grundlegende Gedanken tragen schon zur Hilfe bei und ich glaube irgendwann schafft man es einfach nicht mehr durchs reine schreiben (allgemein je größer die Form, desto mehr Struktur; ist meine Ansicht).