Ich hätte mir niemals zu träumen gewagt

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Ich hätte mir niemals zu träumen gewagt, dass diese Dinge geschehen würden. Ich meine, es war doch alles nur eine Art Zeitvertreib. Es war einfach cool sich zu treffen, nachts, an einem schaurigen Ort, mit einer Flasche Wein. Wir lasen uns gegenseitig unsere neuesten Gedichte vor. Wir spielten mit den Worten, versetzten uns gegenseitig in düstere Stimmungen. Eigentlich schrieb ich nur, weil die Worte sich so reimten, und weil mir langweilig war und weil ich mich dadurch fühlte als wäre ich jemand. Ich fühlte mich groß.

Die Wunden der Zeit heilen nicht aus
Aus den Tiefen der Schatten erheben sie sich
Die Geister der Ahnen ziehen hinaus
Und verschlingen mit ihrem Hass das Licht

Es ist eine Weise so alt wie die Welt
Unsagbar und fern und doch so präsent
Der Zauber der die Schatten gefangen hält
Wird schwächer und verliert sich im Wind

Es dämmert im Antlitz der Menschen nun
Das uralte Übel so lange verdrängt
Von Doktrinen und wissenschaftlichem Tun
So lange unterdrückt und gehemmt

Das Chaos, das Feuer, es bricht nun hervor
Es bahnt sich den Weg durch das schwache Fleisch
Es singen die Schwerter und Speere im Chor
Und hinab stürzt das siechende Reich

Der Wind wird einst sagen
Wie klar es dann ward
Wie tief war das Atmen
Am folgenden Tag

Wie sprudelten Quellen
Wie blühte der Hain
Nach den lodernden Wellen
War die Welt wieder rein

Dies gab ich an jenem Abend zum Besten und meine Gefährten waren lange sprachlos. Wir lachten dann und genossen die Düsternis und schaurige Romantik dieses Moments und dann ging jeder von uns nach Hause. Es war weit nach Mitternacht. Am nächsten Tag musste ich in die Schule. Leise kletterte ich über die Mauer im Hof und dann über die Mülltonnen auf die Balkone. So kam ich im 2. Stock an und stieg wieder in mein Fenster ein. In meinem Bett lagen noch die Lumpen und Kuscheltiere, die meine Mutter glauben machen sollten, ich würde brav daliegen und schlafen. Ich hatte nicht für die Mathe-Klausur gelernt und die Wirklichkeit außerhalb meiner Fantasie kehrte in Form eines flauen Gefühls in meinem Magen zurück. Eigentlich brauchte ich mal wieder was anderes als eine 5.

Ich erwachte kurz nach der Dämmerung. Es war Sommer, also muss es so um 4, halb 5 gewesen sein. Ich hatte nicht mehr als 2 Stunden geschlafen. Ich erwachte von einem Dumpfen, dröhnenden Geräusch und wunderte mich. Dann ertönte ein ungeheuer lautes Krachen. Das ganze Haus vibrierte, Staub und Putz bröselten von der Decke. Mein Fenster zerbarst und ich wurde fast aus dem Bett geschleudert. Mein Herz begann mit einem Mal zu rasen. Tausende Dinge gingen mir durch den Kopf. War ich plötzlich in einem Hotel in Tel-Aviv, wo eine Autobombe vor dem Eingang explodiert ist? War die Straßenbahn mit voller Fahrt in einen vorbeifahrenden Tanklaster gerast? Was zum Henker war nur Los?
Als ich die Tür zum Flur öffnete und den Abgrund erblickte, der einmal unsere Küche und das Wohnzimmer gewesen war, hatte ich eine ungefähre Ahnung, was geschehen war. Die Welt musste wirklich gerade im Begriff sein, unterzugehen.
Dabei hatte ich solche Dinge immer für Spinnereien gehalten. Alle 10 Jahre oder so und jedes Mal wenn komische Jahreszahlen auftraten, soll es wieder mal Zeit gewesen sein, dass die Welt untergeht. Eine Menge Sekten und dubiose Organisationen bauten sich auf diesen Mutmaßungen. Doch wurden sie je wahr? Nein! Nicht einmal im Jahr 2000, was ja nun wirklich nicht alle Tage passiert, war irgendeine nennenswerte Katastrophe zu vermelden gewesen. Was mich wunderte war, wieso gerade jetzt?! Eigentlich war der nächste Termin doch 2012 gewesen. Was mich außerdem beschäftigte war, wo war meine Mutter nun? Ist sie jetzt irgendwo in diesem Trümmerhaufen begraben?
Man kann sich kaum vorstellen was einem alles durch den Kopf geht, wenn man nichts ahnend aus dem Schlaf gerissen wird, seine Tür aufmacht und solch ein Schlachtfeld vor sich sieht. Ein brennender, qualmender Trümmerhaufen, der weniger als 2 Stunden zuvor noch meine altbekannte Heimatstadt gewesen war. Komischerweise musste ich immer noch an die Mathe-Klausur denken und hatte immer noch dieses flaue Gefühl im Magen. Die Gehörnten Dämonen von der Größe eines 2 stöckigen Hauses, die gerade die Stadt verwüsteten beschäftigten mich gar nicht mal so sehr. Obwohl sie schon beeindruckend waren. Und beängstigend, das gebe ich zu. Plötzlich war ich dem Heulen nahe. Ich dachte an meine Mutter, und wie Scheiße es wäre, wenn sie jetzt wirklich in dem Trümmerhaufen da lag. Dann musste ich wieder unweigerlich an die Schule denken, denn das war der Punkt, an dem ich nun den einzigen Schritt unternehmen konnte, der auch nur einen Funken Sinn gemacht hätte: Meine Freunde treffen.
Die Jahrelange Klettererfahrung zahlte sich aus, als ich den gleichen Weg zurück auf die Strasse nahm, den ich vor kurzem gekommen war. Unser Treppenhaus war ja nun vorübergehend nicht begehbar.

Ich hatte Mühe meinen Weg zu finden. Viele Straßen waren von Schutt und Geröll versperrt und quer durch ein Trümmerfeld oder ein zerstörtes Haus zu laufen nahm enorm viel Zeit in Anspruch. Ich hatte mir auch schon mehrmals den Fuß umgeknickt und voller Ruß war ich auch schon. Überall brannte es und tote Menschen lagen herum. Menschen schrieen in Panik und flohen wo sie nur konnten. Die Dämonen waren relativ wahllos was ihre Opfer anbelangte. Mich erwischten sie nie mit ihren riesigen Pranken oder Stachelbewehrten Schwänzen. Das wirklich Gefährliche, waren Trümmerteile die überall rumflogen und das Feuer und der Ruß, die immer mehr zunahmen und den ganzen Sauerstoff verschlangen. Dort wo es nicht brannte war es außerdem Stockduster von dem ganzen Rauch. In Anbetracht dieser Situation waren meine Nerven auch schnell am Ende. Ich heulte jetzt nur noch und war verwirrt und wollte einfach wissen was um alles in der Welt nur sein konnte. Ich wusste nicht einmal wie ich es in meinem Kopf in Worte fassen sollte, nur für mich selbst. Ich fand keine Worte. Es war einfach bloße, wortlose und gedankenlose Verzweiflung die meinen Körper durchströmte wie kaltes Wasser, dass sie einem nach dem Blutspenden in die Venen pumpen. Kalter schweiß und Tränen vermischten sich mit dem Ruß auf meinem Gesicht und das einzige, was sich in Form eines Gedankens in meinem Kopf manifestieren konnte war die Schule, meine Freunde. Wenn ich sie nur treffen könnte bevor alles vorbei ist, bevor ich irgendwo unter einem Stein begraben oder gegrillt wurde.

Meine Freunde, das waren Gregor Reitner, Daniel Willmann und Phillip Born. Für mich waren sie nur Greg, Daniel und Pappe. Außerdem war da noch Lisa, die manchmal mit uns abhing. Daniel und Phillip waren aus meiner Klasse und die einzigen Leute, mit denen ich wirklich klarkam. Sie waren völlig durchgeknallte Computerspieler und hingen wirklich die ganze Zeit zusammen und laberten über Erfahrungspunkte, Schadensklassen und Aufbau-Strategien. Sie nahmen bei manchen Games sogar an Meisterschaften teil und schwänzten dafür die Schule und wenn sie mal nicht über ein Computerspiel laberten, dann spielten sie irgendein abgedrehtes Trading-Card-Game. Ihre Noten in der Schule waren irgendwo im Durchschnitt, obwohl Phillip auch schon öfter mal versetzungsgefährdet war. Gregor war eigentlich eine Klassenstufe über uns und er war monsterintelligent. Sein einziger Nachteil war, dass sein Elternhaus wohl mega beschissen gewesen sein muss, weswegen er immer in Lumpen in die Schule kam und nie wirklich Arbeitsmaterial hatte. Er hatte auch nicht wirklich Freunde in seiner Klasse.
Unser erstes Zusammentreffen fand einmal irgendwo auf dem Hof statt. Pappe und Daniel diskutierten über die optimale Antwort auf eine bestimmte Strategie bei ihrem Lieblingsspiel. Ich stand daneben und hörte nur zu und bewunderte die Hingabe mit der sie über eigentlich Nicht-existente Dinge sprachen. Plötzlich kam Gregor dazu. Er hatte vorher irgendwo hinter uns auf einer Bank gesessen und in einem Buch gelesen. Er stand plötzlich da, ziemlich unscheinbar und ohne sich aufzuspielen. Er meinte:“ Spätestens ab dem Midgame kannst du Gardewachen gegen Bullrogs vergessen, es sei denn du hast mindestens doppelt so viel Eco wie er oder er ist ein absoluter Vollnoob!“.
Ich war erstmal sprachlos, ich konnte da eh nie so mitreden wie die, aber die drei waren von einem Moment auf den anderen in ein tiefgründiges Streitgespräch verwickelt, bei dem die restliche Pausenzeit wie im Flug verstrich. Obendrein war der Grundstein für noch weitere Diskussionen gelegt und auch für die starke Verbindung, die wir vier später mal haben würden.
Es kam nämlich so, dass Gregor uns irgendwann alle für Dichtkunst begeisterte. Wir waren ja sowieso schon Fantasy-Fans und hatten alle großen Vertreter des Genres gelesen, doch selber Geschichten oder Gedichte zu verfassen war uns nie in den Sinn gekommen. Eines Tages saßen Greg, Pappe und ich auf einer Bank auf dem Schulhof und wir schauten uns Pappes neue Trading-Cards an. Da viel Gregor ein Spruch auf, der am unteren Rand der Karte stand. „Ey! Das klingt voll daneben.“ „Was meinst du?“ fragte Pappe. „Jo der Spruch reimt sich zwar, aber der Rhythmus ist voll beschissen.“ „Hä? Wie soll das denn anders sein? Da geht’s um die Imperiale Armee und ihren Führer Daracos.“ „Jo schon klar, aber die zweite Zeile klingt voll scheiße. Da fehlt noch was.“ Dann brachte er uns ne Menge alternativ Verse an, die er sich einfach so spontan ausdachte und die klangen wirklich viel Stimmungsvoller als das was da stand. Es ging um eine Begebenheit, in der Geschichte des Spiels, wo ein großer Heerführer sich in einen Untoten verwandelt. Gregor korrigierte nicht nur den Schwung des Verses, nein er fing plötzlich an, den Vers weiter zu dichten. Er baute den Charakter des Untoten noch weiter aus und schmückte sein Verhängnis mit fantasievollen, düsteren Metaphern. Wir waren völlig baff. Irgendwie zogen auch noch dunkle Wolken auf und ich schaute auf das Treiben auf dem Hof. In ein paar Minuten würde es wieder klingeln und der Schulalltag würde weitergehen. Die Gesichter der Lehrer, die vor dem Eingang der Schule wache hielten, sahen plötzlich irgendwie blass aus und mit jedem Augenblick schienen sie älter und frustrierter zu werden und die ganzen Schüler waren gerade dabei Die gleichen Wege zu erlernen um selbst einmal ein gefrusteter Lehrer oder Aufsichtsrat zu werden. Irgendwie wirkte alles ganz schön untot. Pappe fühlte in etwa das Gleiche in dem Augenblick. Dann klingelte es und wir beide redeten auf Greg ein, was er für Talent habe und wie erstaunlich es war, dass er einfach so vor uns etwas gedichtet hatte. Normalerweise muss man doch Tonnen von alten Schinken wie Goethe oder Schiller lesen, bevor man dichten lernen kann oder man muss auf ein Ultraelite-Internat gehen und mit 8 Jahren schon fließend
 
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Altgriechisch und Hebräisch sprechen und Hieroglyphen lesen können. Wir waren echt beeindruckt. Gregor meinte nur, dass wäre kein Ding. Wir müssten es nur mal selbst ausprobieren und uns dabei von dem eigenen Gefühl für den Fluss der Sprache leiten lassen.
Gesagt, getan. Jetzt hatten wir eine geniale Beschäftigung während des Unterrichts, und sie fiel nicht mal besonders auf. Wir dichteten uns den Weg durch das Reich der Phantasie und bezogen auch gerne mal die Lehrer oder üble Typen unter den Schülern in unsere Werke mit ein. Als wir Daniel wieder trafen, war es nicht schwer ihn auch damit zu infizieren, obwohl er nie die gleiche Begeisterung hatte wie wir drei. Er schrieb hin und wieder auch was, aber vor allem genoss er es unsere Sachen zu lesen und zu hören und gab zuweilen gute Kritiken und Anregungen.

Das alles lief nun an mir vorüber während ich in die große Fontanestraße einbog. Da lagen entgleiste Straßenbahnen und brennende Autos und vom Ende der Straße kam eine gigantische Staubwolke heruntergerollt. Ich hörte das Stampfen der Dämonen und spürte das Zittern das es Auslöste unter meinen Füßen. Es musste einer ganz in der Nähe sein, vielleicht direkt hinter der Häuserzeile neben mir. Es war mir Egal, ich musste da die Straße rauf. Die Leute die ich sah, waren alle in völliger Panik. Kein einziger schien irgendein Ziel zu haben und auch nur im Geringsten bei Verstand zu sein. Eigentlich kein Wunder, bei dem Grauen das ringsum herrschte. Ich erkannte plötzlich wie gut es war, dass ich ein Ziel hatte, auch wenn ich nicht wusste was mich dort erwarten würde.
Die Staubwolke war nun direkt vor mir und ich hielt meinen rechten Arm schützend vor mein Gesicht und rannte mitten hinein. Wieder lautes Dröhnen und dieses dumpfe, herzzerreißende Stöhnen der Dämonen. Ich rannte und versuchte den Trümmern und Hindernissen auszuweichen, die ich in Schemen vor mir im Dunst sah. Oft stieß ich mit dem Fuß oder dem Oberschenkel gegen ein Stück Beton oder ein Stahlrohr aber ich musste den Schmerz ignorieren. Nur einmal hielt ich kurz inne, als ein Auto direkt an mir vorbeiraste. Es brannte in der Kabine lichterloh und der Fahrer schrie wie am Spieß. Hinter mir hörte ich nur wie es irgendwo hinein krachte.
„Das ist ein Albtraum!“ dachte ich nur. „Ja ich schlafe. Verdammt, ich will jetzt aufwachen. Wieso klingelt mein Wecker nicht? Wieso kippt mir meine Mutter keinen Eimer mit kaltem Wasser ins Gesicht.“ Ich lag auf dem Bauch und hämmerte mit aller Kraft mit den Fäusten auf dem Boden herum. Ich schüttelte meinen Kopf und schrie. Plötzlich war ich hellwach, ein Adrenalinstoß. Gibt’s das auch im Traum? Er kam wohl von dem Ohrenbetäubenden Lärm, den das Haus verursachte, dass direkt im Begriff war über mir einzustürzen und die Straße unter Trümmern zu begraben. Ich raffte mich auf wie der Blitz und rannte die Straße hinauf.
Ich weis nicht wie ich entkam, aber da ich scheinbar noch lebe, muss es irgendwie geklappt haben. Ich erreichte das obere Ende der Straße. Hier war ein riesiges Hochhaus zu Bruch gegangen und hatte wohl die Staubwolke ausgelöst. Der Abzweig nach rechts, Hallbacher Strasse war zum Glück einigermaßen frei. Ich konnte unsere Schule schon in der Ferne sehen und wie es aussah stand sie noch.

Als ich vor dem großen Gittertor ankam bot sich mir ein seltsamer Anblick. Es waren tatsächlich eine Menge Schüler auf dem Schulhof und auch einige Lehrer. Die Lehrer unterhielten sich miteinander und hatten teilweise finstere Mienen. Einige waren aber hellwach und redeten laut und schienen Befehle und Anweisungen zu geben. Die Schüler waren teils völlig still, weinten oder unterhielten sich verschwörerisch mit ihren besten Freunden. Jeder schien irgendeinen Plan zu entwickeln was nun zu tun sei. Manche waren aber einfach nur still und in sich gekehrt und schienen abzuwarten was passiert.
Dann klingelte es plötzlich zur ersten Stunde und ich wurde Teil einer Menschenmenge die zum Hauptportal strömte und sich im Korridor wieder auflöste, weil jeder sich in Richtung seines Klassenzimmers begab. So tat auch ich.
Wir waren etwa drei Viertel der Schüler unserer Klasse. Der Rest schien es nicht geschafft oder gleich die Fliege gemacht zu haben. Ich sah Pappe und Daniel im Raum und wir warfen uns verwirrte Blicke zu. Gleichzeitig waren wir erleichtert, dass wir uns sahen.
Vor der Klasse stand nun unser Mathelehrer Herr Böltz.
„Ich begrüße euch erstmal zur heutigen Unterrichtsstunde!“ Er war genauso dreckig wie die meisten der Schüler, aber er roch irgendwie nach Alkohol. „Ich freue mich, dass ihr es geschafft habt in die Schule zu kommen. Keiner von uns weis, was in diesem Moment auf der Welt geschieht und es wäre nicht gut jetzt darüber zu spekulieren. Wir haben wahrscheinlich nicht die Zeit dazu. Ich habe mich bereits mit den Anderen Lehrern unterhalten und im Sekretariat wird gerade ein Plan ausgearbeitet, wie wir nun fortfahren werden. In der Schule sind wir momentan alle am sichersten und es ist wichtig, dass wir alle die Ruhe bewahren. Fahren wir einfach mit dem Unterricht fort, bis wir Meldung vom Direktor mit den Anweisungen erhalten. Holt bitte schon mal alle eure Arbeitsmaterialien hervor, während ich die Klausurblätter austeile! Ich hoffe doch ihr habt alle gelernt!“ Es war still im Klassenzimmer. Keiner konnte so richtig glauben was gerade geschah. „Habt ihr gelernt?!“
Er schielte mit einem finsteren Funkeln in den Augen zu mir herüber. „Sebastian Flaubert!“ laut rief er meinen Namen. „Haben sie für die Mathe Klausur gelernt?!“ Die ganze Klasse war ruhig. Niemand bewegte sich. Herr Böltz starrte mich an und erwartete eine Antwort. „Ähm, na ja Herr Böltz, ich ähm, also eigentlich…“. „Das dachte ich mir!“ schrie er mich an. „Wieder habe ich mir den Mund fusselig geredet. Ich habe euch mit langweiligen, billigen Problemstellungen zugetextet, die einem Mathegenie meines Kalibers schon seit Jahrzehnten zum Halse heraushängen und was bekomme ich dafür? Nichts als Abmahnungen vom Obersten Schulrat, weil die Leistungen meiner Schüler nachlassen. Warum?! Weil sie zu faul sind ihre Hausaufgaben zu machen und für meine Klausuren zu lernen. Ihr seid der Abschaum. Die heutige Jugend ist der Grund warum diese Dinge da draußen geschehen. Ihr seid alle verdorben und werdet diese Gesellschaft, diesen Staat ins verderben Stürzten. Ich habe mit dem Religionslehrer gesprochen und wir sind uns einig. Ich bin zwar ein naturwissenschaftlich denkender Mensch, aber in diesem Punkt stimme ich mit Herrn Pollack überein. Da draußen stehen die Heerscharen Gottes um die Kinder dieser Tage für ihren Ungehorsam und ihre Unzucht zu bestrafen. Sie werden uns alle bestrafen und töten! Aber eins sage ich euch, ihr elenden Drecksbälger: bevor ich den Löffel abgebe, werde ich das Leben noch einmal in vollen Zügen genießen. Ich werde das tun, was ich schon seit Jahren tun wollte, seit ich Lehrer wurde und in dieser Schule zu arbeiten anfing. Seit dem Tag, als dieser durchgedrehte Haufen von unterbelichteten Taugenichtsen den man Schüler nennt, zu meinem Broterwerb wurde. Seit dem ich mir jeden Tag euer dümmliches Gequatsche anhören muss, eure faulen Ausreden, mir euere Schmierereien auf meinen sorgfältig angefertigten Arbeitsblättern ansehen muss. Seit dem ich mir jeden Tag von neuem etwas Aufmerksamkeit von euch erkämpfen muss, hege ich diesen Traum. Euch einmal endlich das zu geben, was ihr in meinen Augen verdient, was diese pseudo-pazifistische Sozialschmarotzer-Gesellschaft aber leider nie zugelassen hat. Jetzt wo wir alle vor dem Untergang stehen, darf ich seit langem noch einmal von ganzem Herzen fröhlich sein, indem ich euch endlich den Garaus mache.“
In diesem Moment zog er unter seinem Schreibtisch ein riesiges Maschinengewehr hervor und begann wie ein Irrer zu lachen. Die ganze Zeit waren wir wie gebannt von seinen Worten gewesen. Nie hatten wir ihn so reden gehört. Eigentlich war er immer so ein ruhiger Typ gewesen. Man merkte ihm zwar an, wie genervt er manchmal von uns war, aber er behielt immer die Fassung. Jetzt schien er voll und ganz durch zu drehen. Ich sah es kommen, er wollte uns alle, noch in diesem Klassenzimmer zu Hundefutter verarbeiten, aber das konnte ich nicht zulassen. Da ich weit vorne saß, konnte ich gerade so vorspringen und den Lehrerschreibtisch hochreißen, in dem Moment wo Herr Böltz begann seine Waffe abzufeuern. Die ersten Schüsse gingen an die Decke, als er, von seinem Schreibtisch
 
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getroffen, nach hinten kippte. Er schien Alkohol getrunken zu haben, weswegen er auch nicht sehr standfest oder zielsicher zu sein schien. Die meisten Schüler ergriffen die Gunst der Stunde und stürmten aus der Tür in den Flur hinaus. Pappe, Daniel und ich rannten wie wild den Korridor entlang, vor zu der großen Treppe. Dort sahen wir Greg. Mann waren wir alle froh uns getroffen zu haben. Aber für große Widersehenszeremonien war leider keine Zeit. Greg war außer Atem und hatte Mühe uns die folgenden Sätze zu verklickern.
„Leute! Glaubt den Lehrern kein Wort! Sie wollen uns alle irgendwo in „Sicherheit“ bringen, wahrscheinlich im Heizkeller oder so. Aber das ist eine Lüge. In Wirklichkeit wollen sie uns alle einsperren und kalt machen. Mein Bio-Lehrer ist völlig am Ausrasten. Er wollte uns den menschlichen Körperbau veranschaulichen, in dem er einen von uns mit seinem Dai-Katana seziert.“ „Cool! Ich wusste gar nicht, dass der japanischen Schwertkampf macht.“ Sagte Pappe staunend. Gregor keuchte. „Ich find das überhaupt nicht cool. Wir müssen schleunigst von hier verschwinden.“ „Aber wohin?“ fragte Daniel. In diesem Moment kam von hinter uns ein wahnsinniger Schrei der sich langsam in Gelächter verwandelte. Dann hallte das ganze Treppenhaus von Maschinengewehrfeuer wieder. Wir ließen uns die Treppen runterfallen und nahmen in der Zwischenebene Deckung.
„Egal wohin.“ Sagte Gregor „Hauptsache raus aus der Schule.“
Wir stürmten die Treppen hinunter und waren kurz darauf wieder am Haupteingang. Noch einen Satz und wir waren draußen, doch Herr Böltz schien uns dicht auf den Fersen zu sein. Wir hörten seine Schreie näher kommen und sahen schon, wie die Pinnwand gegenüber vom Eingang von einer Maschinengewehrsalve zersägt wurde. Wir mussten sofort raus! Ein paar Schritte noch und wir waren draußen und rissen mit aller Kraft die massive Eichentür hinter uns herum. Wir hofften, das würde ihn oder seine Kugeln einige Zeit aufhalten. Als wir uns jedoch umdrehten um uns zur Flucht zu wenden, erstarrten wir vor Entsetzen.
Vor uns erhob sich ein Dämon und starrte uns direkt an. Er war so groß wie das Schulgebäude und stand mitten auf dem Hof. Er hatte riesige, gewundene Hörner und sein rotbrauner Körper schien von Knochenplatten bedeckt. Aus seinem Rachen qualmte es und seine Hände brannten in langsam züngelnden, nach oben ziehenden Flammen. Er starrte uns direkt an und sein Blick lies unsere Seelen erstarren. Unsere Körper wollten fliehen, unsere Gedanken wollten den Zaun in Augenschein nehmen um zu sehen ob wir hinüber klettern konnten. Unsere Seelen jedoch waren zu brennendem Eis erstarrt. Sie schienen in eisigen Stacheln, in Richtung des Dämons unseren Körper verlassen zu wollen und wir spürten den ungeheuren Schmerzt von Millionen von Stichen auf unserem Gesicht und der gesamten Vorderseite.
„Wir… müssen… weg…“ stammelte Gregor. „Nicht… an… sehen…“ brachte Daniel hervor. In diesem Moment ertönte eine Stimme so dumpf und Gräuel erregend, dass der ganze Hof davon Zitterte. Die Stimme schien sich im innern des Dämons zu bilden, und sich auf die gesamte Materie zu übertragen. Sie fuhr durch die Erde und versetzte jedes einzelne Atom in ihre dunkle, Verhängnis bringende Schwingung. Jeder einzelne meiner Muskeln schien die Stimme zu wiederholen und es schien, als würden mein Knochen, wie teuflische Klanghölzer den Reigen des Untergangs begleiten. Meine eigenen Stimmbänder begannen sich zu rühren und ich kämpfte dagegen an, als die Stimme des Dämons direkt in mein inneres drang, als würde ich selbst seine Worte äußern.
„Ihr … seid … verdammt! Ihr könnt nicht fliehen! Die Welt selbst ist der Teufel und wohin immer ihr euren Schritt wendet werdet ihr das Verhängnis erblicken. Der Tag ist gekommen! Flammen werden sich über das Angesicht des Planeten ergießen und die Gesellschaft der Menschen auslöschen. Die ewige Folter erwartet das Volk der Menschen, denn es hat versagt. Verderbnis hat gesiegt und die gegeißelten Überreste der menschlichen Seelen werden bis in alle Ewigkeit das Lied der Qualen singen. Das Buch des Lebens schließt sich nun und findet seine letzte Bestimmung! Heißt euer Schicksal willkommen!“ Seine riesigen, brennenden Fäuste erhoben sich und waren im Begriff auf uns niederzufahren. Mit aller Kraft versuchten wir uns von der Stelle zu bewegen und kamen nur um Millimeter voran, in einem Kampf der der Ersteigung des Mount Everest glich. Völlige Verzweiflung und die Gewissheit, dass nun alles Leben dahin war, ließen uns Kraft- und Mutlos auf die Erscheinung des Dämons Blicken.
Da erschien mit einem Mal ein gleißendes, weiß-blaues Licht mitten auf der Brust des Dämons. Der dröhnende, dumpfe Klang seiner Stimme verwandelte sich in herzzerreißendes, verzerrtes Geschrei. Feuer stieß aus seinen Augen hervor, als er seinen Schädel nach hinten warf. Gleichzeitig bäumte sich sein ganzer Körper auf und seine Flammenfäuste, die uns gerade beinah zerschlagen hätten, wurden nach hinten gerissen. In dieser Haltung wand sich der Dämon eine Zeit und das blendende Leuchten in seiner Brust wechselte die Intensität. Langsam erlosch das Leuchten und mit ihm schien das Feuer zu erlöschen, das direkt aus dem Inneren des Dämons zu kommen schien. Der Schrei wurde leiser und erstarb und machte völliger, alles umfassender Stille Platz. Der Dämon kippte langsam nach hinten und die Welt schien den Atem anzuhalten. Dann wurde die Stille noch einmal zerrissen, durch den Ohrenbetäubenden Lärm, den der Aufprall des Dämons verursachte. Sein unheiliger Körper wirbelte eine gigantische Staubwolke auf und dann war es wieder still. Nur der Wind machte nun ein paar Geräusche mit den Blättern der Bäume am Rand des Schulhofes. Er begann den Staub in Schwaden davonziehen zu lassen. Wir standen in einer Reihe vor dem Haupteingang der Schule. Die Erstarrung hatte sich gelöst und wir fassten uns an die Kehlen und fühlten wie sich unsere Muskelkrämpfe langsam beruhigten. Wir zitterten am ganzen Leib und frohren. Da Gewahrten wir über dem Körper des toten Dämons eine kleine Leuchtende Gestalt. Noch war sie unscharf und verzerrt durch die davonziehenden Dunstschwaden. Doch sie wurde größer und schien auf uns zu zukommen. Ja sie schwebte auf uns zu und verbreitete leicht blendendes Licht. Wir hielten uns die Hände über die Stirn um besser sehen zu können. Wir konnten wirklich Flügel erkennen, hell leuchtende Flügel. Die Gestalt war in einen weißen Umhang gekleidet und trug einen glänzenden Brustharnisch. In der rechten hand hielt sie ein Schwert mit der Spitze nach unten. Als die Gestalt näher kam, sahen wir, dass das Schwert von weiß-bläulichen Flammen umgeben war.
Die Figur stand nun direkt vor uns. Sie ließ sich langsam herab und stand da. Wir sahen in den Augen der Gestalt ein erhabenes Leuchten. Es Flößte uns Erfurcht ein, aber keine Angst. Die Gesichtszüge waren freundlich und gütig, doch strahlten sie eine unendliche, unnatürliche Stärke und Willenskraft aus. Keiner von uns konnte auch nur den Hauch eines Wortes äußern. Wir konnten nicht einmal Denken. Wir konnten nur da stehen und ruhig atmen und das Wesen vor uns schien die Welt ganz eingenommen haben. Es war als hätte die Welt plötzlich nicht mehr existiert. Licht war alles in diesem Moment.
Da sprach die Gestalt. Die Worte waren klar und freundlich und schienen von unendlicher Wichtigkeit zu sein. Sie waren an mich gerichtet.
„Bist du der Mensch mit dem Namen Sebastian Flaubert?“ Ich konnte nichts anderes als die Wahrheit sagen. Nicht mehr und nicht weniger „Ja!“.
Da erlosch das Licht plötzlich und nur ein kleiner Rest der Erhabenheit blieb. Vor uns stand ein älterer Mann, der wie unser Hausmeister Herr Grabow aussah. Nur war er etwas jünger geworden und es lag noch immer diese unnatürliche Stärke in seinem Blick.
„Sind das deine Freunde Daniel, Gregor und Phillip?“ „Ja sind wir!“ sagten die drei im Chor.
„Bitte folgt mir, wir müssen eine Unterhaltung von unvorstellbarer Wichtigkeit führen!“

Der Mann lief mit festem Schritt über den Schulhof und wir gingen hinterher und schauten uns gegenseitig an. Wir hatten wohl selbst keine Worte für den Gesichtsausdruck auf unseren Gesichtern. Da waren so viele Gefühle vermischt, dass es einer 300 jährigen Dichtertradition in einer Antiken Kaiserstadt der Hochebene von Tibet bedurft hätte um ein Wort dafür zu finden. Vielleicht war die einfachste Erklärung wohl die Macht des seltsam verwandelten Herrn Grabow, der wir einfach nicht widerstehen konnten. Die uns dazu bewegte ihm zu folgen. Außerdem scheint man leicht Menschen zu folgen die einem vor dem sicheren Tod bewahren.
Wir kamen in einem kleinen Raum an, zu dem eine Treppe an der Schulwand hinunterführte. Es war der Aufenthaltsraum des Hausmeisters. Dort, wo er zwischendurch mal einen Kaffee trank oder Mittagspause machte. Werkzeuge und Zeitungen lagen auf dem Tisch. Herr Grabow, oder der seltsame Mann, besser gesagt, gab uns zu verstehen, dass wir uns setzen sollten. Er selbst setzte sich auch.
Wir saßen wie in einem Kreis. Herr Grabow, Greg und Pappe am Tisch und Daniel und ich auf zwei Sesseln an der Wand gegenüber. Der Mann saß relativ entspannt da. Weder wie ein Lehrer, noch wie ein Hausmeister, eher wie ein Freund, der eine Wichtige Band-Sache mit uns besprechen wollte. Nur war in seinen Augen diese Bestimmtheit, diese Entschlossenheit die uns klarmachte, dass es hier nicht um eine Band-Sache ging.
„Seid entspannt, aber hört mir genau zu!“ sagte er dann. „Ich bin Zuriel, und ich bin etwas, dass einige von euch Menschen als einen Erzengel bezeichnen würden.“ Uns klappten die Kinnläden herunter und unser Staunen wurde nur noch größer. „Hier sind wir für einen kurzen Augenblick sicher. Ich habe euch in der Gestalt des Hausmeisters nun schon eine lange Zeit beobachtet. Ich weis sehr gut, dass euch nicht klar ist, was ihr angerichtet habt.“ „Was?!?! Was sollen wir denn angerichtet haben!“ kam es plötzlich aus Pappe hervor und im gleichen Moment hielt er sich den Mund zu und wünschte er wäre stumm geboren worden. „Still!“ der Mann wartete einen Moment. „Ihr seid mit der Gabe geboren worden, sehr viele Dinge zu sehen und verstehen zu können. Deshalb seid ihr vier Freunde geworden. Leider habt ihr nicht das Bewusstsein darüber wie weit eure Gabe wirklich reicht. Was immer ich euch sage, wird nicht dazu beitragen das ihr dieses Bewusstsein erlangt. Aber ich muss euch etwas sagen. Ihr habt eine Kraft eingesetzt, von der ihr selbst nicht wusstet dass es sie überhaupt gibt, oder dass ihr sie benutzen könnt. Besonders Du Sebastian!“ Ich schluckte. „Ihr habt Worte von großer Macht gesprochen und dabei große Dinge Empfunden und ihr habt so die Wirklichkeit verändert. Ohne es zu wissen, habt ihr eine uralte Formel ausgesprochen, die das Ende der Welt bedeuten kann. Wie ihr in den Besitz dieser Worte kamt, weis ich nicht. Ihr habt es nicht Absichtlich getan. Vielleicht fandet nicht ihr diese Worte, sondern vielmehr fanden sie euch.“
Langsam verstand ich nur noch Bahnhof.
„Was soll das bedeuten, ich verstehe nicht!“ sagte ich. „Ich weis, es ist noch schwer zu verstehen, aber ihr werdet es bald verstehen, denn ihr habt die Gabe dazu und ihr werdet noch viel mehr verstehen. Die Gedichte, die ihr geschrieben und rezitiert habt, sind wahr geworden! Sie sind Zauberformeln von uralter dunkler Magie. Da ihr sie in der richtigen Art und Weise, genau am richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort ausspracht, haben sie ihre volle Macht entfaltet.“ „Was für eine Macht?“ fragte Daniel ängstlich.
„Ihr habt die Pforten der Hölle geöffnet! Die Heerscharen des Teufels ziehen nun über die Welt und läuten deren Ende ein. Das Leben der Menschheit ist vorbei.“
 
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Gefaellt mir sehr gut. Vor allem das Gedicht, weil ich grade Eisregen am hoeren war :).

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MUC
Wär jmd so freundlich und würde kurz zusammenfassen worums geht damit man weiß ob es einen interessiert und man es lesen sollte ?

Wäre nett
 

shaoling

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Klar fass ich das mal eben für dich zusammen. Es geht ja nicht an, dass die Lebenszeit des hochwürdigsten Herrn vaj.PhiL für eine Leseprobe von ganzen zwei oder drei Minuten vergeudet wird.
Ich biete meine Dienste übrigens auch als Vorkoster, Botenjunge und Privatsekretär an - alles kostenlos, versteht sich. PN bei Bedarf.
 
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HH
So, und jetzt bitte nur noch wirkliche positive/negative Kritik am Text, Leute die nicht lesen wollen (in einem Literaturforum...) können gerne wegschauen.
 
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