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Ich hätte mir niemals zu träumen gewagt, dass diese Dinge geschehen würden. Ich meine, es war doch alles nur eine Art Zeitvertreib. Es war einfach cool sich zu treffen, nachts, an einem schaurigen Ort, mit einer Flasche Wein. Wir lasen uns gegenseitig unsere neuesten Gedichte vor. Wir spielten mit den Worten, versetzten uns gegenseitig in düstere Stimmungen. Eigentlich schrieb ich nur, weil die Worte sich so reimten, und weil mir langweilig war und weil ich mich dadurch fühlte als wäre ich jemand. Ich fühlte mich groß.
Die Wunden der Zeit heilen nicht aus
Aus den Tiefen der Schatten erheben sie sich
Die Geister der Ahnen ziehen hinaus
Und verschlingen mit ihrem Hass das Licht
Es ist eine Weise so alt wie die Welt
Unsagbar und fern und doch so präsent
Der Zauber der die Schatten gefangen hält
Wird schwächer und verliert sich im Wind
Es dämmert im Antlitz der Menschen nun
Das uralte Übel so lange verdrängt
Von Doktrinen und wissenschaftlichem Tun
So lange unterdrückt und gehemmt
Das Chaos, das Feuer, es bricht nun hervor
Es bahnt sich den Weg durch das schwache Fleisch
Es singen die Schwerter und Speere im Chor
Und hinab stürzt das siechende Reich
Der Wind wird einst sagen
Wie klar es dann ward
Wie tief war das Atmen
Am folgenden Tag
Wie sprudelten Quellen
Wie blühte der Hain
Nach den lodernden Wellen
War die Welt wieder rein
Dies gab ich an jenem Abend zum Besten und meine Gefährten waren lange sprachlos. Wir lachten dann und genossen die Düsternis und schaurige Romantik dieses Moments und dann ging jeder von uns nach Hause. Es war weit nach Mitternacht. Am nächsten Tag musste ich in die Schule. Leise kletterte ich über die Mauer im Hof und dann über die Mülltonnen auf die Balkone. So kam ich im 2. Stock an und stieg wieder in mein Fenster ein. In meinem Bett lagen noch die Lumpen und Kuscheltiere, die meine Mutter glauben machen sollten, ich würde brav daliegen und schlafen. Ich hatte nicht für die Mathe-Klausur gelernt und die Wirklichkeit außerhalb meiner Fantasie kehrte in Form eines flauen Gefühls in meinem Magen zurück. Eigentlich brauchte ich mal wieder was anderes als eine 5.
Ich erwachte kurz nach der Dämmerung. Es war Sommer, also muss es so um 4, halb 5 gewesen sein. Ich hatte nicht mehr als 2 Stunden geschlafen. Ich erwachte von einem Dumpfen, dröhnenden Geräusch und wunderte mich. Dann ertönte ein ungeheuer lautes Krachen. Das ganze Haus vibrierte, Staub und Putz bröselten von der Decke. Mein Fenster zerbarst und ich wurde fast aus dem Bett geschleudert. Mein Herz begann mit einem Mal zu rasen. Tausende Dinge gingen mir durch den Kopf. War ich plötzlich in einem Hotel in Tel-Aviv, wo eine Autobombe vor dem Eingang explodiert ist? War die Straßenbahn mit voller Fahrt in einen vorbeifahrenden Tanklaster gerast? Was zum Henker war nur Los?
Als ich die Tür zum Flur öffnete und den Abgrund erblickte, der einmal unsere Küche und das Wohnzimmer gewesen war, hatte ich eine ungefähre Ahnung, was geschehen war. Die Welt musste wirklich gerade im Begriff sein, unterzugehen.
Dabei hatte ich solche Dinge immer für Spinnereien gehalten. Alle 10 Jahre oder so und jedes Mal wenn komische Jahreszahlen auftraten, soll es wieder mal Zeit gewesen sein, dass die Welt untergeht. Eine Menge Sekten und dubiose Organisationen bauten sich auf diesen Mutmaßungen. Doch wurden sie je wahr? Nein! Nicht einmal im Jahr 2000, was ja nun wirklich nicht alle Tage passiert, war irgendeine nennenswerte Katastrophe zu vermelden gewesen. Was mich wunderte war, wieso gerade jetzt?! Eigentlich war der nächste Termin doch 2012 gewesen. Was mich außerdem beschäftigte war, wo war meine Mutter nun? Ist sie jetzt irgendwo in diesem Trümmerhaufen begraben?
Man kann sich kaum vorstellen was einem alles durch den Kopf geht, wenn man nichts ahnend aus dem Schlaf gerissen wird, seine Tür aufmacht und solch ein Schlachtfeld vor sich sieht. Ein brennender, qualmender Trümmerhaufen, der weniger als 2 Stunden zuvor noch meine altbekannte Heimatstadt gewesen war. Komischerweise musste ich immer noch an die Mathe-Klausur denken und hatte immer noch dieses flaue Gefühl im Magen. Die Gehörnten Dämonen von der Größe eines 2 stöckigen Hauses, die gerade die Stadt verwüsteten beschäftigten mich gar nicht mal so sehr. Obwohl sie schon beeindruckend waren. Und beängstigend, das gebe ich zu. Plötzlich war ich dem Heulen nahe. Ich dachte an meine Mutter, und wie Scheiße es wäre, wenn sie jetzt wirklich in dem Trümmerhaufen da lag. Dann musste ich wieder unweigerlich an die Schule denken, denn das war der Punkt, an dem ich nun den einzigen Schritt unternehmen konnte, der auch nur einen Funken Sinn gemacht hätte: Meine Freunde treffen.
Die Jahrelange Klettererfahrung zahlte sich aus, als ich den gleichen Weg zurück auf die Strasse nahm, den ich vor kurzem gekommen war. Unser Treppenhaus war ja nun vorübergehend nicht begehbar.
Ich hatte Mühe meinen Weg zu finden. Viele Straßen waren von Schutt und Geröll versperrt und quer durch ein Trümmerfeld oder ein zerstörtes Haus zu laufen nahm enorm viel Zeit in Anspruch. Ich hatte mir auch schon mehrmals den Fuß umgeknickt und voller Ruß war ich auch schon. Überall brannte es und tote Menschen lagen herum. Menschen schrieen in Panik und flohen wo sie nur konnten. Die Dämonen waren relativ wahllos was ihre Opfer anbelangte. Mich erwischten sie nie mit ihren riesigen Pranken oder Stachelbewehrten Schwänzen. Das wirklich Gefährliche, waren Trümmerteile die überall rumflogen und das Feuer und der Ruß, die immer mehr zunahmen und den ganzen Sauerstoff verschlangen. Dort wo es nicht brannte war es außerdem Stockduster von dem ganzen Rauch. In Anbetracht dieser Situation waren meine Nerven auch schnell am Ende. Ich heulte jetzt nur noch und war verwirrt und wollte einfach wissen was um alles in der Welt nur sein konnte. Ich wusste nicht einmal wie ich es in meinem Kopf in Worte fassen sollte, nur für mich selbst. Ich fand keine Worte. Es war einfach bloße, wortlose und gedankenlose Verzweiflung die meinen Körper durchströmte wie kaltes Wasser, dass sie einem nach dem Blutspenden in die Venen pumpen. Kalter schweiß und Tränen vermischten sich mit dem Ruß auf meinem Gesicht und das einzige, was sich in Form eines Gedankens in meinem Kopf manifestieren konnte war die Schule, meine Freunde. Wenn ich sie nur treffen könnte bevor alles vorbei ist, bevor ich irgendwo unter einem Stein begraben oder gegrillt wurde.
Meine Freunde, das waren Gregor Reitner, Daniel Willmann und Phillip Born. Für mich waren sie nur Greg, Daniel und Pappe. Außerdem war da noch Lisa, die manchmal mit uns abhing. Daniel und Phillip waren aus meiner Klasse und die einzigen Leute, mit denen ich wirklich klarkam. Sie waren völlig durchgeknallte Computerspieler und hingen wirklich die ganze Zeit zusammen und laberten über Erfahrungspunkte, Schadensklassen und Aufbau-Strategien. Sie nahmen bei manchen Games sogar an Meisterschaften teil und schwänzten dafür die Schule und wenn sie mal nicht über ein Computerspiel laberten, dann spielten sie irgendein abgedrehtes Trading-Card-Game. Ihre Noten in der Schule waren irgendwo im Durchschnitt, obwohl Phillip auch schon öfter mal versetzungsgefährdet war. Gregor war eigentlich eine Klassenstufe über uns und er war monsterintelligent. Sein einziger Nachteil war, dass sein Elternhaus wohl mega beschissen gewesen sein muss, weswegen er immer in Lumpen in die Schule kam und nie wirklich Arbeitsmaterial hatte. Er hatte auch nicht wirklich Freunde in seiner Klasse.
Unser erstes Zusammentreffen fand einmal irgendwo auf dem Hof statt. Pappe und Daniel diskutierten über die optimale Antwort auf eine bestimmte Strategie bei ihrem Lieblingsspiel. Ich stand daneben und hörte nur zu und bewunderte die Hingabe mit der sie über eigentlich Nicht-existente Dinge sprachen. Plötzlich kam Gregor dazu. Er hatte vorher irgendwo hinter uns auf einer Bank gesessen und in einem Buch gelesen. Er stand plötzlich da, ziemlich unscheinbar und ohne sich aufzuspielen. Er meinte:“ Spätestens ab dem Midgame kannst du Gardewachen gegen Bullrogs vergessen, es sei denn du hast mindestens doppelt so viel Eco wie er oder er ist ein absoluter Vollnoob!“.
Ich war erstmal sprachlos, ich konnte da eh nie so mitreden wie die, aber die drei waren von einem Moment auf den anderen in ein tiefgründiges Streitgespräch verwickelt, bei dem die restliche Pausenzeit wie im Flug verstrich. Obendrein war der Grundstein für noch weitere Diskussionen gelegt und auch für die starke Verbindung, die wir vier später mal haben würden.
Es kam nämlich so, dass Gregor uns irgendwann alle für Dichtkunst begeisterte. Wir waren ja sowieso schon Fantasy-Fans und hatten alle großen Vertreter des Genres gelesen, doch selber Geschichten oder Gedichte zu verfassen war uns nie in den Sinn gekommen. Eines Tages saßen Greg, Pappe und ich auf einer Bank auf dem Schulhof und wir schauten uns Pappes neue Trading-Cards an. Da viel Gregor ein Spruch auf, der am unteren Rand der Karte stand. „Ey! Das klingt voll daneben.“ „Was meinst du?“ fragte Pappe. „Jo der Spruch reimt sich zwar, aber der Rhythmus ist voll beschissen.“ „Hä? Wie soll das denn anders sein? Da geht’s um die Imperiale Armee und ihren Führer Daracos.“ „Jo schon klar, aber die zweite Zeile klingt voll scheiße. Da fehlt noch was.“ Dann brachte er uns ne Menge alternativ Verse an, die er sich einfach so spontan ausdachte und die klangen wirklich viel Stimmungsvoller als das was da stand. Es ging um eine Begebenheit, in der Geschichte des Spiels, wo ein großer Heerführer sich in einen Untoten verwandelt. Gregor korrigierte nicht nur den Schwung des Verses, nein er fing plötzlich an, den Vers weiter zu dichten. Er baute den Charakter des Untoten noch weiter aus und schmückte sein Verhängnis mit fantasievollen, düsteren Metaphern. Wir waren völlig baff. Irgendwie zogen auch noch dunkle Wolken auf und ich schaute auf das Treiben auf dem Hof. In ein paar Minuten würde es wieder klingeln und der Schulalltag würde weitergehen. Die Gesichter der Lehrer, die vor dem Eingang der Schule wache hielten, sahen plötzlich irgendwie blass aus und mit jedem Augenblick schienen sie älter und frustrierter zu werden und die ganzen Schüler waren gerade dabei Die gleichen Wege zu erlernen um selbst einmal ein gefrusteter Lehrer oder Aufsichtsrat zu werden. Irgendwie wirkte alles ganz schön untot. Pappe fühlte in etwa das Gleiche in dem Augenblick. Dann klingelte es und wir beide redeten auf Greg ein, was er für Talent habe und wie erstaunlich es war, dass er einfach so vor uns etwas gedichtet hatte. Normalerweise muss man doch Tonnen von alten Schinken wie Goethe oder Schiller lesen, bevor man dichten lernen kann oder man muss auf ein Ultraelite-Internat gehen und mit 8 Jahren schon fließend
Die Wunden der Zeit heilen nicht aus
Aus den Tiefen der Schatten erheben sie sich
Die Geister der Ahnen ziehen hinaus
Und verschlingen mit ihrem Hass das Licht
Es ist eine Weise so alt wie die Welt
Unsagbar und fern und doch so präsent
Der Zauber der die Schatten gefangen hält
Wird schwächer und verliert sich im Wind
Es dämmert im Antlitz der Menschen nun
Das uralte Übel so lange verdrängt
Von Doktrinen und wissenschaftlichem Tun
So lange unterdrückt und gehemmt
Das Chaos, das Feuer, es bricht nun hervor
Es bahnt sich den Weg durch das schwache Fleisch
Es singen die Schwerter und Speere im Chor
Und hinab stürzt das siechende Reich
Der Wind wird einst sagen
Wie klar es dann ward
Wie tief war das Atmen
Am folgenden Tag
Wie sprudelten Quellen
Wie blühte der Hain
Nach den lodernden Wellen
War die Welt wieder rein
Dies gab ich an jenem Abend zum Besten und meine Gefährten waren lange sprachlos. Wir lachten dann und genossen die Düsternis und schaurige Romantik dieses Moments und dann ging jeder von uns nach Hause. Es war weit nach Mitternacht. Am nächsten Tag musste ich in die Schule. Leise kletterte ich über die Mauer im Hof und dann über die Mülltonnen auf die Balkone. So kam ich im 2. Stock an und stieg wieder in mein Fenster ein. In meinem Bett lagen noch die Lumpen und Kuscheltiere, die meine Mutter glauben machen sollten, ich würde brav daliegen und schlafen. Ich hatte nicht für die Mathe-Klausur gelernt und die Wirklichkeit außerhalb meiner Fantasie kehrte in Form eines flauen Gefühls in meinem Magen zurück. Eigentlich brauchte ich mal wieder was anderes als eine 5.
Ich erwachte kurz nach der Dämmerung. Es war Sommer, also muss es so um 4, halb 5 gewesen sein. Ich hatte nicht mehr als 2 Stunden geschlafen. Ich erwachte von einem Dumpfen, dröhnenden Geräusch und wunderte mich. Dann ertönte ein ungeheuer lautes Krachen. Das ganze Haus vibrierte, Staub und Putz bröselten von der Decke. Mein Fenster zerbarst und ich wurde fast aus dem Bett geschleudert. Mein Herz begann mit einem Mal zu rasen. Tausende Dinge gingen mir durch den Kopf. War ich plötzlich in einem Hotel in Tel-Aviv, wo eine Autobombe vor dem Eingang explodiert ist? War die Straßenbahn mit voller Fahrt in einen vorbeifahrenden Tanklaster gerast? Was zum Henker war nur Los?
Als ich die Tür zum Flur öffnete und den Abgrund erblickte, der einmal unsere Küche und das Wohnzimmer gewesen war, hatte ich eine ungefähre Ahnung, was geschehen war. Die Welt musste wirklich gerade im Begriff sein, unterzugehen.
Dabei hatte ich solche Dinge immer für Spinnereien gehalten. Alle 10 Jahre oder so und jedes Mal wenn komische Jahreszahlen auftraten, soll es wieder mal Zeit gewesen sein, dass die Welt untergeht. Eine Menge Sekten und dubiose Organisationen bauten sich auf diesen Mutmaßungen. Doch wurden sie je wahr? Nein! Nicht einmal im Jahr 2000, was ja nun wirklich nicht alle Tage passiert, war irgendeine nennenswerte Katastrophe zu vermelden gewesen. Was mich wunderte war, wieso gerade jetzt?! Eigentlich war der nächste Termin doch 2012 gewesen. Was mich außerdem beschäftigte war, wo war meine Mutter nun? Ist sie jetzt irgendwo in diesem Trümmerhaufen begraben?
Man kann sich kaum vorstellen was einem alles durch den Kopf geht, wenn man nichts ahnend aus dem Schlaf gerissen wird, seine Tür aufmacht und solch ein Schlachtfeld vor sich sieht. Ein brennender, qualmender Trümmerhaufen, der weniger als 2 Stunden zuvor noch meine altbekannte Heimatstadt gewesen war. Komischerweise musste ich immer noch an die Mathe-Klausur denken und hatte immer noch dieses flaue Gefühl im Magen. Die Gehörnten Dämonen von der Größe eines 2 stöckigen Hauses, die gerade die Stadt verwüsteten beschäftigten mich gar nicht mal so sehr. Obwohl sie schon beeindruckend waren. Und beängstigend, das gebe ich zu. Plötzlich war ich dem Heulen nahe. Ich dachte an meine Mutter, und wie Scheiße es wäre, wenn sie jetzt wirklich in dem Trümmerhaufen da lag. Dann musste ich wieder unweigerlich an die Schule denken, denn das war der Punkt, an dem ich nun den einzigen Schritt unternehmen konnte, der auch nur einen Funken Sinn gemacht hätte: Meine Freunde treffen.
Die Jahrelange Klettererfahrung zahlte sich aus, als ich den gleichen Weg zurück auf die Strasse nahm, den ich vor kurzem gekommen war. Unser Treppenhaus war ja nun vorübergehend nicht begehbar.
Ich hatte Mühe meinen Weg zu finden. Viele Straßen waren von Schutt und Geröll versperrt und quer durch ein Trümmerfeld oder ein zerstörtes Haus zu laufen nahm enorm viel Zeit in Anspruch. Ich hatte mir auch schon mehrmals den Fuß umgeknickt und voller Ruß war ich auch schon. Überall brannte es und tote Menschen lagen herum. Menschen schrieen in Panik und flohen wo sie nur konnten. Die Dämonen waren relativ wahllos was ihre Opfer anbelangte. Mich erwischten sie nie mit ihren riesigen Pranken oder Stachelbewehrten Schwänzen. Das wirklich Gefährliche, waren Trümmerteile die überall rumflogen und das Feuer und der Ruß, die immer mehr zunahmen und den ganzen Sauerstoff verschlangen. Dort wo es nicht brannte war es außerdem Stockduster von dem ganzen Rauch. In Anbetracht dieser Situation waren meine Nerven auch schnell am Ende. Ich heulte jetzt nur noch und war verwirrt und wollte einfach wissen was um alles in der Welt nur sein konnte. Ich wusste nicht einmal wie ich es in meinem Kopf in Worte fassen sollte, nur für mich selbst. Ich fand keine Worte. Es war einfach bloße, wortlose und gedankenlose Verzweiflung die meinen Körper durchströmte wie kaltes Wasser, dass sie einem nach dem Blutspenden in die Venen pumpen. Kalter schweiß und Tränen vermischten sich mit dem Ruß auf meinem Gesicht und das einzige, was sich in Form eines Gedankens in meinem Kopf manifestieren konnte war die Schule, meine Freunde. Wenn ich sie nur treffen könnte bevor alles vorbei ist, bevor ich irgendwo unter einem Stein begraben oder gegrillt wurde.
Meine Freunde, das waren Gregor Reitner, Daniel Willmann und Phillip Born. Für mich waren sie nur Greg, Daniel und Pappe. Außerdem war da noch Lisa, die manchmal mit uns abhing. Daniel und Phillip waren aus meiner Klasse und die einzigen Leute, mit denen ich wirklich klarkam. Sie waren völlig durchgeknallte Computerspieler und hingen wirklich die ganze Zeit zusammen und laberten über Erfahrungspunkte, Schadensklassen und Aufbau-Strategien. Sie nahmen bei manchen Games sogar an Meisterschaften teil und schwänzten dafür die Schule und wenn sie mal nicht über ein Computerspiel laberten, dann spielten sie irgendein abgedrehtes Trading-Card-Game. Ihre Noten in der Schule waren irgendwo im Durchschnitt, obwohl Phillip auch schon öfter mal versetzungsgefährdet war. Gregor war eigentlich eine Klassenstufe über uns und er war monsterintelligent. Sein einziger Nachteil war, dass sein Elternhaus wohl mega beschissen gewesen sein muss, weswegen er immer in Lumpen in die Schule kam und nie wirklich Arbeitsmaterial hatte. Er hatte auch nicht wirklich Freunde in seiner Klasse.
Unser erstes Zusammentreffen fand einmal irgendwo auf dem Hof statt. Pappe und Daniel diskutierten über die optimale Antwort auf eine bestimmte Strategie bei ihrem Lieblingsspiel. Ich stand daneben und hörte nur zu und bewunderte die Hingabe mit der sie über eigentlich Nicht-existente Dinge sprachen. Plötzlich kam Gregor dazu. Er hatte vorher irgendwo hinter uns auf einer Bank gesessen und in einem Buch gelesen. Er stand plötzlich da, ziemlich unscheinbar und ohne sich aufzuspielen. Er meinte:“ Spätestens ab dem Midgame kannst du Gardewachen gegen Bullrogs vergessen, es sei denn du hast mindestens doppelt so viel Eco wie er oder er ist ein absoluter Vollnoob!“.
Ich war erstmal sprachlos, ich konnte da eh nie so mitreden wie die, aber die drei waren von einem Moment auf den anderen in ein tiefgründiges Streitgespräch verwickelt, bei dem die restliche Pausenzeit wie im Flug verstrich. Obendrein war der Grundstein für noch weitere Diskussionen gelegt und auch für die starke Verbindung, die wir vier später mal haben würden.
Es kam nämlich so, dass Gregor uns irgendwann alle für Dichtkunst begeisterte. Wir waren ja sowieso schon Fantasy-Fans und hatten alle großen Vertreter des Genres gelesen, doch selber Geschichten oder Gedichte zu verfassen war uns nie in den Sinn gekommen. Eines Tages saßen Greg, Pappe und ich auf einer Bank auf dem Schulhof und wir schauten uns Pappes neue Trading-Cards an. Da viel Gregor ein Spruch auf, der am unteren Rand der Karte stand. „Ey! Das klingt voll daneben.“ „Was meinst du?“ fragte Pappe. „Jo der Spruch reimt sich zwar, aber der Rhythmus ist voll beschissen.“ „Hä? Wie soll das denn anders sein? Da geht’s um die Imperiale Armee und ihren Führer Daracos.“ „Jo schon klar, aber die zweite Zeile klingt voll scheiße. Da fehlt noch was.“ Dann brachte er uns ne Menge alternativ Verse an, die er sich einfach so spontan ausdachte und die klangen wirklich viel Stimmungsvoller als das was da stand. Es ging um eine Begebenheit, in der Geschichte des Spiels, wo ein großer Heerführer sich in einen Untoten verwandelt. Gregor korrigierte nicht nur den Schwung des Verses, nein er fing plötzlich an, den Vers weiter zu dichten. Er baute den Charakter des Untoten noch weiter aus und schmückte sein Verhängnis mit fantasievollen, düsteren Metaphern. Wir waren völlig baff. Irgendwie zogen auch noch dunkle Wolken auf und ich schaute auf das Treiben auf dem Hof. In ein paar Minuten würde es wieder klingeln und der Schulalltag würde weitergehen. Die Gesichter der Lehrer, die vor dem Eingang der Schule wache hielten, sahen plötzlich irgendwie blass aus und mit jedem Augenblick schienen sie älter und frustrierter zu werden und die ganzen Schüler waren gerade dabei Die gleichen Wege zu erlernen um selbst einmal ein gefrusteter Lehrer oder Aufsichtsrat zu werden. Irgendwie wirkte alles ganz schön untot. Pappe fühlte in etwa das Gleiche in dem Augenblick. Dann klingelte es und wir beide redeten auf Greg ein, was er für Talent habe und wie erstaunlich es war, dass er einfach so vor uns etwas gedichtet hatte. Normalerweise muss man doch Tonnen von alten Schinken wie Goethe oder Schiller lesen, bevor man dichten lernen kann oder man muss auf ein Ultraelite-Internat gehen und mit 8 Jahren schon fließend