Der Dichter und die Muse

[fN]Leichnam

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Oh sorry, die Tinte läuft mir wieder aus. Hals ist verschleimt, Zigaretten sind noch da, Tagebuch läuft schlecht. Kein Wunder dieser Tage. Dope ist noch da. Fährt ja bekanntlich die Testosteronausschüttung zurück. Nicht gut für Schreiberfotzen wie mich. Wir sind mit dem Stoff chronisch unterversorgt, bilden uns ein, die Weiber zu verstehen, dabei wollen die bloß ficken und nicht verstanden werden. Und wir Dichter geben ihnen das Gefühl als wäre etwas besonderes dabei. Wir konstruieren monströse Fantasiegebilde, wir machen Pornos für Frauen, lachen uns dabei den Ast und so ist eigentlich auch alles irgendwie ok.

Es wird so schön sein in der Hölle. Komm doch auch. Kokspartys mit Hitlerstalin, Schach gegen Stefan Zweig und seine Novelle, gegen die Fingerarmeen alter Spiegelbilder, fordere deine Vergangenheit heraus und mache sie ungeschehen. Wir heulen mit Cobain und Novalis, ich bin Hunter S. Thompsons Schreibmaschine und Hemmingway tippt barfuß auf meiner Schulter. Bargeld, komm, Hans-Christian, trau dich. 'Schwarz, ich will dich nie mehr verraten.'

Am Abend schleichen wir uns in die Frauenhölle und küssen und streicheln warme Titten aus Helium und Wachs. Marilyn Monroe verteilt Blowjobs wie Bonbons, Jeanne d'Arc fickt in jeder Ecke, Analsex mit Lilith, Adams erster Frau, Eva unter ihr. Der Zauber von Lesbos. Wir warten auf dich, kopuliere mit uns, so heftig du kannst, wir treiben auf und ab, alle schönen Frauen sind tot, bis auf dich, komm doch auch, wir haben hier alle keine Zeit mehr für Unbehagen. Wir sind glücklich wie frisch gespritzte Junkies in unserer Hölle. Eine 17-jährige Charlotte Rampling zieht mich, missionarisch gestellt, in ihre duftende Fotze, drinnen ficke ich schwimmend alle deine toten Namensvetterinnen, schön oder hässlich, bis ihnen schwarz vor Sinnen wird und ihre Mösen meinen grauen Samen schlucken, ausspucken, erneut schlucken. Das Leben war so schön. Komm doch auch. Hier kann ich dir zeigen wie grandios man dich niederficken kann.

Deine Schulterblätter lege ich in meine Hände, deine Beine im rechten Winkel, Kopf an Kopf, literarische Küsse, die Encyclopedia Britannica schwimmt stumm durch unsere Mundhölle, Gläser vibrieren, Scheiben klirren, Wärmebildkameras erröten, Sterne seufzen, die Sonne stirbt vor Neid, jeder darf zusehen, dein multipler Orgasmus dringt mir polyphon ins Ohr, Kinder rennen um ihr Leben - und das war Runde eins.
Alles ist Jugend - frei. "Es geht doch immer nur um Sex." sagtest du und hattest Recht. Es geht immer nur um dich. Du bist die reinste Pornographie. Das ganze Archiv, jede Kategorie. Nichts ist ohne dich möglich. Niemand will ohne dich ficken. Ich am wenigsten. Deswegen all die Morde. Das Christentum beginnt bei uns; neue Variante, Gott lebt abgewandt, niemand schneidet dich aus meiner Rippe, alles neu und ausgeglichen, 1 vs 1, gleiche Voraussetzung, alles fair, und wir gewinnen den Krieg gegeneinander, ich trinke durstig deinen Schweiß und den Saft des Südens, du saugst an meinem Strohhalm, dann ficken wir wie ein Kunstwerk, 69 (wortlos), 96 (Pause - mit stillen Stimmen alles sagend), 69, einander ertränkend.

Ich forme dich unter meinen Händen, jede Stelle deines Körpers wird von meiner Haut umschlossen und geschützt, Küsse tropfen von den Lippen, dein Längsmund spricht Erotica, auslaufendes Endorphindepot, von mir zu dir, von vorn und hinten, angefüllt mit Kinderwünschen begehen wir Familienplanung und führen sie begeistert aus, in Betten, Burgen, Winkelecken, auf Tischen, auf laufenden Waschmaschinen, in Schränken und Flugzeugen. Überall unser Doppelwesen, ich bin abhängig, häng mich nicht ab. Wissen Sie wo Luisa W. wohnt?

Mit den Füßen ziehe ich mir den Boden unter selbigen weg. Finstrer Blick löscht die Sonne, niemand sieht mich, frei, frei, freier Fall, mit ausgestreckten Armen nehme ich noch was ich kriegen kann und ich sehe, es ist nur der zur Decke gewordene Boden und er begräbt mich und die Hölle unter sich.

Die Hölle. Kennen wir schon. Der Papst läuft umher, verteilt Präservative, bunte Abtreibungspillen und reichlich von seinem päpstlichen Samen unter uns Bacchanten. Viele irre Szenen, ich sage es dir, Rondellverkehr mit beachtenswerter Ausdauer aller Beteiligten; wenn du glaubtest, es sei schwer, auf Erden den rechten Mann zu finden, wird dich das unglaubliche Überangebot an paarungswilligen Leuten schwer begeistern. 7 Milliarden leben zur Zeit bei euch oben. Hier unten sind es 100 Milliarden mehr.. Und die haben Spaß aneinander, nebeneinander, unter- und übereinan.. Du weißt schon. Und es ist so langweilig ohne dich. In Pavillons unter Kastanien und Linden findest du Jahrtausende an toter Prominenz still ineinander verwickelt. Weißhaarige Philosophen knien vor stolzen Jungfrauen nieder, küssen ihre Füße, stellen sie sich auf den Kopf. Musen quälen ihre Dichter, lassen sich von ihnen ihren genetischen Code vorlesen, kichern dazwischen, lachen den Dichter aus und schweigen, wenn der Dichter schweigt.

Pheromonnebel wie auf Erden im Frühling hüllt hier alles ein. Es fehlt deine Note, es fehlt dein Duft. Wäre ich doch auf Erden geblieben, da habe ich mir an jedem Tag Überdosen vor die Rezeptoren geklebt, bessere Drogen gab es nicht, tödlichere auch nicht. Ja, ich schwöre dir, noch toter könnte ich nicht sein, so gänzlich ohne deine nervös schwankenden Ausschüttungen des süßen Gifts. Ich schweife ab, ...

Die eine, die einem jeden von uns das Herz gebrochen hat, ist die wichtigste Frau in unseren Leben. Ihr verdanken wir alles, vom Glück bis zum Leid. Es gibt auch unter den schönen Frauen nicht viele, die sich für den Job eignen. Sie brauchen eine gewisse Tragik, einen Wesenszug, der uns zum Seufzen bringt und manchmal vor Rührung fast aus dem Fenster treibt. Sie können dabei Huren, Mörderinnen und Lügnerinnen sein. An die Stifte müssen sie uns zwingen. Darauf kommt es an. Eine gute Muse lässt den Dichter, der ihr verfiel, an sich sterben. Ganz gleich wie gut oder schlecht der Dichter ist. Das ist der Muse ganz egal. Sie braucht den Dichter nicht. Aber sein unsichtbarer Skalp verschönert ihre Aura. Ihr Name ist meist Erato, die anderen sind etwas harmloser, aber nicht zu unterschätzen. Der Dichter rächt sich an der Muse, indem er ihren Tod prophezeit und sie zum Weinen bringt.

 
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Überwältigende Sprache - Stimmung erinnert mich an FA_Safran.
 

[fN]Leichnam

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nur dass es dem nicht einfallen würde sich dermaßen von einer frau beherrschen zu lassen. zumindest wenn man seinen posts glauben schenken will. aber thx.
 
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ich glaube es würde ihm nur schwerer fallen sich das selbst einzugestehen - geschweige denn das öffentlich kundzutun.
aber die sprache ist hier schon 1+.
 
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Nice. Werd ich mal einer vordichten. Nur das Pic hätte nicht sein müssen. Lass die Vorstellung der Frau lieber jedem selbst überlassen.
 

Green Monkey

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Ästhetisch perfekt.
Der Text ist wahrscheinlich zu gut, um ihn hier zu veröffentlichen.
 

Jesus0815

Guest
Die teils derbe Sprache ist natürlich beabsichtigt, unterstreicht sie doch die Stimmung. Sie erscheint an gewissen Stellen aber auch als Makel, teils unreif, eines ansonsten wirklich guten Textes.

Der Author hat Potential.
 
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