Vielleicht unterschätzen wir alle auch nur den Scholzomat?
Ich wüsste ja gerne mal, wie Scholz mit dieser Autosuggestion immer wieder durchkommt. Anscheinend hat der politische Journalismus in Deutschland kollektiv das Gehirn eines Rottweilers, dass sie sich nicht mehr an 2021 erinnern können, aber ich habe in letzter Zeit häufiger gehört, Olaf Scholz habe die Wahl 2021 "gewonnen". Das Problem ist nur, dass das 2021 exakt gar niemand dachte; da war jedem klar, dass Laschet und Baerbock diese Wahl verloren haben.
Eins DER zentralen Forschungsergebnisse der Wahlforschung ist, dass eine Wahl bei der der Amtsinhaber antritt eigentlich immer ein Plebiszit über diesen ist und dass der Herausforderer eine geringe Rolle spielt. 2021 trat kein Amtsinhaber an. Scholz tut immer so, als wäre es irgendwie das Comeback des Jahrhunderts gewesen, dass er 2021 aufgeholt hat, aber jeder der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema beschäftigt hat wusste, dass damals die Spannweite für mögliche Ergebnisse in der Mitte groß war, weil sich ein großer Block in der Mitte zwischen relativ ähnlichen Parteien entscheiden musste und die Kandidaten der anderen beiden Parteien kaum im kollektiven Bewusstsein der Wähler waren. Als klar war dass ihnen nicht gefällt was sie sehen, was mit Scholz natürlich exakt Null zu tun hatte, war ein knapper erster Platz für die Partei mit dem Kandidaten, den die Leute kennen und über den sie weder eine besonders positive noch besonders negative Meinung hatten, überhaupt nicht mehr überraschend.
Dieses Mal tritt ein Amtsinhaber an, der miserable Umfragewerte hat. Es ist einfach vollkommen durchgeknallt zu glauben, dass die entscheidende Variable die Person Scholz ist und nicht die Art der Wahl, die 2021 war und die 2025 sein wird. Die SPD wird diese Wahl deutlich verlieren. Die ganzen Leute, die jetzt sagen, Pistorius ist ein unbeschriebenes Blatt und mit ihm könnte es auch schlecht laufen haben nicht Unrecht, aber das ist der Unterschied zwischen den beiden: Mit Pistorius hätte man wieder eine vergleichsweise große Spannbreite gehabt. Mit Scholz hat man ein schlechtes Ergebnis so gut wie sicher. Wenn Scholz jetzt irgendwie das id der Partei wäre und die wider besseren Wissens ihren Herzenskandidat aufstellt wäre das eine Sache, aber nicht mal in der SPD fanden sie Scholz gut, bevor er Kanzler wurde. Nicht mal jetzt finden sie ihn besonders gut. Ich verstehe einfach Null, wie man vor die Wähler treten will, um ihnen zu sagen "hey, der Kandidat den ihr alle hasst, jetzt ist eure Chance ihn für vier weitere Jahre zu wählen!"
Sorry, aber das ist doch keine valide Antwort darauf, dass Lanz und andere Anwesende, die es besser wissen, ihm durchgehen lassen.
Denke, wir müssen das Thema jetzt nicht totdiskutieren: Gibt es innerhalb weiter Teile der Bevölkerung eine Prädisposition gegen alles, was mit Schulden zu tun hat? Ja.
Ist damit gesagt, dass man nicht die meisten Menschen davon überzeugen kann, dass Schulden für den deutschen Staat sehr sinnvoll sein können? Nein.
Ich glaube auch ein bisschen wir reden einander vorbei. "Valide" in dem Sinn dass ich das für intellektuell nachvollziehbar halte, finde ich das auch nicht. Aber es ist eine valide Erklärung dafür, warum Lanz und Konsorten so fragen.
Ob man Leute vom Gegenteil überzeugen kann ist letztendlich eine empirische Frage, über die wir natürlich nur spekulieren können. Meine Bedenken lassen sich im Grunde auf Folgendes reduzieren: Ich kenne kein Narrativ, das für die meisten Leute intuitiv eingängig ist, warum Schulden eine gute Sache sein können. Leuten, die sich darauf einlassen *wollen*, kann man das durchaus mit magneto trouble und Multiplikatoreffekten begreiflich machen. Aber für den großen Rest ist "Schulden heißt man lebt über seine Verhältnisse, also schlecht" halt das eingängige Narrativ, gegen das man einfach keine Chance hat.